Die Sitzungen im Februar 2012

Die Sitzungen im Februar 2012

Aus dem Landtag vom 23. Februar 2012

Wenn nicht im Bund, dann in Bremen: Mindestlohn Die Diskussion um die Einführung eines einheitlichen Mindestlohns wird in Deutschland schon seit geraumer Zeit geführt, Vorstöße dazu im Bundestag und im Bundesrat scheiterten an der Bundesregierung, die sich allenfalls eine Lohnuntergrenze vorstellen kann. Die Bremer Koalition aus SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat jetzt einen Gesetzesantrag vorgelegt, mit dem in allen Bereichen, auf die die öffentliche Hand in Bremen und Bremerhaven Einfluss hat, ein Mindestbruttolohn von 8,50 Euro pro Stunde vorgeschrieben wird. Zur Anpassung an künftige wirtschaftliche Entwicklungen soll eine Mindestlohnkommission eingerichtet werden, die jährlich den Mindestlohn neu festsetzt, allerdings nicht unterhalb des jetzt festgelegten Betrags. Frank Willmann, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion: "Die in der Bundes-CDU diskutierten Vorschläge, die Mindestlöhne auf tarifliche Vereinbarungen zu beschränken, lösen das Problem nicht; im Gegenteil, es würde ein Flickwerk mit vielen Schlupflöchern bleiben. Und die Friseurin in Sachsen verdient eben weiterhin unter drei Euro in der Stunde – alles tariflich vereinbart und nicht mal sittenwidrig, da nur sittenwidrig ist, was ein Drittel unter dem tariflichen Lohn liegt, bei der Friseurin in Sachsen also unter zwei Euro in der Stunde! Die Debatten der letzten Wochen im Bundestag und im Bundesrat zeigen aber leider allzu deutlich, dass ein allgemeiner, flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn mit dieser Bundesregierung nicht klappen wird! Das ist nicht nur einfach schade, das ist unsozial und ungerecht. Wer Tag für Tag, Woche für Woche arbeitet, muss vom Lohn für diese Arbeit auch leben können. Das ist ein Kernpunkt sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die SPD können sich sicher sein, dass die Mehrheit der Bremer und Bremerhavener Bevölkerung für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ist." Eigenständigkeit der swb erhalten Die EWE als Mutterkonzern der swb ist in wirtschaftliche Schieflage geraten und plant mit einem "Projekt 15plus" Einsparungen durch Zusammenlegung von Doppelstrukturen und neuen Konzern-, Führungs- und Steuerungsstrukturen. Dazu gehört auch die Integration der Bremer swb AG in die EWE, was den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge haben wird. Die swb wird nach diesen Plänen nur noch als "Marke" erhalten bleiben. Beim Verkauf der Bremer swb-Anteile an die EWE war in einem "Konsortialvertrag" umfangreiche Bestandsgarantien vereinbart worden, unter anderem heißt es darin, dass die swb AG "als eigenständige Unternehmensgruppe an den Standorten Bremen und Bremerhaven als Kompetenz- und Entscheidungszentrum nachhaltig gesichert und weiterentwickelt" werden soll – und weiter: "Es ist insbesondere nicht beabsichtigt, Teile bzw. Funktionen der swb zum Nachteil des Wirtschaftsstandortes Bremen zu verlagern". Vereinbart wurde, dass die von der swb wahrgenommenen Geschäftsfelder einschließlich der dafür erforderlichen Mitarbeiter mindestens bis zum 31.12.2019 im Land Bremen verbleiben. Bremen hat zudem bis zum 31.12.2024 bei der Veräußerung von swb-Aktien ein Vorkaufsrecht. Mit einem Antrag von CDU, SPD und GRÜNEN wies heute die Bürgerschaft einseitige Veränderungen am geschlossenen Vertrag zurück und forderte den Erhalt der Arbeitsplätze sowie der Aufgaben und Funktionen an den Standorten Bremen und Bremerhaven. Die energiepolitische Sprecherin der grünen Fraktion Anne Schierenbeck in der Debatte: "Die Ursache für die wirtschaftliche Schieflage der EWE ist nicht etwa der Atomausstieg  oder die Energiewende, sondern dass in den letzten Jahren eine Reihe von Fehlentscheidungen getroffen und Fehlinvestitionen durchgeführt wurden. Da ist das Engagement beim Verbundnetz Gas, dem drittgrößten deutschen Gasimporteur, zu nennen. (…) Auch die Engagements der EWE in Polen und der Türkei waren nicht so erfolgreich wie geplant. Aufgrund verlorener Gaspreisklagen machte die EWE ein weiteres, dreistelliges Millionen-Minus. Um so bitterer ist es, dass nun auf der einen Seite die Beschäftigten der swb in Bremen dies ausbaden sollen und auf der anderen Seite die Verlängerung des Vertrags mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Werner Brinker im April 2012 nicht in Frage gestellt wird." Die Sitzung wurde um 12.00 Uhr für eine Schweigeminute zum Gedenken an die Mordopfer der nationalsozialistischen Terrorgruppe unterbrochen.Besitz von Schusswaffen einschränken In den letzten zwanzig Jahren sind in Deutschland über 100 Menschen mit Schusswaffen aus legalem Besitz getötet worden. Gemäß der bundesgesetzlichen Regelung des Waffen­gesetzes berechtigt neben der Jagdausübung vor allem der Schießsport zum legalen Besitz von Schusswaffen. Der Bundesgesetzgeber ist in der Abwägung der individuellen Freizeit­interessen der Sportschützinnen und –schützen mit der öffentlichen Sicherheit und der Gefahr für Leib und Leben zu einer liberalen Regelung gekommen, die nach den Amokläufen der letzten Jahre in vielfältiger Weise kritisiert wurde. Das derzeit geltende Waffengesetz bedarf einer generellen Verbesserung. Die Möglichkeit zu unangemeldeten Kontrollen in Privathaushalten ändert nichts daran, dass der Zugang zu Waffen zu einfach bleibt und der Besitz von halbautomatischen Waffen und gefährlicher Munition nicht ausreichend beschränkt wurde. Der Bundesrat hat die Schwächen der Reform erkannt, die bestehenden Vorschriften zur Sicherung von Waffen und Munition reichen nicht aus. Ein heute verabschiedeter Antrag fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene für eine Reform des Waffenrechts einzusetzen, die zum Ziel hat, den legalen Waffenbesitz einzuschränken. Weiterhin soll der Senat die Einführung einer Waffenbesitzsteuer prüfen. Die Debatte wurde von mit Mitgliedern von Schützenvereinen vollbesetzten Zuschauerrängen verfolgt. Matthias Güldner, grüner Fraktionsvorsitzender: "Illegale Waffen können nur im Besitz von Verbrechern sein. Aber es muss doch legitim sein nachzufragen, wie ist es mit der Gefährlichkeit von legalen Waffen? Man könnte sagen, sie sind nicht gefährlich, weil es ja legale Waffen sind. Aber wie wir wissen, passieren auch mit legalen Waffen schreckliche Unfälle. Und warum, wenn wir hier unter anderem über die Gefährlichkeit von Gefahrguttransporten sprechen können, können wir nicht auch über die Gefährlichkeit von legalen Waffen sprechen? Denn hierbei spielt der Faktor Mensch eine wichtige Rolle: Sie vergessen, die Waffen richtig aufzubewahren, vergessen die Trennung von Waffen und Munition – aber es ist nicht nur Fahrlässigkeit, die hier in Frage kommt. Wir alle wissen, dass Waffenschränke aufgebrochen werden, Waffen aus Depots gestohlen werden, so werden aus legalen Waffen illegale. Von diesen Waffen geht doch per se eine Gefahr aus. Und wenn wir diese Gefahr mit unserem Antrag minimieren können, ist es doch legitim!" "Die Grünen haben nicht so viele Mitglieder und Sympathisanten, die in diesem Bereich engagiert sind", ging Güldner auf den Schießsport ein und sagte zum Beispiel Biathlon: "Mir hat noch keiner erklären können, warum ein Sport, der sehr angesehen ist, der sehr alt ist, sogar olympische Disziplin ist, warum dieser Sport mit scharfer Munition ausgeführt werden muss. Das ist viel zu gefährlich und missbrauchsanfällig. Es gibt keinen Grund, warum er mit scharfer Munition stattfinden muss." Und zur Waffenbesitzsteuer sagte Matthias Güldner: "Selbstverständlich ist auch diese Maßnahme eine Möglichkeit die gewünschte Einschränkung der Benutzung von Waffen zu erreichen. Aber mit unserem Antrag fordern wir den Senat auf, alle finanziellen und rechtlichen Implikationen zu prüfen. Erst dann wollen wir entscheiden, ob eine solche Steuer möglich und sinnvoll ist oder nicht. Gefahren aus der Gesellschaft ein Stück herauszunehmen, dazu sind wir Politiker auch verpflichtet, deshalb beschließen Sie unseren Antrag." Soziales Wohnen – soziales Bauen Ein heute beschlossener Koalitionsantrag fordert den Senat auf, in Zusammenarbeit mit den Bremer und Bremerhavener Wohnungsbauunternehmen ein Handlungskonzept für sozial gemischten und bezahlbaren Wohnraum zu entwickeln und für verschiedene Wohnformen eine Strategie und Beratungsangebot zu schaffen. Zunächst schilderte Carsten Werner, in der Grünen-Fraktion für Bau und Stadtentwicklung zuständig, die Problemlage: "Wir Grünen setzen, wenn es um die Stadtentwicklung und um soziales Wohnen geht, auch auf soziales Bauen: Statt Pendlerpauschale, Eigenheimzulage und Flächenfraß setzen wir auf Innenverdichtung – denn in Deutschland werden immer noch jeden Tag um die 100 Hektar Fläche verbaut, 120, 150 Fußballfelder, das ist so viel, wie für den neuen Stuttgarter Bahnhof S21 verbaut werden – täglich frisst sich Deutschland so viel Fläche weg, zu Teilen auch immer noch, um teure Einzelhäuser zu bauen, die nur mit kilometerlangen Autofahrten zu erreichen, zu verlassen und zu versorgen sind – stressig, teuer und unökologisch! Das müssen wir ändern. Dazu werden wir auch Phantasie aufbringen müssen, Neues ausprobieren – und Altes wieder neu ausprobieren müssen: Denn viele Hochhäuser aus den 60er bis 80er Jahren waren ja hoch verdichtet, waren aber Monostrukturen im sozialen Wohnungsbau – relativ billig, aber sehr anonym, oft nur auf die Wohnung selbst bezogen. Da gab es wenig soziale Kontakte und soziale Kontrolle, kaum Identifikation – und Segregation statt Integration und Inklusion. Städtebaulich ist das überholt und es wird vielfach repariert - wie besonders beispielhaft in Osterholz." Und er zeigte anschließend auf, in welche Richtung der Antrag zielt: "Für die Innenverdichtung ist die entscheidende Aufgabe jetzt, die Bevölkerung der Quartiere sozial und demografisch möglichst gemischt sein zu lassen – und auch Fluktuation zuzulassen und als Herausforderung ans Bauen mitzudenken. Deshalb kann soziales Bauen natürlich nicht nur Wohnungen meinen, sondern muss auch die Freiräume, attraktive Gemeinschaftsräume beinhalten – draußen wie drinnen. Wenn wir die Weserufer in der City und der Neustadt oder die Bremer Parks vom Frühling bis Herbst erleben, wird das ganz deutlich – wer sich da alles aufhält und trifft. Zum Wohnen gehören auch Freizeitmöglichkeiten, Plätze, offene Stadträume, Kommunikation und Versorgung. Da findet dann auch wirklich Begegnung statt und gegenseitige Wahrnehmung und Toleranz, die passieren ja im Vorgarten oder im Flur buchstäblich nur ganz begrenzt. Man muss in den Quartieren intelligentes, integratives Sozialmanagement betreiben, eine wohnortnahe Versorgung und soziale Teilhabe ermöglichen. Und das gilt nicht nur für besonders einkommensschwache Bürger als Almosen, das muss, wenn es wirklich integrativ wirken soll, auch alle einbeziehen, die vielleicht gerne etwas hochpreisiger leben. Die sitzen auch gerne auf einer Grünfläche oder grillen gern, die leben auch gerne in einem familienfreundlichen Quartier und legen Wert auf Sicherheit – und die kaufen auch gerne um die Ecke ein." Erleichterte Investitionen im Baubereich Im Zuge des Konjunkturprogramms II des Bundes wurden den Bundesländern 2009 Mittel zur Verfügung gestellt, um mit Investitionen vorrangig im Baubereich dem Einbruch der Konjunktur in der Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Bremen erhielt daraus rund 118 Millionen Euro. Damit dieses Geld auch zügig ausgegeben werden konnte, wurden mit einem "Investitionserleichterungsgesetz" die Hürden für die Ausschreibung öffentlicher Aufträge gesenkt. Dieses einmal verlängerte Gesetz lief in Bremen mit Ablauf des Jahres 2011 aus. Allerdings haben etliche Bundesländer ihre Regelungen verlängert, um ein in der Beratung befindliches neues einheitliches Vergabeverfahren abzuwarten – so auch unser Nachbarland Niedersachsen. Dies wiederum benachteiligt die hiesige Wirtschaft. Der grüne Wirtschaftspolitiker Ralph Saxe dazu: "Wir Grünen haben mit Bauchgrummeln und Migräneattacken noch einmal vor gut einem Jahr der Verlängerung des Bremischen Investitionserleichterungsgesetzes zugestimmt. (…) Eine weitere Verlängerung kam für uns aus fachlichen Erwägungen nicht mehr in Frage. (…) Für uns wogen die Argumente für strengere Wertgrenzen schwerer, die da sind: verbesserte Transparenz, Kontrolle und erhebliche Haushaltsentlastungen durch mehr Wettbewerb. Im unteren Vergabebereich, der insbesondere für das regionale Handwerk und die regionale Wirtschaft interessant ist, ist es uns aber aus Angemessenheitsgründen, zum Beispiel auch wegen der geltenden Praxis in Niedersachsen, wichtig und geboten, das Verfahren gerade für kleinere Handwerksbetriebe zu erleichtern und die Vergabegrenzen moderat anzuheben."

Aus dem Landtag vom 22. Februar 2012

Gewalt in Syrien stoppen – Demokratiebewegung unterstützen Nach Tunesien, Ägypten, dem Jemen und Libyen kämpfen heute die Menschen in Syrien gegen die Herrschaft des Assad-Regimes, für grundlegende demokratische Rechte. In vielen Städten und Dörfern versammeln sich täglich Zehntausende zum friedlichen Protest. Dabei werden immer wieder Bürgerinnen und Bürger verfolgt und ermordet, weil Assad diese Bewegung für Demokratie und Freiheit brutal zu unter­drücken versucht. Nach UN-Angaben sind seit März 2011 mehr als 6.000 Menschen ums Leben gekommen, mindestens 40.000 wurden verhaftet, viele werden gefoltert. Die Menschen lassen sich aber nicht von ihrem friedlichen Protest abbringen. Zunehmend organisieren sie sich in lokalen Komitees, in den Flüchtlingslagern vor allem der Türkei und weltweit im Exil. Sie brauchen Unterstützung! Auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN wurde eine Aktuelle Stunde dazu ab gehalten. Hermann Kuhn bedankte sich nach der Debatte bei allen Fraktionen, dass sie nicht nur die Solidarität mit den Menschen in Syrien bekundet, sondern auch dargestellt hatten, was in Bremen getan werden kann und dass dies gemeinsam getan wird. Im Folgenden die Rede von Hermann Kuhn im Wortlaut: "Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, wir alle kennen die unscharfen, zittrigen Bilder, die uns in diesen Wochen aus Syrien erreichen, aufgenommen meist mit Mobiltelefonen und ins Netz gestellt, unter Lebensgefahr – mehrfach war es offensichtlich das letzte Bild, das den Scharfschützen mit dem Gewehr im Anschlag zeigt. Diese Bilder zeigen täglich und aus vielen syrischen Orten, inzwischen auch in Damaskus, friedliche Versammlungen, Demonstrationen; sie zeigen Schüsse in die Menge; sie zeigen Verletzte, Tote, Kinder, Frauen. Sie zeigen Panzer und Artillerie, die gegen Wohnviertel, Krankenhäuser, Moscheen vorrücken. Sie zeigen Trauer und Verzweiflung, aber auch Entschlossenheit und unglaublichen Mut. Wo und wann diese Bilder aufgenommen wurden, das lässt sich nur in wenigen Fällen eindeutig bestätigen – denn eine freie und unabhängige Berichterstattung gibt es nicht aus diesem Land. Aber sie alle zusammen und die Berichte Tausender Flüchtlinge ergeben insgesamt ein klares und unbezweifelbares Bild: Das Assad-Regime führt Krieg gegen das eigene Volk. Es führt diesen Krieg, um seine Privilegien, seine Alleinherrschaft zu sichern gegen die Bewegung der Frauen und Männer in Syrien, die ihm das streitig machen, indem sie eintreten für elementare Rechte, für die Freiheit der Meinung und der Versammlung, für freie politische Betätigung, gegen Ungerechtigkeit und politische Willkür. Dafür gehen die Menschen in Syrien nun seit elf Monaten auf die Straße, wie zuvor in Tunesien, in Ägypten, Libyen und dem Jemen. Sie tun dies, wie wir täglich sehen können, immer wieder unter Einsatz ihres Lebens. Ich finde, es ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung, dass wir unsere Solidarität mit dem syrischen Volk deutlich erklären und dass wir alles Mögliche tun, zu helfen, zu unterstützen. Die Gewalt des Regimes muss ein Ende haben, mit Assad wird Syrien keine Zukunft haben! Was können wir zur Unterstützung tun? Wir können dazu beitragen, dass die syrische Demokratiebewegung in Deutschland Aufmerksamkeit und Gehör findet. Wir können dafür sorgen, dass niemand nach Syrien abgeschoben wird. In Bremen geschieht das nicht, aber in Niedersachsen wird gerade zur Stunde gegen eine solche Abschiebung demonstriert. Wir müssen alles dafür tun, dass die Frauen und Männer aus Syrien, die bei uns leben und hier für die Demokratiebewegung dort eintreten, wirksam geschützt werden gegen Angriffe der syrischen Geheimpolizei und Handlanger des Assad-Regimes, die es ja auch in Deutschland bereits gegeben hat. Und wir müssen, meine ich, den Studierenden aus Syrien helfen, denen das staatliche Stipendium gestrichen worden ist wegen Unterstützung der Demokratiebewegung und die nun nicht wissen, wie es mit ihrem Studium in Bremen weitergehen soll. Und wir können durchaus ganz praktisch die syrische Demokratiebewegung unterstützen, indem wir den Bürgerkomitees, die sich dort bilden, finanzielle Hilfe zukommen lassen, die sie vor allem für die lebensnotwendige Verbesserung der Kommunikation untereinander und mit den Flüchtlingen in den Nachbarländern und den Freunden im Ausland so dringend brauchen. Eine solche Initiative gibt es in Deutschland zum Beispiel unter dem Namen 'Adopt a Revolution'; sie vermittelt eine Art Patenschaft zu Bürgerkomitees in Syrien; auch eine Gruppe aus Bremen engagiert sich hier bereits. Aber wir müssen uns ehrlich fragen: Kann dies alles etwas Ernsthaftes bewirken? Die Gewalt des Assad-Regimes einschränken und beenden, die Menschen schützen? In den letzten zwanzig Jahren ist in der internationalen Gemeinschaft ein völkerrechtliches Prinzip neu definiert worden: 'Responsibility to Protect', 'Schutzverantwortung', seit der UN-Vollversammlung anerkannt und vom Sicherheitsrat als verbindliches Prinzip beschlossen. Es geht davon aus, dass der Inhalt, der Zweck der Souveränität eines Staates gerade im Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger liegt; und dass bei schweren Menschenrechtsverletzungen eines Staates die Verpflichtung zum Schutz der Menschen auch bei der internationalen Gemeinschaft liegt – in festgelegten Verfahren, in dessen Zentrum der UN-Sicherheitsrat steht. Der Sicherheitsrat hat versucht, dieser Verpflichtung nachzukommen, durch Verurteilung des Assad-Regimes und die Verhängung von Sanktionen. Dabei kann man nicht genug die Tatsache würdigen, dass diese Initiativen vor allem von den arabischen Ländern und der Türkei ausgegangen sind. Um so mehr ist es eine Schande, meine Damen und Herren, dass Russland und China durch ihr Veto jeden Versuch wirksamen gemeinsamen Handelns verhindert haben und Syrien weiter mit Waffen beliefern. Assad hat dies sofort als 'Lizenzm zum Töten' verstanden und seine militärische Offensive gegen die Hochburg des Widerstandes in der Stadt Homs begonnen. Dort droht heute eine humanitäre Katastrophe. Und natürlich entschließen sich Menschen zur Gegenwehr, Soldaten desertieren; die Gefahr eines Bürgerkrieges wächst. Und der Ruf nach Hilfe wird lauter. Was können wir also tun, um die Menschen in Syrien vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen und zu verhindern, dass vor dem unvermeidlichen Sturz des Assad-Regimes noch Tausende Menschen ihr Leben verlieren? Ich muss Ihnen gestehen: Ich weiß es gegenwärtig nicht. Ich glaube, es ist hier auch nicht der Ort, das Für und Wider von Vorschlägen zu erörtern, die öffentlich oder im Stillen kursieren. Ich kenne gegenwärtig keine politische Option, die eindeutig von der Bewegung in Syrien selbst unterstützt würde, weil sie sicher Schutz und nicht noch mehr Leid bedeuten würde. Aber diese Ratlosigkeit und diese Ohnmacht sind quälend. Ich möchte, dass wir sie nicht verdrängen, sondern dass dieser Stachel bleibt. Die Schutzverpflichtung hat ja nicht nur ein Gremium in New York übernommen, sondern sie liegt ja bei der Gemeinschaft der Menschen. Die Fragen werden uns wieder gestellt werden, wir dürfen ihnen nicht ausweichen. Meine Damen und Herren, die Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern haben erneut und in wunderbarer Weise durch die Tat bewiesen, dass die Menschenrechte unteilbar sind. Das wird auch nicht durch Rückschläge und Irrungen geschmälert. Wir wollen auch in diesem Haus immer wieder an diese Unteilbarkeit der Menschenrechte und ihr inneres Band – die Solidarität – erinnern. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich." Ausweitung des Wahlrechts Im Land Bremen lebten im Jahr 2010 rund 80.000 Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Damit waren mehr als 10 Prozent der Bremerinnen und Bremer von der Teilnahme an den Landtagswahlen 2011 ausgeschlossen. Rund 22.000 dieser Menschen stammen aus ande­ren EU-Mitgliedstaaten, so dass sie ab dem 16. Lebensjahr zumindest an den Kommunal­wahlen teilnehmen dürfen. Aber diejenigen, die aus Nicht-EU-Ländern kommen, sind vom Wahlrecht insgesamt ausgeschlossen, obwohl sie in der großen Mehrzahl weit länger als fünf Jahre bei uns leben und arbeiten. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bestimmt, dass das "Volk" die Staats­gewalt durch Wahlen ausübt, und dass auch in den Ländern, Kreisen und Gemeinden das Volk eine Vertretung haben muss, die aus Wahlen hervorgegangen ist. Im Jahr 1990 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass unter dem Begriff "Volk" nur deutsche Angehörige zu verstehen sind; der Stadtgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen hat in seiner Ent­scheidung vom 8. Juli 1991 ebenso geurteilt. Seither hat sich die bundesdeutsche Gesellschaft geändert, eingebettet in europäische und globale Entwicklungen. Deutschland ist ein Ein- und Auswanderungsland, Menschen ziehen in andere Länder, um dort zu arbeiten und um Familien zu gründen. Sie wollen sich in der Regel in die neue Gesellschaft integrieren und mitwirken, ohne dabei ihre ursprüngliche Herkunft vollständig abzulegen. Die Europäische Union hat diese Entwicklung mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Ausländerinnen und EU-Ausländer nachvollzogen; seit 1992 erlaubt daher auch das Grundgesetz Nicht-Deutschen aus der EU zumindest an Kommunalwahlen und an den Wahlen zum Europaparlament teilzunehmen. Damit ist das Wahlrecht nicht mehr ausschließlich an die "Volkszugehörigkeit" gebunden. Ein heute auf Antrag der rot-grünen Koalition eingesetzter Ausschuss wird sich mit den Möglichkeiten befassen, Bremer Bürgerinnen und Bürgern, die keine Staatsbürgerschaft eines EU-Landes haben, das Wahlrecht zu den Bremer Stadtteilbeiräten zu geben und den EU-Bürgerinnen und –Bürgern das Recht zu geben, den Landtag zu wählen. Hermann Kuhn, europapolitischer Sprecher der grünen Fraktion: " Anders als vor zwanzig Jahren dürfte inzwischen bei allen angekommen sein, dass Deutschland wie die meisten anderen europäischen Staaten ein Einwanderungs- (wie übrigens auch ein Auswanderungs-)Land ist und dass dies unsere Gesellschaft auch wesentlich prägt. Aus dieser Tatsache folgt für uns zwingend, dass auch die Bremer Bürgerinnen und Bürger, die keinen Pass der EU haben, aber seit einiger Zeit in Bremen leben, in einem ersten Schritt wenigstens das Recht erhalten müssen, die Beiräte mit zu wählen und sich in sie wählen zu lassen. 'No taxation without representation' war vor mehr als 200 Jahren die Losung einer erfolgreichen Revolution. Und sie ist ja richtig. Es kann doch nicht sein, dass Menschen hier leben, zum Wohlstand beitragen, ihre Kinder und Enkel in Kindergärten und Schulen schicken, zur Mitwirkung aufgerufen werden, aber keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ihr Lebensumfeld, ihre Wohnquartiere und deren Einrichtungen prägen. In vielen europäischen Ländern, wie bei unseren Nachbarn Niederlande und Polen, sind Regelungen, wie wir sie anstreben, seit Jahren Alltag und zwar bewährter Alltag. Sie werden nicht einmal von Herrn Wilders in Frage gestellt. Regelmäßig fordern deshalb auch die europäischen Organe wie das Europäische Parlament und der Ausschuss der Regionen alle Mitgliedstaaten auf, hier nachzuziehen. Das wollen wir." Opferrechte sind Grundrechte Die CDU-Fraktion hatte in einem Antrag postuliert: "Opfer von Straftaten bedürfen der besonderen Betreuung und des Schutzes durch den Staat" und dazu die Einrichtung der Stelle eines/r Opferschutzbeauftragten gefordert. Dies lehnte die rot-grüne Koalition ab und beschloss einen eigenen Antrag. Sülmez Dogan, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, begründete in der Debatte darüber die Ablehnung und den eigenen Antrag: "Der Schutz von Opferrechten ist für uns ein wichtiges Thema, deshalb haben wir im Rechtsausschuss im Dezember eine umfassende und aufschlussreiche Anhörung der Bremischen Opferschutzeinrichtungen durchgeführt. (…) Die Frage, ob es einen Bedarf für einen Opferschutzbeauftragten in Bremen gibt, wurde in der Anhörung ebenfalls mit den Hilfeeinrichtungen diskutiert. Das Ergebnis war so eindeutig, dass ich mich wundere, dass Sie Ihren Antrag nach wie vor aufrecht halten. Die angehörten Hilfeeinrichtungen sahen keinen Sinn in der Berufung eines Opferschutzbeauftragten. Sie sind hervorragend mit- und untereinander vernetzt, und nahezu jede der angehörten Einrichtungen hat daher angeregt, das für die Einsetzung eines solchen Beauftragten erforderliche Geld doch bitte sinnvoll zu verwenden." Die CDU hatte in ihrem Antrag als weitere Begründung aufgeführt, dass gerade die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution häufig während des Ermittlungsverfahrens in ihre Heimatländer zurückkehren müssten. Dazu Dogan weiter: "Diese Feststellung ist leider richtig. Dies liegt aber, anders als von Ihnen behauptet, nicht daran, dass die Opfer keine Bezugspunkte zu Bremen hätten, sondern daran, dass es der Bundesregierung unter der Führung Ihrer Partei noch immer nicht gelungen ist, die Richtlinie des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels umzusetzen. Die Betroffenen reisen keinesfalls freiwillig in ihre Heimat zurück, sondern werden zumeist ausgewiesen, da ihnen, anders als in der Richtlinie vorgesehen, kein Aufenthaltstitel gewährt wird. Daran, dass sie nach ihrer Abschiebung nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen, wird auch kein Opferschutzbeauftragter etwa ändern können." Die Bundesregierung hatte einen runden Tisch zu sexuellem Kindesmissbrauch eingerichtet, der als Ergebnis in einem "Aktionsplan 2011" unter anderem Handlungsbedarf bei der finanziellen Absicherung von Beratungsangeboten vor Ort sah. Hier ist die Bundesregierung gefordert, ein Konzept vorzulegen. Sülmez Dogan: "Die Bundesregierung ist bisher untätig geblieben, und deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, sich auf Bundesebene hierfür einzusetzen." Ökologische Erneuerung der Stromerzeugung Auf Initiative der grünen Fraktion war der Senat mit einer Großen Anfrage nach dem Stand der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien gefragt und nach dem Potenzial in Bremen und Bremerhaven, die ökologische Stromerzeugung auszubauen. Die Antwort wurde heute diskutiert. Anne Schierenbeck, energiepolitische Sprecherin, in ihrer Rede: "Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat sich im Land Bremen seit 2005 vervierfacht. Das ist die gute Nachricht aus der Antwort des Senats. Damit liegt der Stromanteil aus erneuerbaren Energien im Land Bremen bei 4,5 Prozent. Auf Bundesebene ist im letzten Jahr ein Anteil von 20 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung erreicht worden. Das macht deutlich, dass in Bremen noch Luft nach oben ist." Schierenbeck machte deutlich, dass Bremerhaven mit seinem Windenergieschwerpunkt auf der Gewinnerseite der Energiewende sei, aber: "Anders stellt sich die Situation in der Stadt Bremen dar. Die Ausgangslage ist ungünstig: Unser Strom wird in veralteten, ineffizienten Kohlekraftwerken erzeugt, deren Wirkungsgrad uns die swb nicht verraten mag. Die Erzeugung von Strom mit Kohle ist mit besonders hohen CO2-Emissionen verbunden. Circa 60 Prozent der eingesetzten Energie geht ungenutzt als Abwärme verloren." Sie sah aber gute Chancen dafür, dass Bremen eine Zukunft als Stromerzeugungsstandort hat und dass einige Standortvorteile für Bremen als Erzeuger im umweltfreundlichen Strommix (Solarstrom, Windenergie, Geothermie und Biomasse) sprächen. "Das aber nur", so Schierenbeck, "wenn in das Strom- und vor allem das Wärmenetz investiert wird. Und wenn neue Kraftwerke gebaut werden, die flexibler sind und erneuerbare Brennstoffe nutzen."

Aus der Stadtbürgerschaft vom 21. Februar 2012

Kulturelle Bildung ist nicht die Himbeertorte Mangelnde kulturelle Teilhabe ist sowohl Folge als auch Ausdruck von Armut und insbesondere in einer Großstadt ein fühlbares Zeichen von Ausgrenzung. Um dem nachhaltig entgegenwirken zu können, ist es notwendig, allen Bürgerinnen und Bürgern Bremens – unabhängig von Alter, Herkunft, Einkommen und Wohnort – Zugangsmöglichkeiten zu kulturellen Angeboten zu eröffnen sowie Kindern und Jugendlichen die Partizipation an altersgerechten kulturellen und künstlerischen (Bildungs-)Angeboten zu ermöglichen. Dies wirkt sich positiv auf die soziale Entwicklung und die seelische Gesundheit aus und ist ein wesentlicher Baustein gesellschaftlicher Prävention. Den Sachstand kultureller Teilhabe in Bremen hatten die Grünen gemeinsam mit der SPD vom Senat erfragt, dessen Antwort wurde heute debattiert. Kirsten Kappert-Gonther, stadtbremer Gesundheitspolitikerin, hob die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft deutlich: "Die Auseinandersetzung mit Kunst ist Bildung, fördert das Sich-bilden der Persönlichkeit, die Fantasie durch die Eröffnung neuer innerer Welten, sie ermöglicht Menschen ihr Deutungs- und Urteilsvermögen auszubilden und nicht zuletzt fördert sie die Fähigkeit zu Toleranz." Gerade in der vergangenen Woche haben Forscher der Universität Erlangen erste Ergebnisse einer breit angelegten Studie zu den Wirkungen der Kunst auf unser Gehirn und unsere Seele vorgelegt. Sie sehen ihre Hypothese bestätigt, dass die Beschäftigung mit Kunst eine Ressource für das Meistern von Übergangssituationen darstellt. "Das heißt", so Kappert-Gonther, "Jugendliche, die sich mit Kunst beschäftigt haben, kommen besser mit der Umstellung von Schule zu Ausbildung zurecht; Auszubildende und Studierende, denen im Rahmen ihrer Ausbildung auch die Beschäftigung mit Kunst angeboten wurde, kommen besser mit dem Sprung ins Erwerbsleben zurecht. Und was ich besonders spannend finde: Auch älteren Menschen gelingt die schwierige Umstellung von Erwerbsleben zum Ruhestand nach dem Besuch von Kunstkursen signifikant besser. Erfreulich sei die Vielzahl von kulturellen Bildungsangeboten und ihre Vernetzung untereinander, besonders die vielfältige Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Angeboten sei zu begrüßen. Den Umbau der Schulen zu Ganztagsschulen sah Kappert-Gonther als Chance für weitere Verbesserungen: "Die Vielfalt des sich Bildens und des Ausbildens einer Persönlichkeit wird sich verzahnen müssen, die Schulen und die kulturellen Einrichtungen werden zusammenarbeiten müssen, die Musikschule, die Museen, die Theater – die ganze Vielzahl der kulturellen Initiativen in Bremen und das ist auch gut so! Kulturelle Bildung ist eben nicht die Himbeertorte, die es mal geben kann, wenn das Schwarzbrot mit Käse gegessen ist, die Beschäftigung mit Kunst ist eine entscheidende Grundlage für gutes Lernen, für seelische Gesundheit und für die Entwicklung fähiger Persönlichkeiten." "Stadt am Fluss" weiterentwickeln "Die land- und wasserseitige Nutzung der Weser im Stadtgebiet Bremen im Zuge der Stadtentwicklung zur weiteren Steigerung der Attraktivität Bremens für Einwohnerinnen zu prüfen" fordert ein rot-grüner Antrag und formuliert dazu etliche Aspekte, die dabei berücksichtigt werden sollen. Zu dem heute einstimmig beschlossenen Antrag führte der Fraktionssprecher für Stadtentwicklung, Carsten Werner, aus: "Als ich als Jugendlicher oder junger Erwachsener aus dem nordöstlichen Umland immer nach Bremen gefahren bin, da gab's für mich das Viertel, Schüsselkorb und Sögestraße mit Stadtbibliothek und Karstadt, dann kam noch die Obernstraße mit ein paar Jeansläden, dahinter war der Weserkurier in einer düsteren Gasse – und dann war Bremen zu Ende. Es gab noch einen kanalartigen Fluss, den man irgendwie vergessen hatte. – Und heute leben wir in einer Stadt am Fluss! Den kann man aus allen möglichen Richtungen erreichen und sehen und der ist zu einem entscheidenden Faktor geworden, wenn Bremen heute vor allem auch bei jungen Leuten als coole, entspannte Stadt am Wasser wahrgenommen wird." Werner schilderte die Historie von "Stadt am Fluss": "Vor 20 Jahren hat die Stadt, damals mit dem grünen Stadtentwicklungssenator Ralf Fücks, im größeren Stil angefangen, Impulse mit diesem Ziel aufzunehmen – die gingen zuerst mal von einzelnen kleinen Bürgerinitiativen wie dem Verein Hal Över aus, der die Sielwallfähre für den Publikumsverkehr gerettet hatte und dann das Café Sand etabliert hat. Und inzwischen ist daraus ja eine veritable Reederei geworden, die Bremen am Wasser und auf dem Wasser verkörpert und die uns diese Wasserseite der Stadt auch wieder in den städtischen Alltag gebracht hat, ins Freizeitgeschehen – und die auch ein wichtiger touristischer Faktor für die Bilder und die Wahrnehmung von Bremen geworden ist – und übrigens ganz nebenbei eine ganz wertvolle historische, stadtgeschichtliche Arbeit macht. Das vergisst man leicht, wenn man vom Freizeitfaktor und den touristischen Erfolgen redet. Dass das einer Bürgerinitiative gelungen ist, die hier in der Stadt entstanden ist und ganz ruhig und nachhaltig gewachsen ist, ist vielleicht ein Teil des Erfolgsgeheimnisses der ganzen 'Stadt am Fluss'!" Bei allem, was an Entwicklungsmöglichkeiten wirtschaftlich und touristisch denkbar ist, ist es aber nötig festzulegen, was nicht gemacht werden soll. Dazu Carsten Werner: "Für die Grünen – und ich glaube, nicht nur für uns – ist dabei aber klar, dass der Fluss insgesamt nicht zur Partyzone verkommen darf und auch nicht zum Spekulationsobjekt oder –anlass für hochpreisige Immobilien. Deshalb wird es mit uns auch keine Verdrängung von Kleingärten vom Stadtwerder geben, um dort weiter zu bauen, wie das einige Unternehmen fordern! Uns ist wichtig, dass die Weser überall zugänglich bleibt – und dort zugänglich wird, wo sie es noch nicht ist! Und uns liegt viel daran, die Weser nicht nur so sauber zu behalten, wie sie derzeit ist – sondern auch ihre Ufer weiter zu renaturieren und bei aller Entwicklung Rücksicht auf den Lebensraum Weser zu nehmen! Den Fluss einfach nur zu funktionalisieren, das tut ihm und das tut der Stadt nicht gut – das kann man aus der Fehlentwicklung der 70er und 80er Jahre ja lernen – und das gilt sicher für neue Industrien und Wirtschaftszweige genau so wie für die damaligen alten, sichtbar dreckigen." Den Bremer Westen entwickeln Ein heute beschlossener Antrag der SPD und Bündnis 90 DIE GRÜNEN nahm den Bremer Westen mit seinen Stadtteilen Findorff, Gröpelingen und Walle in den Blick, ihn sozial und städtebaulich weiterzuentwickeln. Kern des Antrags ist die Einrichtung einer "Entwicklungsagentur West". Carsten Werner vertrat den Antrag in den Stadtbürgerschaft als grüner Sprecher für Stadtentwicklung: "Wir sprechen hier heute über Problemlagen im Bremer Westen. – im sozialen Bereich, im Bildungsbereich, auch was Wohnen und Bauen angeht. Und auch städtebaulich sind die Öffnung von Gröpelingen zur Innenstadt hin einerseits und in die vorstädtischen und ländlichen Randgebiete andererseits, und auch die Verbindung von Alt-Walle mit der neuen Überseestadt riesige Herausforderungen. Dazu müssen wir die irrsinnig breite Nordstraße überwinden, müssen auch sehen und zeigen, wie nah Walle der Innenstadt ist – dazu müssen wir aber auch sehr auf das Image der Stadtteile des Westens achten. Deshalb warne ich davor, den Bremer Westen nur als Sanierungsfall zu sehen und zu behandeln! Wir wollen eine Entwicklungsagentur West aufstellen, um mit den Kompetenzen vor Ort – und damit meine ich all die Bürger, die sich für ihren Stadtteil engagieren, die vielen kleinen und kleinteiligen, lokalen Kulturakteure in Walle und Gröpelingen, die spezialisierten sozialen Initiativen in den Stadtteilen: Mit diesen Kompetenzen soll hier Stadtentwicklung gemacht werden – weil nachhaltige Stadtentwicklung beteiligende Stadtentwicklung ist, nicht erst im Genehmigungsstadium oder gar erst im Protest-Modus, sondern schon im Ideen- und Entwicklungsstadium." Discomeile nachhaltig neu entwickeln Die Stadtentwicklung nahm dann mit einem Antrag die Probleme der "Discomeile" am Hauptbahnhof in den Blick: Hier feiern und tanzen jedes Wochenende wegen ihres attraktiven Gastronomie-, Club- und Musikangebots bis zu 10.000 junge Menschen. Aber Alkohol- und Drogenmissbrauch und gewalttätige Auseinandersetzungen machten im vergangenen Jahrzehnt massive Polizeieinsätze, verstärkte Polizeipräsenz und Clubschließungen erforderlich, 2009 registrierte die Polizei fast 1000 Gewaltdelikte. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation aufgrund der nächtlichen Polizeipräsenz und der eingesetzten Streetworker verbessert, aber der Aufwand ist immens und ein ästhetisch attraktives Aushängeschild Bremens ist die "Meile" nicht. Der beschlossene Antrag fordert vom Senat im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept "Innenstadtentwicklung" ein Entwicklungskonzept zur Neugestaltung des Quartiers am Breitenweg, das die auf Beiratsebene entwickelten Lösungsvorschläge zur Entwicklung des Gebiets einbezieht und die jungen Nutzerinnen und Nutzer an der Konzeptentwicklung beteiligt. Linda Neddermann, jugendpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion: "Die Disco- und Kneipenbetreiber dürfen sich nicht ihrer Verantwortung entziehen. Sie müssen sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Finanzierung mit einbezogen werden. Besonders wichtig ist es, dieser Punkt liegt mir sehr am Herzen, den jungen Erwachsenen, die regelmäßig die Meile besuchen, Mitsprachemöglichkeiten zu geben. Jugendlich wollen und sollen mitreden. Hier geht es schließlich um einen Ort, den hauptsächlich sie nutzen – da liegt es an ihnen, ihre Wünsche und Anregungen mit in die Debatte einzubringen. Eine Bewerbung des Projekts dahingehend ist dabei aber ebenso erforderlich." Unter anderem fordert der Antrag eine Neugestaltung des öffentlichen Raums um den Breitenweg/Auf der Brake, ein Lichtkonzept und die Überprüfung der sogenannten 1-Euro-Pubs. Auch das Sicherheitskonzept mit der Waffenverbotszone soll überprüft werden wie auch die Einführung einer Flaschenverbotszone. An eine Sperrstunde sei allerdings nicht gedacht. Neddermann weiter: "Das Gebiet um den Rembertikreisel über den Breitenweg und Auf der Brake bis zu den Hochstraßen muss neben seinem unschlagbaren Partyangebot auch wieder als innenstädtisches Quartier belebt und erlebt werden. Weil hier Menschen wohnen, arbeiten, einkaufen und Ämter besuchen – und abends und nachts eben auch feiern –, soll die Bahnhofsvorstadt auch im Zusammenhang mit der Bebauung und der Neugestaltung vor dem Bahnhof wieder ein Stadtteil werden, mit dem man sich identifizieren kann. Denn den größten Beitrag zu Sicherheit, gegen Vandalismus, Aggression und Vermüllung leistet diese Identifikation. Zwischen Viertel, Hauptbahnhof und Wallanlagen sind dafür eigentlich gute Voraussetzungen gegeben." 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