Die Sitzungen im Mai 2011

Die Sitzungen im Mai 2011

 

Aus dem Landtag vom 12. Mai 2011

 

Zivilklausel der Universität erneuern

Die Universität Bremen hat seit 1986 eine Zivilklausel, in der es heißt: „Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.“

Inzwischen sind 25 Jahre vergangen, die Anteile von Forschungsmitteln von dritter Seite, zum Beispiel über Stiftungsprofessuren von Unternehmen, sind gestiegen. Anlässlich der Einrichtung einer Stiftungsprofessur des Bremer Unternehmens OHB erhob sich Protest von ProfessorInnen und anderen WissenschaftlerInnen der Uni Bremen; die Protestierenden befürchten eine Beteiligung an Rüstungsforschung und eine Gefährdung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre – was allerdings von der Uni-Leitung und von allen Dekanen zurückgewiesen wurde.

In einem heute beschlossenen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen brachte die Bürgerschaft zum Ausdruck, dass sie es begrüßen würde, wenn die Universität ihre Zivilklausel an die Wandlungen der letzten 25 Jahre anpasst und wenn auch die anderen Hochschulen im Land Bremen in einen Prozess eintreten, sich vergleichbare Selbstverpflichtungen zu geben.

Silvia Schön, wissenschaftspolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, wies auf ein grundsätzliches Problem hin: „Das ist der sogenannte Dual-Use, also zivile Forschung, die auch militärisch genutzt werden kann. Was heißt das für die Wissenschaft? Es kann nicht sein, weil es eine Dual-Use-Problematik gibt, das man deshalb die Grundlagenforschung verhindert. Dual Use ist eine Sache der Anwendung. Es ist Aufgabe von Gesellschaft und Politik dafür zu sorgen, dass Sicherheitspolitik mit Friedenspolitik beginnt.“

 

„Dulden heißt beleidigen!“ – Integration braucht Vertrauen

Mit einem heute beschlossenen Antrag zog die rot-grüne Koalition einerseits eine positive Bilanz über ihre Integrationspolitik der vergangenen vier Jahre. Andererseits wies sie damit auf die großen noch zu bewältigenden Aufgaben hin.

Zahra Mohammadzadeh, integrations- und migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, brachte es auf den Punkt: „Integration ist Aufnehmen und Ankommen, Teilhabe und Gestaltung von Lebensperspektiven. Dieser Dualismus ist der Kern unseres Antrags. Es gibt keinen Königsweg zur Integration. Integration kommt nicht von allein. Sie muss erarbeitet werden, und zwar beiderseitig. Integration ist auch kein Ziel, das irgendwann erreicht ist, und damit basta. Sie ist ein Prozess, der ständig neu vollzogen werden muss. Von beiden Seiten. Das haben wir immer betont und sind erfolgreich gewesen.“

Mohammadzadeh machte deutlich, dass ein Perspektivwechsel sehr nötig ist: „Was Migrantinnen und Migranten brauchen, ist eine faire Chance zur Teilhabe ohne Rassismus und Diskriminierung. Kernpunkte der sozialen und kulturellen Teilhabe sind Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Die Mehrheit der Migranten sind keine Opfer. Sie sind keine Almosenempfänger. Sie können und wollen sich selbst helfen.“

Zahra Mohammadzadeh ging noch auf die Vertrauensbildung ein, die ihr sehr am Herzen liegt: „Die Integrationspolitik ist ein Pflänzchen, das man hegen und pflegen muss, wenn daraus ein richtig starker Baum werden soll. Vertrauen ist der Regen, der die Pflanze zum Wachsen bringt. Das aktualisierte Integrationskonzept ist ein Beispiel für solche Vertrauensbildung.“ Antrag und Integrationskonzept siehe unter

 

Kulturen als gleichberechtigt respektieren

Hermann Kuhn verlieh der Debatte über die „ganz normale“ Dimension sozialer Konflikte hinaus Grundsätzliches: „Wenn wir vom Zusammenleben reden, gehen wir Grünen vom Grundsatz unserer Verfassung aus: ‚Alle erkennen einander als Gleiche in ihrer Würde an.‘ ‚Anerkennung‘ ist das Zauberwort und ‚als Gleiche‘. Das Grundgesetz ist für uns der politische, rechtliche und ethische Rahmen; es bestimmt für alle Fundament, Grundriss und die tragenden Prinzipien des Hauses, in dem wir gemeinsam leben wollen. Aber wie wir die Zimmer darin ausgestalten, wie wir leben, welche Kultur wir pflegen und zu welchem Gott wir beten: Das ist nicht Sache des Staates. Das Grundgesetz kennt grundsätzliche keine Rangfolge von Religionen oder auch Nicht-Religion; das Grundgesetz setzt keine Kultur vor die andere. Im Gegenteil: Das Grundgesetz gibt uns auf, die Gleichheit und Freiheit zu schützen!“

Deshalb sei die Behauptung der CDU, „Multikulti sei gescheitert“, grundfalsch. Das Grundgesetz mache es uns gerade zur Pflicht, viele Kulturen als gleichberechtigt zu respektieren. Von daher sei die „christlich-jüdische“ Leitkultur der CDU ein Phantom, das dem Geist unserer Verfassung widerspricht, weil es den Islam und andere Religionen bewusst herabsetzt. „Ich bin überzeugt“, so Kuhn weiter, „dass die große alte Sozialdemokratische Partei nicht auf Dauer damit leben kann, dass ein prominentes Mitglied vergiftende, herabwürdigende Lehren verbreiten kann. Nichts davon hat Herr Sarrazin je zurückgenommen.“

 

Erfolgreiche Arbeit der ISTEC wird fortgesetzt

Die Bremische Bürgerschaft hat heute fraktionsübergreifend einen Antrag beschlossen, der den Senat auffordert, die Arbeit der Informationsstelle ISTEC fortzusetzen. Die Informationsstelle ethnische Clans, kurz ISTEC, wurde im Mai 2010 mit dem Auftrag gegründet, Erkundigungen über ethnische Clans in Bremen einzuholen und der Polizei bei der Bekämpfung von deren kriminellen Aktivitäten behilflich zu sein. Die Arbeit der vier Mitarbeiter war auf ein Jahr begrenzt und lief Ende März offiziell aus. Um dem kriminellen Handeln der Clans entgegenzuwirken, ist es unbedingt erforderlich, die Arbeit der ISTEC fortzusetzen.

Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, sagte dazu: „Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben gute Arbeit geleistet. Es war richtig und sinnvoll, sich diesem Phänomen zu widmen.“ Einer dieser Clans sind die Mhallamiye, von deren 2600 Mitgliedern bereits 1100 Personen strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. „Die Firma M. betreibt organisierte Kriminalität. Wir Grünen stehen zum Rechtsstaat, diese Kriminalität muss bekämpft werden“, so Fecker weiter. Ihm sei es außerdem ein Anliegen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts Inneres, Justiz, Bildung, Soziales und Finanzen in Zukunft noch verstärkt wird. „Dies zu verbessern kann und muss Aufgabe sein.“ Letztlich trage der Antrag auch dafür Sorge, zur Integration der Mhallamiye beizutragen. „In der Tat ist bei vielen der Menschen keine kriminelle Karriere vorgezeichnet. Es liegt an uns, diese Menschen aufzufangen und in die Gesellschaft zu integrieren.“

 

Keine Körperschaftsrechte für Zeugen Jehovas

„Unsere Zweifel an der Rechtstreue der Zeugen Jehovas haben sich bestätigt. Wir haben in der Tat umfangreiche Anhörungen dazu gemacht und dies hat unsere Auffassungen über die Religionsgemeinschaft fundiert“, so Horst Frehe, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Die Zeugen verweigerten beispielsweise Bluttransfusionen für ihre Kinder. Dies verstoße gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit, da es Leib und Leben von Kindern und Jugendlichen massiv gefährde. Weiterhin sei die Verfassungstreue nicht gewährleistet, da Aussteiger der Organisation mit verschiedensten Drangsalierungen leiden müssten. Laut Artikel 4 des Grundgesetzes herrscht in Deutschland Religionsfreiheit, niemand darf also zur Religionsausübung gezwungen werden.“

Aus diesen Gründen hat die Bremische Bürgerschaft heute in erster Lesung einstimmig einen entsprechenden Gesetzesentwurf abgelehnt. Sie folgt damit einer Empfehlung des Rechtsausschusses, der sich in umfassender Form mit der Frage beschäftigt hat, ob die Zeugen Jehovas den Artikeln des Grundgesetzes folgten oder nicht. Im Unterschied zu den anderen Bundesländern, in denen über die Anerkennung der Religionsgemeinschaft auf Verwaltungsebene entschieden wurde, befasste sich in Bremen das Parlament mit dem Thema.

Frehe betonte abschließend, dass es sich hierbei lediglich um die Nichtverleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts handele. Die Rechte der Religionsgemeinschaften stünden den Zeugen weiterhin zu. „Wir entscheiden hier nicht über ein Verbot. Wir entscheiden ausschließlich darüber, ob der Kirche Sonderrechte zugesprochen werden“, so Frehe.

 

Korruptionsregister eingerichtet

„Korruption beeinträchtigt immer wieder in erheblichem Maße das politische, wirtschaftliche und soziale Leben. Sie schwächt das Vertrauen der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit des Staates und in die Lauterkeit seiner Repräsentanten. Nur durch eine effektive Bekämpfung in diesem Bereich lässt sich dieses Vertrauen zurückgewinnen. Korruption schadet nicht nur dem Vertrauen, sondern auch ganz real den kleinen und mittleren Betrieben, die sich dem fairen Wettbewerb stellen wollen“, so Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Die Bremische Bürgerschaft hat heute mit den Stimmen von allen Fraktionen mit Ausnahme der CDU in zweiter Lesung die Einrichtung eines Korruptionsregisters beschlossen. Dieses schließt korrupte Firmen von der öffentlichen Auftragsvergabe aus. Ziel des Registers ist es, die Auftraggeber des Landes Bremen bei der Prüfung von BewerberInnen um die öffentliche Vergabe zu unterstützen.

„Bremen ist bei der Korruptionsbekämpfung schon bereits länger auf einem guten Weg. Mit der Einrichtung der Zentralen Antikorruptionsstelle, diversen Richtlinien und der Benennung von Anti-Korruptionsbeauftragten in jedem Ressort haben wir durchaus wirksame Mittel der Prävention aber auch der Reaktion“, lobte Fecker. Wenn die Firmen entsprechende Nachweise erbrächten, sei es jedoch auch möglich, sie wieder aus dem Register zu streichen.

 

Aus dem Landtag vom 11. Mai 2011

 

A 281: Ergebnis des Runden Tisches nun auch von Bürgerschaft beschlossen

Der runde Tisch zum Bau der Eckverbindung des Bremer Autobahnrings A 281 hat im April einstimmig eine Empfehlung für den umstrittenen Lückenschluss ausgesprochen. Der Landtag übernahm diesen Vorschlag heute unter großer Beteiligung der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, lediglich die CDU mochte dem breiten Konsens nicht folgen. Beschlossen wurde heute die Variante 4-SÜD. Sie stellt ein Höchstmaß an Anwohnerverträglichkeit dar, weil sie Lärm und Schadstoffe gegenüber allen anderen Varianten am geringsten hält. Sie bietet die schnellstmögliche Verknüpfung der bisher bestehenden Teilstücke der A 281 mit der A 1 über den Zubringer Arsten und damit den Unternehmen im GVZ und ihren Beschäftigten eine gute Perspektive. Während der Bauzeit wird der Verkehr mit der Variante 4-SÜD am wenigsten beeinträchtigt. Zudem entfallen "Monsterknoten" und Querspange.

Der Vorsitzende der grünen Bürgerschaftsfraktion Matthias Güldner zeigte noch einmal den grundsätzlichen Widerspruch auf: "Wir bauen eine Autobahn durch die Stadt, um die Stadt zu entlasten. Die Innenstadt und die Neustadt werden entlastet, aber andere werden wiederum belastet. Das ist ein ganz, ganz schwieriger Abwägungsprozess. Und ich bin froh, dass die Planung dafür diesmal nicht von oben, sondern gemeinsam am runden Tisch erfolgt ist. Hier haben wir alle nicht nur viel gelernt, sondern auch einen hohen Standard gesetzt, hinter den keine Regierung wieder zurück kann. Diese Art Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe erzielt ein sehr viel besseres Ergebnis, als das Vorgehen zuvor in Planungsabteilungen ohne öffentliche Beteiligung. Es sind Planungskultur und die Kultur der Bürgerbeteiligung, die hier gesiegt haben. Auch die Planer haben dazugelernt, die Einbeziehung der Betroffenen ist eine Bereicherung und keine Behinderung."

Streitpunkt mit der CDU ist die beschlossene Führung der Bundesstraße B 6 neu unter dem Flughafen hindurch. Sie ist zwar die teurere Variante, aber die einzige Alternative wäre eine Bundesstraße um den Flughafen herum durch die Wolfskuhlensiedlung. Matthias Güldner dazu: "Wenn Sie sich nicht für den Tunnel unter dem Flughafen entscheiden wollen, dann ist für Sie also die Wolfskuhlensiedlung eine Option. Mit uns jedenfalls wird es keine Autobahn durch eine Wohnsiedlung geben!"

 

Abgefahren: viele Anträge zum Thema Bahn

Ein Schwerpunkt der heutigen Landtagssitzung war das Thema Bahn: zwei Anträge zur Bahnanbindung Bremens und Bremerhavens, einer zur Umleitung des Eisenbahn-Güterverkehrs um Bremen herum und drei Anträge zum von der Bahn verursachten Lärm. Beklagt wurde vor allem, dass Bahnverbindungen von und nach Bremen/Bremerhaven aus dem Fahrplan genommen wurden und dass die "Vertaktung" der Züge mit Bussen und Straßenbahnen zu schlecht sei. Bemängelt wurden auch die unzureichenden Maßnahmen der "Deutsche Bahn AG" zum Lärmschutz.

Maike Schaefer, verkehrspolitische Sprecherin, machte eine Ursache aller Problemlagen aus: "Das Schielen auf den Börsengang oder jetzt die Abführung von 500 Millionen Euro jährlich an den Bund führt zu Einschnitten – das Geld ist unserer Meinung nach besser in die Sicherheit des Schienennetzes, den Service und das Fahrzeugmaterial und auch den Erhalt von Zugverbindungen eingesetzt. Wir können es uns nicht leisten, dass durch die Sonderzahlungen an die Bundesregierung der Bahnkunde leidet. Zudem ist das Geld auch in der Lärmsanierung vonnöten." Schaefer forderte für Bremen einen lückenlosen Lärmschutz: "Hierzu gilt es, kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu ergreifen. Der Lärm muss an der Quelle bekämpft werden. Zu den schnell umsetzbaren und effizienten Maßnahmen zählen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Je langsamer, desto leiser!"

 

Zur Situation von Betreuten

Die Grünen-Fraktion hatte eine Große Anfrage zur Situation von Betreuten in Bremen und Bremerhaven gestellt, die heute debattiert wurde. Dabei geht es um Menschen, die ihre Rechte im Alltag nicht mehr selbst wahrnehmen können; sie haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Wahrnehmung dieser Rechte. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen bestimmt, dass alle Vertragsstaaten dafür sicherstellen müssen, dass Menschen mit Behinderungen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um ohne Einschränkungen ihre Rechte wahrnehmen zu können. Horst Frehe, sozial- und behindertenpolitischer Sprecher: "Betreuungsrecht ist daher ein Menschenrecht! Grund für unsere Anfrage war die Sorge, ob die Behindertenrechtskonvention im Land Bremen auch in diesem Bereich umgesetzt wird."

Aus der Antwort des Senats ergibt sich, dass es in Bremerhaven dreimal so viele ehrenamtliche wie beruflich ausgeübte Betreuungen gibt, in der Stadt Bremen dagegen liegt die Zahl der ehrenamtlichen unter der Zahl der Berufsbetreuungen. "Das geht so nicht!" so Frehe. "Denn das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Betreuungen vorrangig ehrenamtlich ausgeübt werden sollen." Betreuung unterstützt zwar Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Sie schränkt damit aber auch die Handlungsfähigkeit der betreuten Menschen ein, insbesondere wenn sie einen Genehmigungsvorbehalt für Rechtsgeschäfte umfasst. Deshalb müssen Betreuungen auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Immer, wenn dies möglich ist, sollten sie möglichst persönlich zusammen mit dem oder der Betreuten ausgeübt werden. Daher ist die ehrenamtliche Betreuung immer zu bevorzugen, soweit die Betreuerin oder der Betreuer nicht durch die Aufgaben überfordert ist. Frehe: "Um ausreichend ehrenamtliche Betreuungspersonen zu finden, muss ein umfangreiches Unterstützungsnetz aufgebaut werden, das vor allem durch Betreuungsvereine sichergestellt werden kann."

 

Bessere Unterstützung für Opfer sexuellen Missbrauchs

Im Jahr 2009 wurden 114 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren im Land Bremen bekannt. Nach Schätzungen des Senats werden die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen nicht bekannt. Das Dunkelfeld ist in solchen Fällen sehr hoch. Jedes vierte oder fünfte Mädchen und jeder zwölfte bis vierzehnte Junge werden in Deutschland sexuell missbraucht. Mit einem breit getragenen Antrag gab die Bürgerschaft dem Senat Vorgaben auf den Weg für eine bessere Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts Soziales, Bildung und Inneres, für eine bessere Aus- und Weiterbildung aller mit solchen Fällen befassten Personenkreisen.

Zudem soll die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle geprüft werden, die den Opfern professionell, unkompliziert, vertrauensvoll, schnell und sicher einen Erstkontakt zur Meldung von sexuellem Missbrauch von Kindern ermöglicht, sie berät und die weiteren nötigen Schritte einleitet. Anja Stahmann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende: "Diese zentrale Anlaufstelle hatte die grüne Fraktion schon auf ihrer Klausur Anfang des Jahres gefordert. Wir müssen die Kinder ermutigen, den Missbrauch zu melden, denn die Mehrzahl der Fälle kommt nicht zur Anzeige. Dabei handelt es sich nicht nur um Körperverletzung, den Kindern wird auch die Seele gebrochen."

 

Zwischenbilanz der Schulreform

Mit einer Großen Anfrage hatte die rot-grüne Koalition den Umsetzungsstand der Bremer Schulreform abgefragt, um nach zwei Jahren Zwischenbilanz ziehen zu können. In den im Dezember 2008 geschlossen Bildungskonsens zwischen SPD, GRÜNEN und CDU waren die Empfehlungen des Schulentwicklungsplans eingeflossen. Zielsetzungen waren dabei: Entkoppelung von sozialer Herkunft und Schulerfolg, Qualitätsverbesserung von Schule und Unterricht, Weiterentwicklung des bremischen Schulsystems mit dem Ziel, die Vielgliedrigkeit zu reduzieren und ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen sowie eine stadtteilbezogene Kooperation der Schulen mit den dort für Kinder, Jugendliche und ihre Familien arbeitenden Einrichtungen. Im Juni 2009 wurde dann das neue Bremische Schulgesetz beschlossen.

Anja Stahmann, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: "Hinter uns liegen vier Jahre intensive Arbeit in der Bildungsdeputation. Die Auftragslage: zehn Prozent der Jugendlichen ohne Abschluss, zu viele Wiederholer, das Schulsystem zu selektiv und zu kompliziert, raus aus dem PISA-Keller. Wir arbeiten an einem durchlässigen und leistungsfördernden Bildungssystem." Sie sah insgesamt einen Erfolg der rot-grünen Bildungspolitik, warf aber in der Debatte auch einen Blick nach vorn: "Was wir in Bremen brauchen: Kita und Schule müssen als Bildungshäuser zusammenwachsen und einen Masterplan bekommen; die Eigenverantwortung der Schulen soll weiter gestärkt und dabei sinnvoll Bildungsbürokratie abgebaut werden; regelmäßige Qualitätschecks von Bildungseinrichtungen mit transparenten Unterstützungsmodulen zur Verbesserung der Einzelschule; bestehende Ganztagsschulen verbessern und Qualitätsstandards definieren; Schulen als demokratische Orte stärken; Umsetzung der Leitidee: kein Bildungsabschluss ohne weiterqualifizierenden Abschluss. Hinter uns liegt viel Arbeit, vor uns liegen viel Arbeit und große Herausforderungen."

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 10. Mai 2011

 

Andere Vergabepraxis statt anderer Drogenpolitik

Wie im Frühjahr bekannt wurde, wurden bei Haaranalysen von Kindern aus Elternhäusern von mit Methadon substituierten Drogenabhängigen Spuren von Drogen gefunden. Im April hatte die Bürgerschaft mit einem umfangreichen Antrag Maßnahmen zur Prävention beschlossen, der auch von der Opposition unterstützt worden war. Inzwischen liegen die Ergebnisse einer genaueren Untersuchung der Haarproben vor, die größtenteils Entwarnung hinsichtlich des Verdachts, die Eltern hätten ihren Kindern Drogen direkt verabreicht, geben.

In der dazu von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde, in der Debatte als Wahlkampfmanöver bezeichnet, sagte Horst Frehe, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion: "Wenn Eltern neben der Methadon-Einnahme weiterhin zusätzlich illegale Drogen konsumieren (und sich für diesen sogenannten Beigebrauch ja auch noch die Drogen und das dafür erforderliche Geld beschaffen müssen), sind sie grundsätzlich nicht in der Lage, ihren Elternaufgaben verantwortungsvoll nachzukommen. In diesem Fall muss auch geprüft werden, ob sie überhaupt weiter am Methadonprogramm teilnehmen können. Durch ein solches Verhalten verletzen sie eine von der Bundesärztekammer verabschiedete Richtlinie zur Methadonvergabe."

"Wir brauchen daher keine andere Drogenpolitik – die ist in Ordnung. Wir brauchen eine andere Vergabepraxis, an der Ärzte und Ärztinnen, Apotheker und Apothekerinnen, Familienhebammen und Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen zusammenwirken!" so Frehe weiter, und er forderte die CDU mit Bezug auf den Beschluss vom April auf: "Lassen Sie uns dieses gemeinsam umsetzen und nicht durch die Aktuelle Stunde Panik verbreiten und eine Abkehr von einer akzeptierenden Drogenarbeit vollziehen."

 

Recht auf saubere Luft: Umweltzone bleibt bestehen

Und weiter ging es mit dem Wahlkampf: FDP wie CDU forderten in zwei Anträgen die Abschaffung der Umweltzone. Die Einrichtung der Umweltzone beruht auf zwei Richtlinien der EU, über 40 deutsche Städte haben sie bereits umgesetzt. Maike Schaefer, in der Fraktion der Grünen für Verkehrspolitik zuständig: "Im Prinzip steht dahinter, dass Bürger das Recht auf saubere Luft haben. Und meine Damen und Herren, das Recht auf saubere Luft und damit Gesundheitsschutz und Wohnqualität ist uns ein wichtiges Anliegen. Das betrifft sowohl die Feinstaub- als auch Stickoxid-Konzentrationen. Anwohner von Straßen mit besonders hoher Feinstaubbelastung können ihr Recht auf saubere Atemluft gerichtlich durchsetzen, entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil 2007. Zudem kann die EU hohe Geldstrafen verhängen, wenn Kommunen keine Maßnahmen zur Luftreinhaltung ergreifen."

Sie monierte: "Aber gerade jetzt, wo der effektivste Abschnitt eingeführt werden soll, nämlich nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette einfahren dürfen, wo die größten Reduzierungen zu erwarten sind, da will schwarz-gelb die Umweltzone abschaffen." Und sie wies darauf hin, dass eine Umweltzone sowieso zeitlich begrenzt angelegt sei, nämlich solange, bis wirklich nachhaltig die Grenzwerte über einen langen Zeitraum eingehalten werden. Die Oppositionsanträge wurden abgelehnt.

 

Kampf um Bremen: Rockergewalt verhindern

Nach der Massenschlägerei der Rockergruppierungen Hells Angels, Red Devils und Mongols MC am vergangenen Wochenende hat die rot-grüne Koalition rasch gehandelt: Die Stadtbürgerschaft beschloss die Ausweitung der Waffenverbotszone (wie auch der Senat am Vormittag), in der auch das Tragen der Abzeichen und Insignien der Rocker verboten ist. Darüber hinaus forderte die Stadtbürgerschaft in einem Antrag den Senat auf, alle rechtlichen Möglichkeiten für ein Verbot von Ausfahrten auszuschöpfen und die Schließung der Vereinsheime und ein Verbot der Vereine selbst zu prüfen.

Björn Fecker, Innenpolitiker der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN: "Wer die Bilder im Fernsehen und die Berichte in den Medien gelesen hat, der muss unweigerlich zum Schluss kommen, dass der Kampf um Bremen offensichtlich eröffnet ist. Hier darf es am Ende nur einen Sieger geben, meine Damen und Herren, und das sind die Demokratie und unser Gemeinwesen. Wer glaubt, die Straßen unserer Stadt unter sich aufteilen zu können, dem müssen wir mit aller Entschlossenheit entgegentreten. Eine solche Provokation darf sich der Rechtstaat nicht bieten lassen."

 

Die Sitzungen im April 2011

Die Sitzungen im Februar 2011

Die Sitzungen im Januar 2011

Die Sitzungen im Dezember 2010

Die Sitzungen im November 2010

Die Sitzungen im September 2010

Die Sitzungen im August 2010

Die Sitzungen im Juni 2010

Die Sitzungen im Mai 2010

Die Sitzungen im April 2010

Die Sitzungen im März 2010

Die Sitzungen im Februar 2010

Die Sitzungen im Januar 2010