Die Sitzungen im März 2010

Die Sitzungen im März 2010

 

Aus dem Landtag vom 18.3.2010

 

Erster Bericht zur Lage der mittelständischen Wirtschaft in Bremen

Der Senat hat zur heutigen Landtagssitzung zum ersten Mal einen Bericht zur aktuellen Situation der kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen im Land Bremen vorgelegt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion Frank Willmann lobte den Bericht in der Debatte: "Die grüne Fraktion bedankt sich für die gut ausgearbeitete Studie, die alle Zahlen beinhaltet, die es irgendwie gab, die darstellbar und vergleichbar waren und sind. Und das ist nicht immer einfach, wenn Sie die Fußnoten lesen, was alles nämlich nicht eruierbar ist aufgrund des deutschen Steuergeheimnisses, was uns auf vielen Gebieten hemmt."

Die Bestandsaufnahme hat u. a. ergeben, dass 99,3 Prozent der rund 22.600 Bremer Unternehmen zum Mittelstand zählen, die mit 37,6 Prozent zum steuerpflichtigen Gesamtumsatz beitragen. Damit liegt Bremen im Bundesdurchschnitt, hingegen erzielt der Bremer Mittelstand eine doppelt so hohe Exportquote wie er auch bei der durchschnittlichen Betriebsgröße mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Von den 15.000 Ausbildungsplätzen in der Wirtschaft waren 12.400 in Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten. Und, bezogen auf das Jahr 2008: Das Verhältnis von Neugründungen und Unternehmen, die liquidiert wurden, ist ausgeglichen.

Wider Erwarten steht der Mittelstand in der Wirtschafts- und Finanzkrise relativ stabil da, wie auch Frank Willmann referierte: "Wir lesen, dass der Mittelstand in Bremen relativ gut durch die Krise kommt. Die Regelungen der beiden Bundesregierungen zur Kurzarbeit und die Maßnahmen zur Qualifizierung greifen, es gab wenige Entlassungen. Gleichwohl haben die klein- und mittelständischen Unternehmen mit Auftragsrückgängen zu kämpfen, dem sie unter anderem mit Verlagerungen auf andere Produkte und Leistungen begegnen. Last but not least kämpfen sie mit den verschärften Bedingungen am Finanzmarkt, Kredite sind teurer, die Risikoabsicherung ist teurer und schwerfälliger, Ideen schwerer als Erfolgsprojekte an die Hausbank vermittelbar."

Zum Bereich der Beschäftigung und Weiterbildung führte Willmann aus: "Der Mittelstand ist der Motor für nachhaltige Beschäftigung und Ausbildung, wir haben gerade in der vergangenen Bürgerschaft die Lage des Handwerks debattiert, wo wir ähnliche Schlussfolgerungen gezogen haben. Aber: Der Mittelstand sieht ein großes Problem in der Verfügbarkeit qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber. Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der herausragenden Forderungen der Grünen auch für den Mittelstand im Land Bremen. Hervorragend Qualifizierte findet der Mittelstand nur mit hervorragenden Arbeits- und Sozialbedingungen."

Die Grünen teilten jedoch nicht die im Bericht verbreitete Ansicht, die Weiterbildungsbereitschaft sei im Vergleich zum Bundesdurchschnitt herausragend: "Probleme haben gerade kleine und kleinste Unternehmen, Beschäftigte freizustellen und die Kursgebühren als selbstverständlich wertsteigernde Kosten anzuerkennen, zu planen und zu verausgaben. Die Unternehmerinnen und Unternehmer des Mittelstands sollten ihr wertvollstes Gut, nämlich ihre eigene Arbeitskraft und die ihrer Angestellten, besonders der eher wenig Qualifizierten durch gute Weiterbildung erhalten und wachsen lassen. Dabei geht es im Bereich der Weiterbildung auch und vor allem um die in ihrer Ausgangsbasis wenig Qualifizierten, gerade sie brauchen die Förderung und Forderung ihrer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber."

Für den Bereich der Existenzgründungen benannte Frank Willmann die grünen Schwerpunkte: "Existenzgründungen  sind für die Grünen kein bürokratischer Akt, sondern kreativer Aufbruch, der Innovationen und Arbeitsplätze ermöglicht und persönliche Freiheit ermöglichen kann. Die Förder- und Beratungsinstrumente müssen immer dahingehend überprüft werden, ob sie das ermöglichen. Ein Gründer mit einer ›verrückten‹ Geschäftsidee soll genauso Beratung und Finanzierung finden, wie eine gescheiterte Unternehmerin ihre zweite Chance. Für die Grünen sind schwerpunktmäßig die Gründungen im migrantischen Bereich, die Gründungen der Absolventen der Hochschulen und Universitäten (viel, viel zu wenige!) und die Aktivitäten in der Kreativwirtschaft ganz besonders im Fokus."

 

Gesetzgebung und Verbraucherschutz: Bremen geht voran

Mit einem heute beschlossenen Antrag wurde eine Testphase angeschoben, bei allen Gesetzen und Verordnungen vor Beschluss zu prüfen, ob und welche Auswirkungen sie auf die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher haben könnten. Der Antrag lehnt sich an Regelungen in der "Gemeinsamen Geschäftsordnung" für die Bundesministerien an und wurde – mit Ausnahme der Linken – von allen Fraktionen getragen.

Warum nur eine Testphase? Es herrschte insbesondere in der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Befürchtung, einen hohen bürokratischen Aufwand zu erzeugen, der nicht im Verhältnis zur Wirksamkeit stehen könnte. Karin Mathes, in der Grünen-Fraktion für den Verbraucherschutz zuständig: "Ziel ist es, die verbindliche Berücksichtigung von Verbraucherschutzinteressen zu erreichen, ohne unnötige Bürokratien zu erzeugen. Bremen nimmt damit eine Vorreiterrolle ein, in keinem anderen Bundesland gibt es eine entsprechende Berücksichtigung des Verbraucherschutzes in Gesetzgebungsverfahren."

 

Beschaffung von Passersatzpapieren – im Zweifel keine Abschiebung

Ausländerinnen und Ausländer, die über keine Ausweispapiere verfügen, können nur in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, wenn Passersatzpapiere für das betreffende Land beschafft werden. Dies geschieht teilweise mit Hilfe von Kommissionen der jeweiligen Staaten: Dabei werden die Ausländerinnen und Ausländer zur Feststellung ihrer Nationalität vorgeführt. Die Kommissionen bewerten, ob die betroffenen Menschen Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger des entsprechenden Landes sind. Die Botschaften stellen dann auf Grundlage dieser Bewertung gegebenenfalls die entsprechenden Passersatzpapiere aus.

Anfang Januar 2010 hatte das Bremer Verwaltungsgericht diese Praxis als undurchsichtig und zweifelhaft bezeichnet und das Handeln der Bremer Ausländerbehörde gegenüber den betroffenen Ausländerinnen und Ausländern gestoppt. Nach Ansicht des Gerichts war die Ausländerbehörde den Nachweis schuldig geblieben, dass es sich bei den Begutachtungskommissionen um rechtmäßig besetzte Delegationen handelte.

Mit einem rot-grünen Antrag wurde heute der Senat unter anderem aufgefordert, den Vorgaben des Gerichts zu folgen und insbesondere keine Vorführungen durchzuführen, wenn sie mit unangemessenen Geldzahlungen an Delegationsmitglieder verbunden sind. Auch sollen in Zweifelsfällen keine Rückführungen mehr stattfinden. Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher: "Die rot-grüne Koalition gibt dem Senat klare Maßgaben mit auf den Weg – oder erinnert an diese."

 

Neues Abgeordnetenrecht nimmt letzte Hürden

Mit der zweiten Lesung gestern und der dritten Lesung der Verfassungsänderung und der zweiten Lesung u. a. des Abgeordnetengesetzes heute fand die Reform des Abgeordnetenrechts in Bremen ihren Abschluss. Ab der kommenden Wahlperiode treten die neuen Regelungen, die insbesondere die Entschädigung betreffen, in Kraft.

Mit der Zusammenfassung von verschiedenen Leistungen, wie beispielsweise Sitzungsgelder, die bislang zusätzlich zur Diät gezahlt werden, wird künftig für jeden transparent, in welcher Höhe die Abgeordneten bezahlt werden. Die Entschädigung wird künftig voll versteuert, anfallende Aufwendungen müssen genauso in Steuererklärungen geltend gemacht werden, wie es alle anderen in ihrer Einkommensteuererklärung tun.

Wie auch schon in der Landtagssitzung im Februar 2010 (siehe dort), bezog sich der Kern der heutigen Debatte auf die wiederholten Vorwürfe der Fraktion Die Linke, es würde klammheimlich eine Diätenerhöhung durchgezogen. Der Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner dazu: "Diese Abgeordnetenreform ist kostenneutral. Und das weiß jedes Kind in der Stadt, was kostenneutral bedeutet. Es bedeutet, dass es nicht einen Cent mehr kostet. Die Reform wird mit genau dem Geld finanziert, das heute für das Parlament aufgewendet wird."

 

Keine Aushöhlung der solidarischen Krankenversicherung

Mit einem Antrag wandten sich heute die Fraktionen der Regierungskoalition gegen die Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Deren Pläne würden zu einer deutlichen Belastung der gesetzlich Versicherten in der Kranken- und der Pflegeversicherung führen und hätten das übergreifende Ziel einer Privatisierung von Krankheits- und Pflegerisiken. Der Einstieg hierzu erfolge gegenwärtig über die Zusatzbeiträge für die Krankenkassen. Folgende Instrumente seien zusätzlich vorgesehen: dauerhaftes Einfrieren des Arbeitgeberanteils, die Einführung der Kopfpauschale, die gesetzliche Krankenversicherung soll zur Basisversicherung werden, Ausgliederung von Versicherungsleistungen, erleichterter Wechsel in die private Krankenversicherung.

Zwar sollen nicht alle krisenbedingten Einnahmeausfälle der Krankenkassen den Versicherten aufgebürdet werden. Allerdings sei vor dem Hintergrund stagnierender oder sinkender Beitrags- und Steuereinnahmen abzusehen, dass die Zusatzbeiträge nicht länger begrenzt werden können. Das träfe vor allem Kranke, Ältere, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung. Dieses bedeute den Abschied von einer solidarischen und zukunftssicheren Gestaltung des Gesundheitssystems.

Doris Hoch, Gesundheitspolitikerin der grünen Bürgerschaftsfraktion: "Wir Grünen wollen durch eine Weiterentwicklung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung die Gerechtigkeitslücke schließen. Alle Bürgerinnen und Bürger, auch Beamtinnen und Beamte, Abgeordnete und Selbständige werden versicherungspflichtig. Die bisher privat Versicherten werden ebenfalls in die Bürgerversicherung aufgenommen. Ihre zusätzlichen Leistungsansprüche, die sie über die private Krankenversicherung erworben haben, bleiben ihnen erhalten und werden über Zusatzversicherungen gewährleistet. Ebenfalls wollen wir Grünen, dass die paritätische Finanzierung der Beiträge auf Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung beibehalten wird."

 

Aus dem Landtag vom 17.3.2010

 

Kleinvieh macht auch Mist – Bremen auf dem Sanierungsweg

"Wir sollten in den kommenden Jahren einen Satz nie verwenden, nämlich ›Damit wird der Haushalt doch nicht saniert‹ – wenn es um kleine Beträge geht. Denn auch mit kleinen Beträgen kann Vertrauen und das Gefühl für Gerechtigkeit verletzt werden, wenn sie nicht gespart werden", mahnte Hermann Kuhn in der Debatte zur Regierungserklärung über die Umsetzung der Ergebnisse der Föderalismusreform II. Deren Vorgabe ist es unter anderem, ab dem Jahr 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, der ohne Kreditaufnahmen auskommt, Stichwort Schuldenbremse.

Zwar erhält Bremen bis zum Jahr 2019 jährlich 300 Millionen Euro Sanierungshilfen, was allerdings nicht ausreicht. Momentan hat Bremen ein Finanzierungsdefizit von einer Milliarde Euro, das in Schritten von 100 Millionen pro Jahr abgebaut werden soll. Hierzu müssen natürlich einerseits die Einnahmen erhöht werden, auch wenn da die Möglichkeiten gering sind. Hermann Kuhn: "Wir werden also um die Einnahmen kämpfen, gemeinsam mit anderen Ländern und den Kommunen. Wir werden auch über sinnvolle und moderate Anhebungen der wenigen Steuern, Abgaben und Gebühren nachdenken, die wir selbst beeinflussen können. Der Senat hat mit der Grunderwerbssteuer bereits einen Vorschlag gemacht, wir haben eine Touristikabgabe in die Diskussion gebracht; das wird mit Sicherheit nicht das letzte Wort sein.

Soweit zu der einen Seite, den Einnahmen. Aber das Entscheidende wird das Sparen bei den Ausgaben sein. Dafür werden wir Einfallsreichtum ebenso wie Stehvermögen brauchen. Ich sage Ihnen, wir Grünen werden, diese Koalition insgesamt wird beides haben." Kuhn führte hierzu drei Grundsätze der Grünen an:

"Der erste und schwierigste ist: Alles muss auf den Prüfstand, auch und gerade das, was schon immer oder wenigstens lange so gemacht worden ist. Wir werden mit Sicherheit auf viel – auch gut begründeten – Widerstand stoßen, aber ebenso, da sind wir sicher, auf gute Ideen, die bisher nicht zum Zuge gekommen sind.

Der zweite Grundsatz ist: Alle Senatsressorts und Verwaltungen müssen ihren Beitrag leisten. Alle müssen das gemeinsame Ziel haben, und häufig gerade über die Ressortgrenzen hinweg, aus weniger mehr zu machen. Was das innere Getriebe der Verwaltung angeht, hat der Senat bereits mit Reformen bei den internen Dienstleistungen begonnen, die das erleichtern werden. Es wird auch bedeuten: alle Gruppen der Bevölkerung werden in der einen oder anderen Weise betroffen sein. Nicht in gleicher Weise, das verbietet die politische Leitlinie des sozialen Ausgleichs; gerade bei den Belastungen ist die Frage der Gerechtigkeit zentral.

All dies ist notwendig, damit wir drittens festhalten können an unseren politischen Schwerpunkten: Bildung – die der Schlüssel ist für Chancengleichheit und Arbeit – und der ökologische Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft."

Im Haushaltsentwurf 2011 sind bereits 50 Millionen Euro erbracht, weitere 46 Millionen sollen bis zur Haushaltsaufstellung folgen. Zudem sollen bis zum Jahr 2014 rund 950 Personalstellen eingespart werden.

Hermann Kuhn kommentierte Bremens Weg in die Schuldenfalle: "Ja, bei den notwendigen Korrekturen wird die Geschichte bisweilen von Interesse sein; und es mag sinnvoll sein, früheren Nutznieß auch bei künftigen Belastungen in Rechnung zu stellen. Aber all das hat nur einen sehr begrenzten Nutzen. Denn es ist am Ende doch so, dass das geliehene Geld auf die eine oder andere Weise überall in Bremerhaven und Bremen angekommen ist. Es hat dieses "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt" real gegeben, und es wird dieses "Wir" auch auf dem schmerzlichen Weg zurück geben müssen, den wir jetzt in Angriff nehmen. Es ist unser Land Bremen mit seinen beiden Städten, unser Gemeinwesen eben, das uns im Besseren wie im Schwierigen verbindet. Wir müssen es gemeinsam neu erfinden, um es zu erhalten."

Hier das in der Senatsklausur am 8. März 2010 beschlossene Papier zur "Umsetzung der Ergebnisse der Föderalismuskommission II in der Freien Hansestadt Bremen"

 

Keine Aufhebung der Verjährung von sexuellem Kindesmissbrauch

Aufgrund der immer häufigeren Anzeigen sexuellen Missbrauchs in Erziehungseinrichtungen der katholischen Kirche wie auch anderen Bildungsstätten hatte die CDU-Fraktion beantragt, die strafrechtliche Verjährung für sexuellen Missbrauch von Kindern abzuschaffen. Dem mochten die Koalitionsfraktionen nicht folgen und stellten ihrerseits einen differenzierteren Antrag. Dieser fordert den Senat auf, "durch eine Bundesratsinitiative zu erreichen, dass der Bundestag das Strafgesetzbuch daraufhin überprüft, ob die Pflicht des Staates zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor seelischer und körperlicher Misshandlung und sexualisierter Gewalt angemessen umgesetzt wird. Insbesondere ist zu prüfen, ob die unterschiedliche Strafandrohung in einem angemessenen Verhältnis zur jeweiligen Schwere der Straftat steht. Eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuches würde auch eine Änderung der Verjährungsfristen nach sich ziehen."

Matthias Güldner, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, bezog sich nicht nur auf eine konsequente Aufklärung und juristische Konsequenzen für die jeweiligen Täter. Er forderte insbesondere die Kirche auf, überkommene Strukturen aufzubrechen: "Hierbei handelt es sich um Männerbünde, geschlossene Systeme, wo nichts nach außen dringt, seien das nun die Kirchen oder Einrichtungen wie die Odenwaldschule. Geheimhaltung und Abschottung sind in der Struktur angelegt. Wir reden hier aber auch über Altenheime, Behindertenheime, Kinderheime, Gefängnisse. Überall dort finden wir Opfer von Machtmissbrauch gegenüber denen, die von der Außenwelt abgeschlossen sind. Daher muss es draußen Menschen geben, die sich kümmern, Ombudsleute oder Vertrauensleute wie in vielen Anstaltsbeiräten, die immer weiter Licht ins Dunkel bringen."

Güldner wies auch darauf hin, dass es sich bei den Tätern nicht allein um irgendwelche anonymen Menschen an den Rändern der Gesellschaft handele. So seien der ehemalige Leiter der Odenwaldschule und mutmaßliche Täter Gerold Becker wie auch dessen Nachfolger Wolfgang Harder als Erziehungskoryphäen in Bremen am Bildungstag 2003 wie auch am Runden Tisch Bildung 2005 an exponierter Stelle beteiligt gewesen.

Matthias Güldner wandte sich noch an den CDU-Antrag: "Das Verschärfen der Gesetze ist nicht einmal ein zentraler Baustein. Es hat sich in den vergangenen Jahren ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen, den es fortzusetzen gilt. Das schützt die Kinder mindestens so gut wie gute Gesetze."

Horst Frehe, justizpolitischer Sprecher der Fraktion, ging noch auf die juristischen Aspekte ein: Es gebe keine Verjährung für Mord und auch nur für Völkermord wurde die Verjährung aufgehoben zur Verfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen. Nun auch noch die Verjährung für sexuellen Missbrauch von Kindern nachträglich aufzuheben, stieße auf starke verfassungsrechtliche Bedenken. Der rot-grüne Antrag fordere jedoch den Senat zusätzlich auf zu prüfen, ob mit einer Bundesratsinitiative Menschen, die vor 1976 als Kinder und Jugendliche Opfer von seelischer und körperlicher Misshandlung und sexualisierter Gewalt geworden sind, im Rahmen einer erweiterten Härtefallregelung Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten können.

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 16.3.2010

 

Kinderschutz nicht nur im Krisenfall

Die CDU-Fraktion hatte eine Große Anfrage zu den Maßnahmen und Verbesserungen im Kinder- und Jugendhilfesystem gestellt; heute wurde die Antwort des Senats debattiert. Mustafa Öztürk, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion betonte die kontinuierlichen Fortschritte der rot-grünen Koalition: "Bereits im April 2008 hatte der Senat in Ergänzung des Sofortprogramms das ›Bremische Handlungskonzept Kindeswohlsicherung und Prävention‹ vorgelegt. Im Jahr zuvor hatte der Senat über den Umsetzungsstand der Empfehlungen der Untersuchungsausschusses ›Kindeswohl‹ berichtet. Und in den Jahren 2008 und 2009 wurde das Schwerpunktmittelprogramm ›Kindeswohl‹ so ausgerichtet, dass es im jetzigen Haushalt 2010 zu Verstetigungen gekommen ist. Die Antwort des Senats hat erneut deutlich gemacht, welche Anstrengungen wir als rot-grüne Koalition hier unternommen haben, um die Kindeswohlsicherung noch engmaschiger als bisher zu machen."

Öztürk führte einzelne Bereiche der Kindeswohlsicherung auf, die einmal mehr die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen verdeutlichten und die Realität vieler Familien in dieser Stadt widerspiegelten: die enormen Steigerungen im Bereich der "Hilfen zur Erziehung", der Anstieg der ambulanten wie auch der stationären Hilfen und auch der Anstieg der sogenannten außerfamiliären Hilfen wie etwa Heimerziehung und Vollzeitpflege (mit einem Volumen von über 100 Millionen Euro). Dazu gehöre auch die Verstetigung des Kinder-Jugendnotdienstes.

Die Vielzahl einzelner Maßnahmen werfe berechtigterweise die Frage auf, ob der "Förder- und Schutzgedanke" und – damit verbunden – das unmittelbare Handeln in Gefahrensituationen wirken und ob Hilfe möglich wird, die sehr früh ansetzt, Gefahren erkennt, Problemsituationen löst und frühzeitig professionell begleitet. Mustafa Öztürk: "Ein erfolgreiches Beispiel ist der Kinder- und Jugendnotdienst und die eingeleiteten Maßnahmen nach einer Inobhutnahme. Daraus kann man Rückschlüsse auf einzelne Bereiche der frühen Hilfen ziehen und daraus, wie auch konkret in Einzelfällen Maßnahmen eingeleitet werden, die ein Zusammenwirken einer Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren, Behörden und Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen – jeweils mit ihren Kompetenzen, Erfahrungen und Maßnahmen, um den Schutzgedanken im Auftrag des Kindeswohls zu sichern."

Öztürk wies aber auch darauf hin, dass "wir doch fraktionsübergreifend die Meinung der Experten teilen, dass ein wirksamer Kinderschutz sich nicht nur auf Intervention und Schutzmaßnahmen im Krisen- und Notfall beschränken darf, sondern ganz primär und mit aller Deutlichkeit auf Prävention und Förderung von Familien zu setzen hat!"

 

Teilverkauf der Ökologiestation nicht beschlossene Sache

Es ging durch die Presse, dass ein Teil der Ökologiestation – etwa 5.000 Quadratmeter – an einen benachbarten Kaufinteressenten verkauft werden soll, wogegen sich in Bremen-Nord breiter Widerstand regte. Ablehnung kam geschlossen vom Vegesacker Beirat, von engagierten Bürgerinnen und Bürgern wie auch vom BUND-Nord, der rund 700 Unterschriften sammelte. Ein Antrag der CDU für die heutige Stadtbürgerschaft rief dazu auf, auf den Verkauf zu verzichten.

Maike Schaefer, Grünen-Abgeordnete aus Vegesack, machte deutlich, dass auch die grüne Bürgerschaftsfraktion und ihr Koalitionspartner keinen Verkauf wollen. Sie begründete allerdings den rot-grünen Gegenantrag: "Sie sagen in ihren Antrag nur, was Sie nicht wollen, nämlich keinen Verkauf der Fläche. Aber das löst nicht das Problem, zum Beispiel wer für die Pflegemaßnahmen aufkommen soll."

Die fachliche Prüfung im Umweltressort hatte ergeben, dass auf dem fraglichen Grundstück Fichten aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden müssen (zumal diese auch nicht zum natürlichen heimischen Baumbestand gehören). Der Baumbestand soll wieder mit Eichen aufgeforstet werden, dem allerdings auch die dort vorhandenen Buchen entgegenstehen. Diese Pflegemaßnahmen würde der potentielle Käufer tragen. Das Argument der Verwaltung: Einsparung von Pflegekosten und Einnahmen durch den Verkauf. Auch könne dem Anspruch Genüge geleistet werden, das Gelände weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten.

Maike Schaefer wies darauf hin: "Die Fläche steht unter Landschaftsschutz, das heißt, unabhängig von den Besitzverhältnissen genießt diese Fläche einen besonderen Biotopenschutz, das heißt, es gibt ein Zerstörungs- und Hineinwirkungsverbot. Die Nutzungsmöglichkeiten müssen genau geprüft werden." Und sie hob hervor: "Man kann sowohl diese Pflegemaßnahmen vertraglich fixieren als auch das Wegerecht für die Öffentlichkeit, das auch im Bremischen Waldgesetz festgeschrieben ist."

Der schließlich auch beschlossene Koalitionsantrag fordert den Senat auf, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, denn auch dieser wich nicht von seiner Haltung ab, das Grundstück verkaufen zu wollen. Damit wird wahrscheinlich auch zum ersten Mal ein Schlichtungsverfahren nach dem jüngst geänderten Beirätegesetz in die Wege geleitet. Die Entscheidung über Verkauf oder Nichtverkauf wurde damit zunächst vertagt.

 

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