Die Sitzungen im April 2010

Die Sitzungen im April 2010

Aus dem Landtag vom 22.4. 2010

 

Kinderlärm ist kein Grund zur Klage

Spielende Kinder verursachen Lärm. Dies ist Ausdruck natürlichen Verhaltens und wichtig für ihre soziale und körperliche Entwicklung. Immer wieder jedoch kommt zu Nachbarschaftsklagen gegen Kindertageseinrichtungen und Spielplätze, bei denen der Verweis auf die geltende Rechtslage nicht selten zu Schließungen von Kitas, Spiel- und Sportplätzen führt. Kinderlärm wird nämlich mit anderen Lärmarten wie Industrie- und Autolärm gleichgesetzt.

Die Kinderkommission des Bundestags hatte sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt und einvernehmlich einen klaren Regelungsbedarf zur Abgrenzung von Kinderlärm festgestellt, und der Bundesrat hatte eine gesetzliche Besserstellung von Kinderlärm beschlossen.

In einem rot-grünen Antrag, der heute einstimmig beschlossen wurde, begrüßte die Bürgerschaft den Beschluss des Bundesrats zur rechtlichen Klarstellung von Kinderlärm und forderte vom Senat zu prüfen, inwiefern in Bremen eine rechtliche Klarstellung erfolgen kann.

Mustafa Öztürk, kinder- und jugendpolitischer Sprecher: "Spielen und toben ist wichtig für Kinder! Dass es dabei auch schon mal laut werden kann, sollte in einer kinderfreundlichen Gesellschaft kein Problem sein. Für uns Grüne heißt das, als Schließungsgrund von Kindertagesstätten oder Spielplätzen Kinderlärm anzuführen, ist untragbar."

 

"Als sicher scheint zu gelten …"

Auf die vage Vermutung, dass beim geplanten Bau eines Offshore-Hafens die Firma Rhenus Midgard als Partner feststehen würde, stützte die Fraktion der Linksfraktion einen Antrag. Darin wird der Senat aufgefordert, "keinen Hafenbau und keinen Hafenbetrieb mit einer Bau- und/oder Betreiberfirma anzugehen, die nicht mit allen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dem Flächentarifvertrag von Verdi unterliegen."

Hintergrund: Die Firma Rhenus Midgard soll ihren Beschäftigten gekündigt und ihnen angeboten haben, in einer konzerneigenen Leiharbeitsfirma zu schlechteren Bedingungen und fast um die Hälfte niedrigeren Löhnen weiter beschäftigt zu werden.

Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Fraktion, begrüßte zunächst Kollegen der Firma Rhenus Midgard, die der Debatte beiwohnten. Sie verwies zunächst auf die gestrige Debatte zur Großen Anfrage der Grünen zum Thema Leiharbeit und machte noch einmal deutlich: "Auch für uns sind die Auswüchse von Leiharbeit, die zu Lohndumping führen und den sozialen Frieden gefährden können, nicht akzeptabel. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Leidtragenden sind, wenn Banker sich verzockt haben, dann ist das für mich, mit Verlaub, Herr Präsident, eine Schweinerei!" Zum Antrag der Linken sagte sie: "Ich halte nichts davon, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und so zu tun, als ob wir in der Politik das mal eben alles schnell ändern können."

Zum geplanten Offshore-Hafen stehe nämlich noch nichts fest, wie auch der grüne Hafenpolitiker Frank Willmann und Wirtschaftsstaatsrat Heseler betonten: Es werden noch Standortvarianten geprüft, dann erst könne das Planfeststellungsverfahren in Gang gesetzt werden. Außerdem könne es noch keine Festlegung auf eine Firma geben, weil die Baukonzession nach EU-Recht europaweit ausgeschrieben werden muss. Staatsrat Heseler warf denn auch der Linken vor, mit ihrem Antrag geltendes Recht aushebeln zu wollen.

Zu den Vorwürfen des Lohndumpings hatte Rhenus Midgard in einer Stellungnahme erklärt:

  • "Richtig: Aufgrund struktureller – nicht etwa nur vorübergehender – Veränderungen in den relevanten Marktfeldern musste restrukturiert werden. Nach fast einem Jahr Verhandlungen – teilweise mit ver.di, teilweise nur mit dem Betriebsrat – wurden alle Angebote der Geschäftsführung von Arbeitnehmerseite abgelehnt, es blieb nur die Kündigung. Bei jährlichen Verlusten von mehr als 10.000 Euro pro Beschäftigtem – trotz Kurzarbeit! – war die Fortführung des Betriebs zu den bestehenden Bedingungen wirtschaftlich einfach nicht zumutbar.
  • Falsch: Es wurde nicht allen Betroffenen ein Angebot unterbreitet, sondern es konnte nur etwa einem Drittel der Betroffenen eine Anschlussbeschäftigung angeboten werden. Für alle Betroffen wurde mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart, der eine entsprechende Abfindung beinhaltet. Die Annahme eines Alternativangebots ist rein freiwillig.
  • Falsch: die Konditionen sollten bei weitem nicht halbiert werden, sondern sich in Teilbereichen der angebotenen Tätigkeit sogar weiterhin am Hafentarif orientieren. Selbst im ungünstigsten Fall war immer sichergestellt, dass das Entgelt mehr als 30% über dem Zeitarbeitstarifvertrag und übrigens auch deutlich über dem gestern für den Hafentarif vereinbarten Fahrerlohn von 10,90 Euro pro Stunde gelegen hätte
  • Falsch: Mit diesem Lohnniveau wären die Betroffenen keinesfalls auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen, liegt der immer noch bei über 2.500 Euro brutto pro Monat. Von einem Handeln auf Kosten der öffentlichen Haushalte kann nicht die Rede sein."

Silvia Schön dazu: "Ob das so stimmt, was da drin steht, da haben wir Fragezeichen. Denn uns liegen Kündigungen und Lohntabellen vor, aus denen hervorgeht, dass nur der Hafengrundlohn von 7 Euro 73 gezahlt wird, bei Krankheit nur 10,33 pro Tag, bei Urlaub 11,60 pro Tag. Und auf den hohen Bruttolohn komme man bei Rhenus Port Services nur mit Zulagen: mit vier Sonntagsschichten, vier Nachtschichten, dreizehn Tagschichten im Monat sowie Überstunden an Werk- und Sonntagen. Wir wissen auch nicht, ob unter diesen Bedingungen immer der Arbeitsschutz eingehalten werden kann. Außerdem ist Rhenus Midgard nicht Mitglied der Hafentarifgemeinschaft."

Und abschließend: "Wir werden, und das versprechen wir auch den Mitarbeitern hier, uns weiter auf den Weg machen, die Leiharbeit zu dem wieder zurückzuführen, wofür sie eigentlich gedacht war, nämlich Auftragsspitzen aufzufangen."

 

Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erhalten in der Bremer Landesverfassung denselben Anspruch auf Schutz und Förderung wie Ehen und Familien, wie der Landtag heute in 1. Lesung beschlossen hat. Schließlich stehen Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft genauso verbindlich füreinander ein wie das bei Ehen der Fall ist. Sie müssen deshalb auch dieselben Rechte haben. Der besondere Schutz der Ehe wird dadurch nicht geschmälert. "Es gibt sachlich und rechtlich keinen Grund, dass Menschen in diesem Land benachteiligt werden, nur weil sie nicht dem hierzulande gängigen Modell der Ehe nacheifern, sondern sich gelichgeschlechtlich verbinden. Schwule und Lesben sind Bestandteil dieser Gesellschaft und die Gleichstellung ihrer Partnerschaftsform daher aus grüner Sicht eine Selbstverständlichkeit", betonte Björn Fecker in der Debatte.

Der schwulen- und lesbenpolitische Sprecher der Grünen machte zugleich deutlich, dass weitere Anstrengungen gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben nötig sind: "Homosexualität ist keine Randerscheinung, es ist eine von der gewohnten Form abweichende Lebensweise, die leider noch immer viel zu häufig auf althergebrachte Vorurteile und Klischees stößt. Dies führt dazu, dass Menschen, die sich dazu bekennen, oft die Erfahrung machen, dass ihre Umwelt damit nicht klarkommt. Diskriminierung am Arbeitsplatz, in der Schule, am Ausbildungsplatz und in Jugendeinrichtungen ist leider auch heute noch ein Thema. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Lebensweisen auf allen gesellschaftlichen Ebenen als gleichberechtigt akzeptiert werden", unterstrich Björn Fecker.

 

Regelsätze an tatsächliche Bedürfnisse anpassen und eigenen Kinderregelsatz schaffen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnung der Regelleistungen im Rahmen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes für verfassungswidrig erklärt. Der Bundesgesetzgeber muss das bis Jahresende neu regeln. Bremen soll nun im Bund darauf dringen, zur Berechnung der Grundsicherungsregelsätze eine unabhängige Kommission u.a. mit VertreterInnen der Länder und Wohlfahrtsverbände einzusetzen. Erforderlich sind die transparente Berechnung und die Anpassung der Regelsätze an die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen. Dafür muss die aktuelle Verbrauchsstichprobe einbezogen werden. Es muss klargestellt werden, dass die Regelsätze künftig an die Verbrauchspreisentwicklung angepasst werden. Nicht zuletzt ist ein eigener Kinderregelsatz nötig, mit dem der tatsächliche Bedarf für die unterschiedlichen Altersgruppen und insbesondere die erforderlichen Bildungsaufwendungen angemessen berücksichtigt wird. Das sieht ein Antrag vor, den der Landtag auf grüne Initiative beschlossen hat.

"Die bisher geübte Praxis, die Höhe des Regelsatzes festzusetzen und dann so lange herum zu rechnen und zu manipulieren, bis der gewünschte Betrag herauskommt, darf nicht mehr stattfinden! Die Grundsicherung muss ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Sie darf nicht Armut erzeugen, die einen großen Teil der Gesellschaft ausschließt", so der sozialpolitische Sprecher Horst Frehe in der Debatte. Er betonte zudem, dass insbesondere Aufwendungen, die eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, stärker berücksichtigt werden müssten. Beispielsweise müsste das Stadtticket und auch der Kino- oder Theaterbesuch im Regelsatz enthalten sein. "Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob die Pauschalierungen für längerfristige Anschaffungen wie Fernseher, Handy oder Waschmaschine in den Regelsatz eingerechnet werden sollten. Es ist völlig lebensfremd, davon auszugehen, dass von der Grundsicherung hierfür etwas gespart wird, um die Reparatur oder Neuanschaffung aus dem Angesparten zu bezahlen", betonte Horst Frehe.

Der grüne Sozialpolitiker wies entschieden das Ansinnen der FDP zurück, z.B. Elektrogeräte wie Waschmaschinen und Fernseher nicht mehr zum notwendigen Bedarf zu zählen. "Wenn der Fernseher als Informationsmedium für überflüssig gehalten oder die Waschmaschine verweigert wird, so dass Grundsicherungsbeziehende teure Waschsalons aufsuchen müssen, so ist das keine angemessene Teilhabe. Eine solche populistische Diskussion dient nur dazu, Vorurteile zu schüren", unterstrich Horst Frehe.

 

Aus dem Landtag vom 21.4. 2010

 

Zweites Hochschulreformgesetz nimmt erste parlamentarische Hürde

Mit dem heute in erster Lesung beschlossenen Zweiten Hochschulreformgesetz werden wesentliche Vereinbarungen aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag umgesetzt:

  • mehr Autonomie und Flexibilität für die Hochschulen
  • erleichterter Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte
  • mehr Frauenförderung und Gleichstellung in der Wissenschaft

Zudem wurde die Kritik der Studierenden an der Bologna-Reform (Bachelor/Master) aufgenommen, sie werden vom Prüfungsdruck entlastet.

Silvia Schön, wissenschaftspolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, führte zu den Punkten aus: "Klar ist aber geblieben, dass alle Flexibilität nicht zu einem Abbau von Studienplätzen führen soll. Wir werden in den nächsten Jahren die doppelten Abiturjahrgänge in Bremen und Niedersachsen zu bewältigen haben. Wir tragen Verantwortung dafür, dass diese jungen Leute eine Chance auf einen Studienplatz haben."

Zum Hochschulzugang ohne Abitur sagte Schön: "Das heißt für uns, Meister und vergleichbare Abschlüsse wie Fachschulen mit staatlicher Prüfung, zum Beispiel ErzieherInnen, erhalten die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung direkt. Außerdem können Menschen mit einer insgesamt fünfjährigen Berufsausbildung und Berufstätigkeit eine Einstufungsprüfung ablegen, mit der sie die fachgebundene Hochschulreife erlangen können. Für uns ist das einerseits ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit, zur Gleichwertigkeit von Abitur und Berufsausbildung und andererseits ein wichtiger Beitrag zur demografischen Entwicklung und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels."

"Was Gleichstellungsfragen in der Wissenschaft anbelangt, sind wir in Deutschland im europäischen Vergleich extrem rückschrittlich", so Silvia Schön zum nächsten Schwerpunkt. "Frauen machen heute die besseren Schulabschlüsse und die besseren Hochschulabschlüsse, aber sie haben anschließend weder in der Wirtschaft noch in der Wissenschaft adäquate Chancen. Und weil wir Frauen fördern wollen und exzellente Forschungsergebnisse ermöglichen wollen, stärken wir die Rechte der Frauen an der Hochschulen." Dazu gehört eine 40-Prozent Sollquote für Gremien, insbesondere Berufungskommissionen. Die Frauenbeauftragten erhalten das Recht auf ein Sondervotum und sind an Entscheidungen des Rektorats zu beteiligen.

Zehn Jahre nach Bologna gab es bundesweit Studierendenproteste. Insbesondere haben sie über eine zu hohe Prüfungsbelastung geklagt. Silvia Schön dazu: "Meine Auffassung ist, eine Hochschule darf keine Sekundarschule III sein. Deshalb soll es künftig keine zwingende Benotung von Modulen mehr geben, wir wollen wieder Freiräume zum Denken schaffen."

Abschließend wies Silvia Schön auf zwei Punkte hin, die den Grünen besonders wichtig sind: "Wir werden erstmals im Hochschulzulassungsrecht eine erleichterte Zulassung für Studienbewerberinnen und –bewerber mit Migrationshintergrund ermöglichen, soweit sie über bilinguale Sprachkenntnisse auf anerkanntem Level verfügen. Und wir werden behinderten und chronisch kranken Studierenden im Sinne des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes einen Nachteilsausgleich für den gesamten Studien- und Prüfungsverlauf als gesetzlichen Anspruch zugestehen."

 

Kindeswohl hat auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Vorrang

Der Staat ist verpflichtet, bei seinem Handeln gegenüber Minderjährigen das Kindeswohl besonders zu berücksichtigen. Über alle Parteigrenzen hinweg herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, regelmäßig zu überprüfen, ob den speziellen Schutzbedürfnissen dieser Kinder ausreichend Rechnung getragen wird. Das findet aber derzeit seine Grenze in geltenden asyl-, aufenthalts- und sonstigen ausländerrechtlichen Bestimmungen und Verfahren für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. In der Praxis sieht es nämlich so aus, dass nicht nur personelle und finanzielle Ressourcenknappheit, sondern maßgeblich auch die unterschiedliche Verwaltungspraxis und Ermessensauslegung dazu führen, dass deren Rechte nicht umfassend gewahrt werden.

Zahra Mohammadzadeh, Migrationspolitikerin der Grünen-Fraktion, stellte ihren Antrag "Verbesserung der Lebensbedingungen und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Bundesland Bremen" vor, der heute einstimmig beschlossen wurde: "Wohl niemand, der Anfang des Jahres die Fernsehbilder aus Haiti gesehen hat, kann sich dem traurigen Schicksal der Kinder entziehen, die als Schwächste in der Gesellschaft unter solchen Katastrophen besonders leiden. Viele von ihnen haben beide Elternteile verloren. Wir haben diesen Antrag gestellt, weil es im Bundesland Bremen Kinder und Jugendliche gibt, die in ähnlicher Lage den Weg zu uns gefunden haben."

Aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion letzten Jahres geht hervor, dass in Bremen und Bremerhaven rund 50 Kinder und Jugendliche ohne Begleitung sind, also ohne Eltern oder Verwandte hier leben, auf sich allein gestellt sind. Mohammadzadeh: "Wir stehen in der Verantwortung ihnen gegenüber, ob sie nun als Opfer von Verfolgung und Gewalt oder als ehemalige Kindersoldaten zu uns gekommen sind. Wir stehen in der Verantwortung, ihnen eine menschenwürdige Lebensperspektive zu bieten. Die Verantwortung, von der ich spreche, ergibt sich aus den Grundprinzipien, auf denen unsere Gesellschaft gründet. Sie gelten jenseits von Fragen der Dankbarkeit oder der Enttäuschung im Fall ›schwieriger‹ gewaltbereiter Jugendlicher."

Deutschland steht schon lange in der internationalen Kritik, weil es kein Identifizierungsverfahren für besonders schutzbedürftige jugendliche Asylsuchende gibt. So zielt denn auch der Antrag darauf ab, auf humane, menschen- und grundrechtliche Standards bei der Altersfestsetzung bei jungen Flüchtlingen zu achten. Oftmals heiße es: Sind denn das alles überhaupt Minderjährige? Die Methoden der Altersfeststellung in den Bundesländern sind so vielfältig wie die Beteiligten an den Verfahren. "Wir in Bremen müssen dafür sorgen, dass sich transparente Methoden der Altersfeststellung in der Praxis durchsetzen", forderte Zahra Mohammadzadeh.

Zweiter, ebenso bedeutsamer Aspekt ist die Kommunikation mit den Betroffenen, was in der Regel den Einsatz von Dolmetschern bedeutet: "Dadurch schaffen wir bessere Voraussetzungen für die Konsultation mit den Betroffenen über ihr Schicksal."

 

"Wir halten konzerneigene Leiharbeit für systematische Tarifflucht, die geeignet ist, den sozialen Frieden zu gefährden."

Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise wird deutlich, dass Unternehmen die Leiharbeit in erheblich größerem Umfang für die strategische Unternehmensentwicklung nutzen. Mittlerweile gründen Unternehmen offenbar gezielt konzerneigene Leiharbeitsfirmen, in die sie Teile ihrer Stammbelegschaft zu deutlich schlechteren finanziellen und rechtlichen Bedingungen überführen. Die EU-Leiharbeitsrichtlinie wurde nur unzureichend in deutsches Recht umgesetzt; ein auf Basis eines Bürgerschaftsbeschlusses initiierter Antrag Bremens im Bundesrat, der die Gleichstellung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern in Fragen von Gehalt, Schutz und Rechten mit den Stammbelegschaften regeln sollte, scheiterte.

Eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN widmete sich der Problematik Leiharbeit mit den Kernfragen: Was weiß der Senat über konzerneigene Leiharbeit im Land Bremen? Wie viele Leiharbeitsfirmen gibt es insgesamt? Und was kosten uns die Aufstockerinnen und Aufstocker, die neben ihrem Arbeitsentgelt Arbeitslosengeld II beziehen müssen sowie Kosten zur Unterkunft?

Silvia Schön, für die Arbeitsmarktpolitik zuständig: "Der Senat weiß nichts über konzerneigene Leiharbeit. Das liegt daran, dass die Bundesagentur für Arbeit bei der Erteilung nicht unterscheidet, ob es sich um konzerneigene Leiharbeit handelt oder nicht. Der Senat weiß leider auch nichts darüber, wie viele Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen im Land Bremen aufstockende Sozialleistungen bekommen, weil auch diese Daten von der Bundesagentur für Arbeit nicht erhoben werden."

Immerhin weiß der Senat, dass es in Bremen 412 Leiharbeitsunternehmen gibt (vor eineinhalb Jahren waren es erst 120) und dass in dieser augenscheinlich enormen Wachstumsbranche nach Überprüfungen zu einem nicht unerheblichen Teil die Lizenzen wieder entzogen oder Auflagen erteilt wurden. Aber auch hier sind die Gründe nicht bekannt.

Schöns Fazit: "Es kann und darf nicht sein, dass wir mit öffentlichem Geld Gehälter bezahlen, für die die Unternehmen zuständig sind, und dann nicht einmal wissen, in welcher Höhe wir das in den Kommunen Bremen und Bremerhaven tun."

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 20.4. 2010

 

Kinderthemen dominierten die Stadtbürgerschaft

Zwei aufeinander folgende Debatten befassten sich mit unserem Nachwuchs. So hatte der Senat den Bremer Kinderschutzbericht 2009 vorgelegt, aber zunächst ging es um ein Problem in der Kindertagesbetreuung:

Die Aufnahmen in den Kindergarten für Kinder ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt erfolgen in der Regel mit Beginn des Kindergartenjahres jeweils zum 1. August. Das ist natürlich einfach bei Kindern, die im Sommer geboren werden. Das trifft allerdings nicht auf alle Kinder zu.

Was viele Eltern nicht wissen: Es ist auch möglich, dass die Betreuung von Kindern mit Rechtsanspruch während eines laufenden Kindergartenjahres beginnt. Die Beantragung eines entsprechenden Platzes sollte nach Möglichkeit drei Monate vor dem gewünschten Aufnahmetermin liegen. Die Vermittlung von diesbezüglichen Informationen sollte deshalb verbessert werden.

Deshalb beschlossen die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN, dass der Senat bis Ende des Jahres ein Informationssystem für die Kindertagesbetreuung und Kindertagespflege der Altersgruppen von 0 bis 3 Jahren und von 3 bis 6 Jahren entwickeln soll. Dieses Informationssystem sollte den Eltern Auskunft über das Anmeldeverfahren für ihre Kinder – auch neben dem klassischen Aufnahmetermin am 01. August – geben. Darüber hinaus sollte es u.a. Informationen über die zuständigen Ansprechpartner/innen im jeweiligen Sozialzentrum und über Formalien und Fristen für die Aufnahme in Einrichtungen enthalten.

Außerdem soll für Kinder unter 3 Jahren ein Benachrichtigungssystem entwickeln werden, das den Eltern eine frühzeitige Planung beim Anmeldeverfahren für ihre Kinder erlaubt. Eltern sollen frühzeitig eine Orientierung über Betreuungsoptionen erhalten, damit sie rechtzeitig ihre Kinder für eine Betreuung anmelden können – und frei werdende Plätze zeitnah auch während des Jahres vergeben werden können. Und: Der rot-grüne Antrag betont, dass Geschwisterkinder nach Möglichkeit in derselben Einrichtung aufgenommen werden sollen.

Das zweite Thema Kinderschutzbericht 2009: Dort heißt es "Auch drei Jahre nach dem Tod des Jungen Kevin sind innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe sowie im Gesundheitsbereich und im fachpolitischen Raum insgesamt noch immer große Betroffenheit und das Ringen um den besten Weg im Kinderschutz deutlich spürbar. Zu Recht, denn nach wie vor zeigen bundesweite Berichte, wie komplex und risikobehaftet das Themenfeld Kinderschutz trotz der verstärkten und unbestritten erfolgreichen Präventions- und Schutzbemühungen von Fachverwaltungen und Politik ist. (…) Es besteht Einigkeit in Politik und Fachöffentlichkeit, in Bezug auf das Ringen um den besten Weg im Kinderschutz weiter an einer lokalen wie bundesweiten Kinderschutzstrategie zur bestmöglichen Kindeswohlsicherung zu arbeiten. Das Bremer Kinderschutzkonzept umfasst auch weiterhin nicht nur den unmittelbaren und bestmöglichen Schutz, sondern schließt auch die Förderung von Kindern und Familien mit dem Ziel eines gelingenden Erziehungsprozess und eines gesunden Aufwachsens junger Menschen mit ein. Über Zuständigkeitsbereiche und politische Parteigrenzen hinweg herrscht dabei realistischerweise die Sichtweise vor, dass auch ein bestmögliches Bemühen das Risiko eines Scheitern im Einzelfall letztlich nicht völlig wird ausschließen können."

Kinderschutz in Bremen folgt einem Leitbild: "Im Bremer Qualitätssicherungs- und Risikomanagement-Konzept in der Kinderschutzarbeit steht das Kindeswohl als Leitidee im Mittelpunkt. Da das Wohl der Kinder, das Wohl der Eltern und das Gemeinwohl aber einander bedingen und fortwährend miteinander austariert werden müssen, ist die Kinderschutzarbeit nicht nur als Aufgabe einzelner Beauftragter, sondern als Aufgabe aller Personen und Institutionen des Landes Bremen, die mit der Erziehung und Bildung, der Gesundheitsförderung und der Kinder- und Jugendhilfe befasst sind, zu verstehen. Die ganzheitliche Orientierung des Kinderschutzes am Kindeswohl, Elternwohl und Gemeinwohl wird als tripolarer Kinderschutz bezeichnet."

Mustafa Öztürk, kinder- und jugendpolitischer Sprecher: "Die Förderung von Kindern und Familien mit dem Ziel eines gelingenden Erziehungsprozesses ist für uns Grüne sehr wichtig. Eine kritische und dauerhafte Überprüfung aller Maßnahmen im Kinderschutz ist notwendig, und die erfolgreiche Neujustierung des Bremer Kinderschutzes muss nun weiter ausgebaut werden. Dabei müssen die Lebenslagen berücksichtigt werden, sowohl der Eltern als auch der Kinder."

Hier der komplette Kinderschutzbericht 2009

 

Methadonvergabestellen – Süchtigen und Nachbarschaft Rechnung tragen

Im Umfeld von Praxen niedergelassener Ärzte, die suchtkranke Menschen behandeln und eine Substitutionstherapie anbieten, wird von einigen Anwohnerinnen und Anwohnern über soziale Auffälligkeiten geklagt. Seitens der Polizei gibt es keine Beobachtungen einer verstärkten Kriminalitätsbelastung. Dennoch klagen viele Bürgerinnen und Bürger im Umfeld der Ausgabestellen über Belästigungen, Verunreinigungen und vermehrte Einbruchs- und Diebstahlsdelikte. Den Anliegen dieser Bürgerinnen und Bürger, dem Interesse an einer fachlich qualifizierten Substitutionsbehandlung und dem Recht der Substituierten auf eine gute Eingliederungs- und Ausstiegschance aus der Sucht ist gleichermaßen Rechnung zu tragen.

Für schwer opiatabhängige Süchtige ist die Substitutionstherapie als sinnvolle medizinische Behandlung anerkannt. In Bremen wird die Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen nach einer gemeinsamen Empfehlung der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen umgesetzt. Die Methadonvergabe sichert häufig das Überleben, verbessert den Gesundheitszustand der Betroffenen und eröffnet die Chance zur Wiedereingliederung in Familie und Beruf. Zudem entfällt der Zwang zur Beschaffungskriminalität. Die Substitutionstherapie für Opiatabhängige ist auch deshalb notwendig, weil viele Abhängige nur auf diese Weise für eine medizinische Betreuung erreichbar sind. Gemäß der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) dürfen Ärztinnen und Ärzte Methadon oder ein anderes zur Substitution zugelassenes Betäubungsmittel zur Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verordnen. Das therapeutische Ziel einer Behandlung bleibt aber die Abstinenz.

In Bremen gibt es sieben Schwerpunktpraxen mit über 50 suchtkranken Patientinnen und Patienten, in denen Ärztinnen und Ärzte eine Substitutionsbehandlung durchführen. Die psychosozialen bzw. substitutionsbegleitenden Hilfen haben eine gute Qualität und ca. 40 Prozent der Substituierten nehmen in der Stadt Bremen an strukturierten substitutionsbegleitenden Hilfen teil. Diese werden bei Patientinnen und Patienten von niedergelassenen Ärzten, deren Zulassung in der Hand der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, in der Regel unter der Zuständigkeit von Drogenberatungsstellen organisiert. Nicht jede Patientin und nicht jeder Patient benötigt das psychosoziale Hilfsangebot.

Horst Frehe, sozialpolitischer Sprecher, regte an, sich an dem vor knapp einem Jahr gefassten Beschluss des Beirats Mitte zu orientieren:

  1. Der Beirat unterstützt die Vergabe von Methadon an Drogenkranke und ist überzeugt, dass es zu einer Verbesserung ihrer Gesundheit beiträgt sowie die Beschaffungskriminalität zu reduzieren hilft. Der Beirat ist für den Ausbau der psychologischen und sozialen Betreuung von Substituierten.
  2. Der Beirat lehnt weiterhin die Zentralisierung von Einrichtungen der Drogenhilfe in der Innenstadt ab. Er hält eine Dezentralisierung der Versorgung für angemessener und bittet das Gesundheitsressort in diesem Sinne für klare Regelungen. Die seit Jahren praktizierte Regelung der Methadonausgabe an 100 Betroffene darf auch am neuen Standort Am Dobben/Fedelhören nicht überschritten werden.
  3. Der Beirat hat versucht, sich ein Bild vom Umfang der aktuellen Belastungen durch die Methadonvergabe Am Dobben/Fedelhören zu machen. Viele der von den BürgerInnen vorgetragenen Probleme hält der Beirat für lösbar. Er schlägt eine nachbarschaftliche Vereinbarung vor, die eine Verringerung der von den BürgerInnen vorgebrachten Probleme zum Ziel hat. Herr Dr. Koc wird gebeten, sich seinerseits konstruktiv in die Lösung der Probleme des Quartiers einzubringen. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Punkte: Bessere Organisation des Wartebereichs, Hinweise für die PatientInnen, Reduktion der Verunreinigungen, Benennung von Verantwortlichen etc. Gegebenenfalls müssen besondere Regelungen für das Wochenende gefunden werden.
  4. Der Beirat schlägt ein regelmäßiges Treffen (etwa alle drei Monate) zwischen BürgerInnen, Beiratsmitgliedern, Arzt und Polizei vor. In dieser Runde sollten aktuelle Probleme und Beschwerden besprochen und nach Lösungen gesucht werden.
  5. Der Bürgerantrag fordert die Schließung und Verlegung der Methadonausgabestelle Am Dobben/Fedelhören. Der Beirat hält dazu fest: Solange sich kein anderer geeigneter Ort für eine Methadonvergabe finden lässt und die Verlagerung der Praxis bewerkstelligt werden kann, sind die Probleme auf dem Wege einer gegenseitigen Verständigung zu lösen. Rechtlich ist der Standort der Praxis nicht zu beanstanden. Eine Verlegung der Praxis kann nur in Zusammenarbeit mit den BetreiberInnen der Praxis erfolgen. Der Beirat unterstützt jede Initiative zur Findung eines anderen Orts. Die Gesundheitsverwaltung wird gebeten, bessere Standorte zu suchen und diese den ÄrztInnen vorzuschlagen.

 

Flottenvertrag für Handwerksbetriebe?

Die CDU-Fraktion forderte in einem Antrag, dass die Bremer Handwerksbetriebe für die Umweltzone einen ähnlichen "Flottenvertrag" mit dem Senat schließen können sollen, wie es ihn schon für Betriebe mit hohem Lieferaufkommen etwa in der Bremer Neustadt gibt (zum Beispiel Beck's und Hachez). Solche Verträge gestatten den Betrieben die Einfahrt in die Umweltzone mit eigentlich nicht mehr zulässigen Fahrzeugen, wenn die Unternehmen zusagen, in einem bestimmten Zeitraum ihre gesamte Fahrzeugflotte auf umweltfreundlichere Fahrzeugtypen umgestellt zu haben.

Maike Schaefer, grüne Verkehrspolitikerin: "Ich bewerte Ihren Antrag so, dass Sie sich endlich von ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Umweltzone verabschiedet haben und sich konstruktiv in den Prozess einbringen." Sie machte in der Debatte aber deutlich, dass ein solcher Vertrag mit der Handwerkskammer nicht ohne Probleme zu schließen sei: "Zunächst gibt es jetzt schon die Möglichkeit, individuelle Flottenverträge mit Handwerksbetrieben zu schließen, wenn die Betriebe in der Umweltzone angesiedelt sind. Für Betriebe außerhalb der Umweltzone ist dies nicht möglich, hier muss im Zweifelsfall umgerüstet werden oder es können, z. B. bei wirtschaftlicher Härte, entsprechende Ausnahmegenehmigungen beantragt werden. Wie die Handwerkskammer ernsthaft überprüfen will, ob und wie die Verträge mit 5.000 Handwerksbetrieben auch wirklich erfüllt werden, ist mir absolut schleierhaft. Auch ist nicht klar, wie man beispielsweise mit niedersächsischen Unternehmen verfahren soll."

In Anerkennung der Problemlage der Handwerksbetriebe lehnte die rot-grüne Koalition den CDU-Antrag jedoch nicht ab, sondern überwies ihn zur Beratung in die Deputation für Umwelt.

 

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