Die Sitzungen im November 2009

Die Sitzungen im November 2009

 

Aus dem Landtag vom 19.11.2009

 

Soziale und ökologische Reform des Bremischen Vergaberechts

"Wir haben jetzt ein Gesetz, das die Einhaltung von Tarifverträgen stärkt und den Mindestlohn dort, wo es möglich ist, festschreibt", erläuterte Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin, den für die 2. und letzte Lesung vorliegenden Gesetzentwurf. "Wir haben jetzt ein Gesetz, dass bei wirtschaftlich gleichwertigen Angeboten den Zuschlag den Unternehmen geben, die ausbilden, tariflich entlohnen und wenigstens den Mindestlohn zahlen, die die Gleichstellung von Frauen und Männern als Unternehmensziel haben und die Schwerbehinderte beschäftigen."

Außerdem werden bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen ökologische und soziale Maßstäbe angelegt: "Künftig werden wir nur noch Waren beziehen, bei deren Herstellung die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beachtet werden. Also Waren, die – soweit wir das feststellen können – nicht durch Kinderarbeit zustande gekommen sind. Wir werden mehr Möglichkeiten haben, um umweltfreundliche Standards bei der Beschaffung durchzusetzen. Die antiquierte Auffassung, umweltschonend ist gleich teuer, kann zurückgewiesen werden. Und im Übrigen gilt auch, dass die Herausforderungen des Klimawandels und des Ressourcenschutzes nicht nur Herausforderungen für die anderen, sondern für uns alle sind."

Das Gesetz wurde mit den Stimmen der Koalition beschlossen. "Mit diesem Gesetz nehmen wir die Verantwortung wahr für fairen Wettbewerb, gegen Lohndumping und für soziale und ökologische Standards", so Schön abschließend.

 

10 Jahre Bologna: Viel erreicht – neue Herausforderungen annehmen!

Vor 10 Jahren einigten sich die Bildungsministerinnen und –minister aus 30 europäischen Staaten in Bologna auf die Schaffung eines europäischen Hochschulraums bis zum Jahr 2010. Ziel des "Bologna-Prozesses" ist es seitdem, dass Europa durch die Einführung eines gestuften Studiensystems aus Bachelor und Master mit europaweit vergleichbaren Abschlüssen, die Einführung und Verbesserung der Qualitätssicherung sowie die Steigerung der Mobilität im Hochschulbereich stärker zusammenwächst. Es sollten klar strukturierte Studiengänge unter dem Gesichtspunkt der Berufsfähigkeit und der Kompetenzorientierung entwickelt sowie die Studierbarkeit innerhalb der Regelstudienzeit erreicht werden. Bei dieser gestuften Ausbildung sollte der Bachelor der erste berufsqualifizierende Abschluss sein.

Nach 10 Jahren haben die Hochschulen im Land Bremen ihre Studiengänge bis auf sehr wenige Ausnahmen auf Bachelor und Master umgestellt. Damit gehören sie zu den führenden Hochschulen in Deutschland, die deshalb auch qualifiziert zu den Erfolgen und dem Nachbesserungsbedarf in diesem Prozess Stellung beziehen können.

"Diese Woche steht im Lichte bundesweiter Studierenden-Proteste. Sie richten sich hauptsächlich gegen die starke Verschulung und die mangelnde soziale Absicherung", führte die Hochschulpolitikerin Silvia Schön in ihren Redebeitrag ein. "Zehn Jahre Bologna ist in der Tat ein Zeitpunkt um innezuhalten und zu überlegen, was erreicht wurde und welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind."

Als positiv hob sie hervor: Fast alle Studiengänge sind auf Bachelor und Master umgestellt, es gibt deutlich mehr Studienfachmöglichkeiten, klar strukturierte Studiengänge, der Stellenwert der Schlüsselkompetenzen mit mehr interdisziplinären Angeboten wurde erhöht und der Bachelor ist zunehmend als erster berufsqualifizierender Abschluss anerkannt. Die Hochschulen und das Studentenwerk haben jedoch Nachbesserungsbedarf formuliert, wovon wesentliche Teile in einem beschlossenen Koalitionsantrag aufgenommen wurden. Zentrale Punkte sind: zu viele Prüfungen, Verschulung verringern, Fachtiefe zurücknehmen zugunsten fachübergreifender Qualifikationen, mehr Wahl- und Wahlpflichtveranstaltungen, Ausweitung der Regelstudienzeit, bessere Unterstützung bei Auslandssemestern und erleichterter Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur.

Einen sehr bedeutsamen Aspekt hob Silvia Schön hervor: "Die große Prüfungsdichte und die Verschulung verschärfen die soziale Lage vieler Studierender. Die Stundenbelastung liegt bei circa 60 Stunden in der Woche, und um die 60 Prozent der Studierenden müssen mindestens teilweise ihr Studium finanzieren. Das ist nicht machbar. Die Konsequenzen zeichnen sich ab: Studierwillige, die keine ausreichende ökonomische Basis aus ihren Elternhäusern mitbringen, werden noch mehr vom Studium abgeschreckt, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das ist das Gegenteil von dem, was wir wollen."

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hatte am 16. November 2009 ein Positionspapier zum Thema der Presse vorgestellt (hier klicken).

 

Ausbildungschancen sind Lebenschancen!

Auch die dritte Debatte am heutigen Vormittag wurde von Silvia Schön bestritten, bei der es um die Große Anfrage "Ausbildungssituation für Jugendliche im Land Bremen" ging, die von der grünen Fraktion gestellt wurde.

Für einen wachsenden Teil der Jugendlichen gestaltet sich der Übergang von der Schule in den Beruf schon seit Jahren nicht reibungslos. Besonders betroffen sind vor allem junge SchulabgängerInnen ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss, Jugendliche mit Migrationshintergrund, aber auch Jugendliche aus einkommensschwachen Elternhäusern. Um Wartezeiten zu überbrücken, werden sie zunächst auf Maßnahmen des "Übergangssystems" verwiesen. Rein rechnerisch wird die Ausbildungsbilanz dadurch stabilisiert, weil die dorthin vermittelten Jugendlichen als "versorgt" gelten. Die angebotenen Maßnahmen bieten aber keine Garantie für eine vollqualifizierende Berufsausbildung im Folgejahr, wodurch die Zahl der "AltbewerberInnen" kontinuierlich ansteigt. Je länger der Schulabschluss zurück-liegt, desto stärker wächst die Gefahr, dass die Jugendlichen ganz ohne Ausbildung bleiben.

"Die Senatsantwort macht deutlich, dass zwar weniger Ausbildungsverträge als im letzten Jahr abgeschlossen wurden, aber vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich größere Einbrüche zu erwarten waren", so Silvia Schön. "Bremen steht besser da als der Bundesdurchschnitt."

Allerdings, so Schön, wurden in Bremen von der Arbeitsagentur über 500 Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr gemeldet, und gleichzeitig haben sich 1.100 junge Menschen weniger um einen Ausbildungsplatz beworben: "Dieser Bewerberschwund gibt Rätsel auf, denn in der Schule sind sie nicht geblieben und in Ausbildungsverträgen nicht gelandet. Hier ist dringend Aufklärung notwendig, aber darum wollen sich der Senat und das Bündnis für Arbeit auch bemühen."

Eine erste Zwischenbilanz der Bremer Vereinbarung 2008-2010 zeigt, dass viel erreicht wurde, aber es auch noch viele Herausforderungen gibt: Es wurden mehr Ausbildungsplätze als vereinbart akquiriert, Maßnahmen für die Ausbildungs- und Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen wurden getroffen, aber es gibt weiterhin eine große Anzahl an AltbewerberInnen, und die Anerkennung von Berufsvorbereitungsmaßnahmen auf die Ausbildung ist noch eine große Herausforderung, Warteschleifen zu vermeiden. Für die Jahre 2011-2013 soll der Senat wiederum als Partner einer zu schließenden neuen Bremer Vereinbarung handeln.

"Wir müssen in Bremen und Bremerhaven daran arbeiten, dass wir genügend Ausbildungsplätze haben, denn Ausbildungschancen sind Lebenschancen", forderte Silvia Schön abschließend. "Ausbildungsplätze werden in erster Linie in der Wirtschaft geschaffen. Da liegt die Verantwortung. Der Senat hat in seinem Verantwortungsbereich vieles auf den Weg gebracht und die Anzahl der Ausbildungsplätze steigern können. Und das ist ein gutes Signal an die Jugend."

 

Mehr Kontrolle, mehr Transparenz

Mit dem heute in erster und zweiter Lesung beschlossenen "Gesetz für Eigenbetriebe und sonstige Sondervermögen des Landes und der Stadtgemeinden" fand eine "kräftige Korrektur statt, die wir sehr begrüßen", formulierte es Hermann Kuhn, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.

Während beim Bereich der Eigenbetriebe im Wesentlichen die alten Regelungen übernommen wurden, sind in diesem Gesetz erstmals auch die "sonstigen Sondervermögen" erfasst. "Es ist ein weiterer Schritt der rot-grünen Koalition, nach der Ausgliederungs- und Aufsplitterungsgeschichte früherer Jahre das öffentliche Vermögen wieder zusammenzuführen und nach einheitlichen Grundsätzen und transparenten Regeln zu verwalten", so Hermann Kuhn.

In den "sonstigen Sondervermögen" ist ein Großteil des Vermögens des Landes und der Stadtgemeinde Bremen abgebildet (sämtliche bremischen Hafenanlagen, sämtliche Schulen, Kindergärten und Verwaltungsimmobilien, sämtliche Infrastruktur, wie Straßen, Wege, Plätze, Brücken). Überdies tätigt Bremen über die Sondervermögen zum Teil kreditfinanzierte Investitionen, deren Abfinanzierung aus den Haushalten künftiger Jahre vorgesehen und eingeplant ist. Es existieren folgende Sondervermögen: Hafen, Fischereihafen, Überseestadt, Gewerbeflächen, Immobilien und Technik, Infrastruktur, Abfall sowie das Sondervermögen Versorgungsrücklage und der Bremer Kapitaldienstfonds.

Hermann Kuhn: "Das Geld, das hier ausgegeben wird, ist öffentliches Geld, seine Bewirtschaftung ist staatliche Kernaufgabe. Und deshalb müssen die Controlling- und die Entscheidungsverfahren dort im Grundsatz die gleichen sein wie beim sogenannten Kernhaushalt. Und das heißt auch, wir, die Bürgerschaft, tragen am Ende als Haushaltsgesetzgeber die Verantwortung und haben deshalb das letzte und entscheidende Wort."

Mit dem Gesetz wird dieser Grundgedanke Schritt für Schritt umgesetzt:

  • Für die Sondervermögen gelten nun auch Vorschriften zur Wirtschaftsführung, Rechnungswesen und Controlling.
  • Durch regelmäßige Controllingberichte an den Haushaltsausschuss und Risikomeldungen an die Finanzsenatorin wird die notwendige Transparenz als Voraussetzung parlamentarischer Kontrolle geschaffen.
  • Die Investitionspläne müssen in Zukunft wie im regulären Haushalt maßnahmenbezogen aufgestellt werden.
  • Wenn sich bei Investitionen größere Veränderungen ergeben (über 250.000 Euro), können die Sondervermögen nicht mehr aus eigener Machtvollkommenheit eine andere Verwendung der Gelder entscheiden.
  • Die Ressorts dürfen Haushaltsprobleme nicht auf Dauer in Eigenbetriebe "auslagern".
  • Die Bürgerschaft nimmt in Zukunft die Wirtschaftspläne nicht mehr nur zur Kenntnis, sondern beschließt sie, so dass die Kohärenz der verschiedenen "Teile" öffentlichen Haushaltens gewährleistet ist.

"Das bedeutet", schloss Kuhn, "der Senat kann seine Verpflichtungen, wir Abgeordneten können unser Budgetrecht in Zukunft ungeteilt ausüben, egal ob über den ›Kernhaushalt‹ oder über ›Nebenhaushalte‹; natürlich wie bisher nach fachlicher Vorbereitung der Gremien und Eigenbetriebsausschüsse. Diesen Gesamtüberblick und diese Gesamtverantwortung werden wir in den kommenden Jahren des Konsolidierungsweges dringend brauchen. Deshalb sind wir Grünen für dieses Gesetz."

 

Aus dem Landtag vom 18.11.2009

 

Ausbau der Betreuungsplätze für Unter-3-Jährige: Alles wird gut!

In der heutigen Aktuellen Stunde mit dem Thema "Bundesmittel nicht genutzt – Senat verschläft Krippenausbau" warf die CDU der rot-grünen Regierung u. a. vor, aus dem Sondervermögen "Kinderbetreuungsausbau" des Bundes bis 31. Juli des Jahres nur 29 Prozent der für Bremen vorgesehenen Mittel abgerufen zu haben. Damit sei Bremen unter den Bundesländern an vorletzter Stelle. Außerdem kritisierte sie, dass die Planungen des Sozialressorts dazu führten, von den Konjunkturprogramm II-Mitteln 3 Millionen Euro an den Bildungsbereich abgeben zu müssen, damit die Mittel nicht verfallen. Maßnahmen, die aus dem Konjunkturprogramm finanziert werden, müssen bis Ende 2010 so weit fertig sein, dass sie abgerechnet werden können.

Den Vorwurf der Schlafmützigkeit gab die SPD-Abgeordnete Karin Garling an die CDU zurück. Neuere Zahlen nämlich besagen, dass Bremen 69 Prozent der Sonderprogrammmittel abgerufen habe und damit bei den Westländern auf dem zweiten, insgesamt auf dem vierten Platz läge. Außerdem machte sie der CDU-Fraktion den Vorwurf, sie würde in keiner Weise die bereits erfolgten Maßnahmen berücksichtigen.

Dies nahm auch die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Anja Stahmann, auf: "Sie unterstellen, der Senat ruft die Mittel aus dem Konjunkturprogramm nicht ab. Das ist doch ausgemachter Blödsinn. Bisher hat der Senat alle Mittel abgerufen und wird alle Mittel, die Bremen zustehen, auch in Zukunft abrufen. Am Ausbauprogramm kann man nicht viel herumkritteln, außer an Details. Das weiß auch die CDU! Nun suchen Sie nach einem Haar in der Suppe und schauen auf den Mittelabfluss der Konjunkturmittel."

Richtig sei, dass bei zwei Bauvorhaben der Senat mit Vorausschau reagiert hat, da die Sorge bestand, dass die Realisierung nicht zum 31.12. 2010 termingerecht erfolge. Zwei geplante Neubauvorhaben in Gröpelingen und Schwachhausen hätten sich in der Planung verzögert. Der Senat habe umsichtig reagiert und für das termingerechte Abrufen der Bundesmittel Projekte aus dem Hause Bildung gemeldet und Haushaltsmittel für die notwendigen Bauten in Schwachhausen und in Gröpelingen bereitgestellt. Anja Stahmann: "Von Senatsschlaf keine Spur! Dem Hause Bildung ein dickes Lob, dass es so auf Zack ist. Vom Hause Soziales hätten wir gerne ähnliches erwartet. Das merke ich kritisch an. Nun wissen wir aber heute, der Bau wird zügig vorangetrieben, und die benötigten Plätze kommen auf alle Fälle. Diese Neubauten sind aber schon ein Vorgriff auf den geplanten Ausbau 2012/2013.

Stahmann beschrieb die Lage: Bis zum Jahr 2013, ab dann gilt der Rechtsanspruch für Krippenplätze, müssten rund 4.800 Plätze bereitgestellt werden, im Frühjahr 2009 habe es schon 2.258 Plätze gegeben: "Das ist doch positiv! In Zeiten der großen Koalition waren es nur rund 800 Plätze. Das ist ein Quantensprung in ganz wenigen Jahren! Das halten wir mal fest." Allein in 2010 und 2011 würden jeweils 488 Plätze geschaffen, davon 350 in Einrichtungen, 48 in sozialpädagogischen Spielkreisen, und 90 in der Tagespflege.

Anja Stahmann zog den Schluss: "Der Titel der Aktuellen Stunde entpuppt sich beim Betrachten der Tatsachen als unwahr. Der Senat macht seinen Job mit Sorgfalt. Er arbeitet umsichtig. Er kleckert nicht, sondern klotzt für die Kurzen. Ich fasse zusammen: Hier schläft niemand, außer der Opposition. Ich korrigiere, hier schläft niemand, außer der CDU!"

 

Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit!

Frauen verdienen in Deutschland brutto durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer, in Bremen sogar 24 Prozent. Je älter die Beschäftigten sind, desto größer ist der Einkommensrückstand der weiblichen Beschäftigten. Dieses Lohngefälle existiert, obwohl die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bereits 1957 in den Römischen Verträgen festgeschrieben wurde und in verschiedenen gesetzlichen Grundlagen und Vereinbarungen (Grundgesetz Art. 3, Gleichstellungsgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, EU-Richtlinien, Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft von 2001) geregelt ist. Dennoch zeichnet sich nicht ab, dass die Lohnkluft zwischen Frauen und Männern kleiner wird, im Gegenteil, sie ist in einigen Sparten extrem hoch, wie z. B. in der Recycling-Branche (48 Prozent) oder im Tourismus (40 Prozent). Aktuelle Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen, dass bei vollbeschäftigten ArbeitnehmerInnen die Entgelte der Frauen selbst dann im Durchschnitt 12 Prozent niedriger liegen als bei den Männern, wenn Beschäftigte innerhalb eines Betriebs mit der gleichen beruflichen Qualifikation, dem gleichen Beruf und im gleichen Alter miteinander verglichen werden. Die Lohnunterschiede in der Privatwirtschaft zwischen Männern und Frauen fallen weitaus größer aus als im öffentlichen Dienst.

Dies war Anlass für eine Große Anfrage der Grünen-Fraktion und einen rot-grünen Antrag. Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin: "Es war uns ein Anliegen den Senat danach zu fragen, ob es dafür Ursachen in Tarifverträgen, Eingruppierungen, im Beurteilungswesen oder unterschiedliche Beurteilungen von typischen Frauenberufen und typischen Männerberufen gibt. Und die Senatsantwort stellt fest: Direkte Diskriminierung gibt es in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes nicht. Dennoch gibt es Hinweise auf mögliche mittelbare Diskriminierung im öffentlichen Dienst." Hier nannte Schön zum Beispiel den Stufenrückschritt in der Laufbahn bei einer Unterbrechung der Arbeitszeit bis zu fünf Jahren, wovon meist Frauen in Elternzeit betroffen seien. Auch könne es in einigen Laufbahnen der Bundesbesoldungsordnung durch bessere Eingruppierungen technischer Laufbahnen zu Diskriminierungen kommen.

Silvia Schön stellte aber auch positive Veränderungen fest. So würden Erzieherinnen nach den letzten Tarifauseinandersetzungen im direkten Vergleich "staatlich geprüfter Techniker" und "Erzieherin mit staatlicher Anerkennung" jetzt besser bezahlt: "Das ist sehr erfreulich, dass es gelungen ist, den Erzieherinnen die entsprechende Anerkennung zu geben. Erfreulich ist auch, dass der Senat in den Richtlinien des Beurteilungswesens Diskriminierungen ausschließen kann. Nicht ausschließen kann er, dass es in der Anwendung Fehlbeurteilungen geben kann. Der Senat will das evaluieren, und das ist die richtige Antwort darauf."

Um Diskriminierungen in der Privatwirtschaft gegenzusteuern, stellte sie den rot-grünen Antrag vor, der u. a. die Ausweitung des Bundesgleichstellungsgesetzes auf die Privatwirtschaft fordert: "Es hat sich gezeigt, dass die Landesgleichstellungsgesetze einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Lohngerechtigkeit leisten können. Aber ich bin mir sicher, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere Schritte folgen müssen, denn Deutschland liegt in der Gleichbehandlung von Frauen und Männern an siebtletzter Stelle in Europa."

 

Wer Müll erzeugt, kommt um den Mülltransport nicht herum

Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der LINKEN zu Atomtransporten durch das Land Bremen war nicht nur sehr ausführlich, sondern brachte auch erstaunliche Tatsachen zu Tage, wie Maike Schaefer, energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Debatte hervorhob: "Wenn man sich einmal die Mengen anschaut, sind das enorme Massen an Kernbrennstoffen. Mehrere Hundert Tonnen pro Jahr, die entlang von bewohnten Straßen/Gebieten in Bremen und Bremerhaven transportiert werden – im Durchschnitt ca. 7 Tonnen pro Transport. Insgesamt 326 Transporte in 5 Jahren, das sind 65 im Jahr, das sind circa alle 6 Tage ein Atomtransport im Land Bremen!!! Wahrscheinlich liegt die Anzahl sogar noch höher, denn im Bericht wird ausgesagt, dass radioaktive Stoffe, welche durch Lkw und Bahn im bremischen Stadtgebiet transportiert werden, allgemein nicht meldepflichtig sind, soweit sie nicht dem Atomgesetz unterliegen."

Laut Schaefer müsse jetzt differenziert werden, um welche Art von Material es sich handele, radioaktive Abfälle aus Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen oder aus Forschungsinstituten, oder ob es erhebliche Mengen für Kernkraftwerke sind. Sie machte klar: "Und das ist die politische Message: Atom- bzw. Kernkraftwerke verursachen Atomtransporte. Durchschnittlich 7 Tonnen pro Transport. Die Brennelemente werden mit einem immer vorhandenen Risiko für Fahrer, Anwohner, Mitarbeiter der Logistikunternehmen und dem Sicherheitspersonal transportiert und verursachen enorme Kosten. Rot-Grün hat in ihrer Regierungszeit den Atomkonsens, also den Atomausstieg bis 2020 beschlossen – im Konsens mit den KKW-Betreibern. Wir halten weiterhin an dem Ausstieg fest und dafür werden wir kämpfen, denn für den minimalen Beitrag von 2,2 Prozent an der Gesamtenergieproduktion in Deutschland, wollen wir weder das Risiko noch die Transporte langfristig erhalten. Je schneller die AKWs abgeschaltet werden, desto besser."

Maike Schaefer stellte aber auch fest: "Wer Müll produziert, kommt um den Mülltransport nicht herum – wir stellen uns dem Problem, aber nur wenn es sich um unvermeidbaren Atommüll wie aus Krankenhäusern und Forschungsinstituten handelt. Aber wir Grünen lehnen Atomtransporte aus KKWs über das Land Bremen entschieden ab. Wir Grünen wollen keinen Atomtransport in unserem Land im großen Maßstab. Jedes abgeschaltete AKW bedeutet weniger Atomtransporte. Wir wollen, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um Atomtransporte im Land Bremen so gering wie möglich zu halten – zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger. Den Transport von radioaktiven Brennelementen durch Bremen lehnen wir ab!"

 

"Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe"

Zum siebten Mal findet der internationale Aktionstag gegen die Todesstrafe statt. Ein Antrag von SPD, Grünen und der LINKEN begrüßte, dass der Senat sich, wie auch bereits im vergangenen Jahr, im Anschluss an die heutige Landtagssitzung mit einer Aktion an der Initiative "Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe" beteiligt.

Auch wenn die Zahl der Staaten steigt, die die Todesstrafe abgeschafft haben, registriert Amnesty International eine steigende Anzahl von Hinrichtungen in den vergangenen Jahren. Hiernach wurden allein im Jahr 2008 mindestens 2.390 Menschen hingerichtet und mindestens 8.864 – und damit mehr als doppelt so viele Menschen wie im Jahr 2007 – zum Tode verurteilt. Mehr als 20.000 Menschen sitzen derzeit weltweit in sogenannten Todestrakten. Zu den Staaten, in denen weiterhin Todesstrafen ausgesprochen und vollstreckt werden, gehören auch demokratische Staaten wie Japan und die USA. So steht auch in dem Verfahren gegen den US-Amerikaner Mumia Abu-Jamal, das international Aufsehen erregte, aktuell wieder zu befürchten, dass die vor 27 Jahren ausgesprochene Todesstrafe nun vollstreckt werden könnte, obwohl der Verurteilte schwere Verfahrensfehler und einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren geltend macht.

Matthias Güldner, grüner Fraktionsvorsitzender, dazu: "Es geht aber nicht nur darum, denjenigen zu helfen, die möglicherweise zu Unrecht zum Tode verurteilt wurden. Es ist ein konsequenter Kampf gegen die Todesstrafe an sich. Knapp 90 Prozent aller vollstreckten Todesurteile fanden in China und im Iran statt. Mit Saudi-Arabien, den USA und Pakistan sind es 97 Prozent. Und hierbei wird deutlich, dass es sich um Länder, auch mit unterschiedlichen Systemen, handelt, die von sich meinen, ein starker Staat zu sein. Aber ein Staat, der meint darauf angewiesen zu sein, auf die Todesstrafe zurückgreifen zu müssen, ist kein starker Staat, sondern ein schwacher Staat."

Es käme darauf an, sich weltweit gegen die Todesstrafe auszusprechen, ohne Ansehen des Landes, gleich welchen Systems. Güldner dankte insbesondere dem jahrzehntelangen Wirken von amnesty international gegen die Todesstrafe und forderte die Abgeordneten auf: "Es wäre schön, wenn Sie zahlreich an der Aktion auf dem Marktplatz zusammen mit dem Bürgermeister teilnehmen könnten."

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 17.11.2009

 

Provenienz und Restitution

Zwei bedeutsame Fremdwörter für einen ernsten Hintergrund: Herkunft und Rückgabe. Es geht um Kunstwerke aus dem Besitz von Juden, die im Dritten Reich entweder von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden oder weit unter Wert bei Flucht verkauft werden mussten. In ihrer Großen Anfrage schreibt die Fraktion DIE LINKE: "Die Kunsthalle Bremen erwarb in den 1970er-Jahren zwei Bilder von George Grosz, ›Pompe Funèbre‹ (1925) und ›Stillleben mit Okarina und Muschel‹ (1931). Die Erben Grosz' sehen die Herkunft der Bilder als problematisch an, ihren Erwerb durch die Kunsthalle als illegitim und fordern seit Jahren die Herausgabe der Werke."

Die Washingtoner Erklärung von 1998 besagt, dass solche Kunstwerke identifiziert und deren ursprüngliche Eigentümer bzw. deren Erben ausfindig gemacht werden sollen, um zu einer gerechten und fairen Lösung zu kommen. "Der Senat schließt sich dieser Erklärung an", so die kulturpolitische Sprecherin Karin Krusche, "und das begrüßen wir sehr. Ohne Zweifel handelt es sich bei den NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern um ein beschämendes Kapitel deutscher Geschichte. Und wir Grünen begrüßen daher jeden Schritt, der bei identifizierten Kunstwerken ihren ursprünglichen Eigentümern oder deren Erben zu ihrem Recht verhilft."

Dies könne auch im Einvernehmen mit den Erben erfolgen, etwa indem Museen einen finanziellen Ausgleich zahlen, so, wie es jüngst der Kunstsammlung Böttcherstraße gelungen ist, drei Werke des Nachfahren des Sammlers Ottmar Strauss nunmehr rechtmäßig zu erwerben.

Im Fall der Kunsthalle sind Senat und Bürgerschaft allerdings die falschen Ansprechpartner, so Krusche: "Die Kunsthalle und der Kunstverein als ihr rechtlicher Träger sind privat. Daher teilen wir die Auffassung des Senats, dass er in rechtlicher Hinsicht keine Mitverantwortung trägt, gleichwohl sich aber in einer politisch-moralischen Pflicht gegenüber dem unter dem Nationalsozialismus begangenen Unrecht befindet."

Der Vorstand des Kunstvereins habe auf der letzten Vorstandssitzung versichert, dass jeder einzelne Fall sorgfältigst geprüft werde. "Wir haben keinen Anlass, daran zu zweifeln. Wichtig erscheint uns Grünen, dass die Museen und Kunstsammlungen in die Lage versetzt werden, ihre Provenienzrecherchen weiterzuführen, und dass es uns gelingt, bei Restitutionsansprüchen der Erben eine faire und gerechte Lösung zu finden", schloss Krusche ihre Rede.

 

Haltestellennamen nicht für Barrierefreiheit verkaufen

Die Fraktion der FDP hatte in einem Antrag vorgeschlagen, die barrierefreie Umgestaltung von Bus- und Bahnhaltestellen über Sponsoring von Unternehmen zu finanzieren, wobei zeitlich begrenzt die Namensrechte an Haltestellen vergeben würden.

Maike Schaefer, grüne Verkehrspolitikerin, hob in der Debatte hervor: "Mobilitätseingeschränkte Menschen wollen und sollen so weit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Das bedeutet, dass sie sich auch mit Bus und Straßenbahn uneingeschränkt in der Stadt fortbewegen können müssen."

Es gebe etliche Haltestellen in Bremen, die nicht barrierefrei sind, wie zum Beispiel in der Norderländer Straße oder auch in der Richard-Boljahn-Allee. Auch die Domsheide sei mehr als optimierungsbedürftig, aber der Umbau zu barrierefreien Haltestellen sei teuer: "Wir wissen alle, wie es um den Bremer Haushalt steht und dass wir nicht das Geld aufbringen können, um alle Haltestellen auf einmal sanieren zu können. Daher finde ich alternative Finanzierungsideen zunächst einmal charmant." Den FDP-Vorschlag, Haltestellensanierung über Unternehmenssponsoring zu finanzieren, um im Gegenzug die Haltestelle nach dem Unternehmen zu benennen, sah Maike Schaefer jedoch als nicht realistisch an. "Bei der behindertengerechten Umgestaltung in der Norderländer Straße werden allein die Kosten für einen Fahrstuhl auf 600.000 Euro geschätzt, zusätzlich 10.000 bis 15.000 Euro jährliche Unterhaltskosten. Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, und in der gegenwärtigen Situation glaube ich nicht, dass Unternehmen bereit sind, solche enormen Summen zusätzlich noch aufzubringen."

Schaefer warf noch Fragen auf nach der Verwirrung der Fahrgäste durch ständige Haltestellenumbenennungen, nach der Entscheidung, welche Firmen damit werben dürften und welche nicht, und sah mögliche Konflikte mit dem Werbevertrag der Firma JCDecaux, die alle Haltestellenhäuschen durch Werbung finanziert. Grundsätzlich aber warf Schaefer auch die Frage nach dem Ausverkauf des öffentlichen Raums auf.

Für die kommenden Haushaltsberatungen hatten die Koalitionsfraktionen bereits Mittel zur barrierefreien Gestaltung der Domsheide beantragt.

 

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