Die Sitzungen im Januar 2008

Die Sitzungen im Januar 2008

Aus dem Landtag vom 24. Januar 2008

 

Trotz aller Sparanstrengungen steckt das Haushaltsnotlageland Bremen weiter in der Schuldenfalle. Die Verschuldung wächst im Jahr 2009 auf 15,8 Milliarden Euro an, wie Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) heute bei der Vorstellung der Haushalte für 2008 und 2009 erklärte. Die Einnahmen sind zu gering, um den Haushalt zu decken - auch deshalb, weil Bremen im Länderfinanzausgleich nicht in einer seiner überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft angemessenen Weise von den hier erwirtschafteten Steuern profitiert. Die Folge: Bremen muss immer neue Schulden aufnehmen, um die Zinsen für Kredite zu bezahlen. Allein 2008 und 2009 sind dafür Kredite in Höhe von 743 bzw. 651 Millionen Euro erforderlich. "Sie sind der zentrale Grund, warum sich Bremen nicht aus eigener Kraft aus der schwierigen Finanzlage befreien kann", so die Finanzsenatorin. Ohne Zinsausgaben würden 2009 die Einnahmen die Ausgaben decken. Das zeigt, ohne Altschulden ist Bremen als Stadtstaat überlebensfähig. Vor diesem Hintergrund haben heute fast alle Fraktionen im Landtag betont, die rot-grüne Strategie zu unterstützen: Vor dem Bundesverfassungsgericht auf Entschuldungshilfe zu klagen und den gemeldeten Finanzrahmen einzuhalten sowie in der Föderalismuskommission eine tragfähige Altschulden-Regelung auszuhandeln.

Nur die Linke entzieht sich diesem Konsens - kaum verwunderlich, vertritt sie doch in den ostdeutschen Ländern den Kurs, das für Bremen ungerechte Finanzausgleichsystem um kein Jota zu verändern. Die Linke plädierte in der Debatte dafür, zur Finanzierung ihrer Vorschläge einfach noch mehr Schulden zu machen. Und erhielt dafür von Matthias Güldner, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sozial- und finanzpolitische Nachhilfe: "Die Linke hat die Legitimität verspielt, in dieser Haushaltsdebatte ernst genommen zu werden. Bei ihr ist die Erkenntnis noch nicht angekommen, dass Schulden in einem Gemeinwesen zuerst die Ärmsten der Armen treffen." Denn mehr Schulden bedeuten angesichts der Zins-Schulden-Spirale noch weniger Gestaltungsspielraum für Schwerpunkte wie die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und Investitionen in Bildung.

Die rot-grüne Sozialpolitik hält die CDU übrigens für eine Politik der Alimentation sozialer Armut. Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Röwekamp verstieg sich gar zu der zynischen Bemerkung, Rot-Grün würde sozial benachteiligten Kindern nur ein kostenloses Mittagessen bieten. "Glauben Sie wirklich, dass Kinder mit hungerndem Magen eine Perspektive in dieser Gesellschaft haben? Wir wollen ihnen auch durch höhere Bildungsausgaben eine Perspektive eröffnen", entgegnete der grüne Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner.

Die Christdemokraten haben die Haushaltspläne offenkundig nicht gelesen, wie ihr Hauptvorwurf zeigte: Rot-Grün investiere nicht in den Standort. Dabei vergaßen sie zu erwähnen, dass die Investitionsmittel durch Entscheidungen in ihrer Regierungszeit auf lange Zeit gebunden sind. Die CDU hat mit dafür gesorgt, dass von den 454 Millionen Euro investiven Ausgaben in 2008 nur 53 Millionen Euro und im Jahr 2009 von 436 Millionen Euro gerade mal 57 Millionen Euro frei sind. Rot-Grün investiert in den Standort, schließlich entfallen 37 Prozent aller staatlichen Investitionen auf den Bereich Wirtschaft und Häfen. Die Kaiserschleuse wird gebaut, die Überseestadt weiterentwickelt, vier Straßenbahn-Linien werden ausgebaut, in die Krankenhäuser wird investiert und nicht zuletzt sind auch der Kunsthallen-Anbau und vier neue Ganztagsschulen weiche Standortfaktoren. Diese Investitionen rentieren sich im Gegensatz zu manchen aus der Zeit christdemokratischer Regierungsbeteiligung - Stichwort Galopprennbahn.

Auch die von der CDU kritisierte Umstellung der Wirtschaftsförderung von der Zuschuss- auf Darlehensbasis ist aus grüner Sicht richtig - schließlich zeigt der Fall Nokia, wohin die Subventionspolitik im CDU-regierten Nordrhein-Westfalen führt.

Ebenso entpuppte sich die Behauptung der Konservativen als haltlos, Rot-Grün würde sich nicht für mehr Arbeitsplätze einsetzen. Der Landtag hat heute mit den Stimmen der Koalition beispielsweise beschlossen, die Instrumente der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung zu bündeln, um Unternehmen und ExistenzgründerInnen mit einer gemeinsamen Anlaufstelle den Zugang zu diesen Programmen zu erleichtern, passgenaue Lösungen zu bieten und damit existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Aus dem Landtag vom 23. Januar 2008

Die CDU hat heute die aktuelle Stunde in der Bürgerschaft dafür benutzt, den hessischen Wahlkampf nach Bremen zu tragen. Dass es den Christdemokraten nur um verbale Kraftmeierei und die Instrumentalisierung von Ängsten statt um fundierte Konzepte zur Bekämpfung der Kriminalität ging, ließ schon der Titel erkennen: "Justizpanne führt zu Messerstecherei auf der Diskomeile - wie sicher ist Bremen?" Damit wirft die CDU der Bremer Justiz offenkundig vor, für die Messerstecherei in der Silvesternacht mitverantwortlich zu sein. Fraglos kann man von der Justiz größte Sorgfalt bei ihren Entscheidungen erwarten. Dem unabhängigen Gericht aber vorzuwerfen, es sei an der Gewalt in der Silvesternacht schuld und nicht etwa die mutmaßlichen Täter, überschreitet die Grenze des Erträglichen - denn damit erschüttert die CDU generell das Vertrauen in die Justiz. "Das darf man nicht dazu nutzen, die Unabhängigkeit der Justiz in Frage zu stellen. Schließlich ist diese Unabhängigkeit eine Säule des Rechtsstaates", so Horst Frehe. Der rechtspolitische Sprecher der grünen Fraktion bewertet das Agieren der Konservativen mit einem Wort: "Peinlich."

Nach dieser unappetitlichen Wahlkampf-Inszenierung der CDU hat der Landtag mit den Stimmen der Koalition ein deutlich grünes Zeichen gesetzt: Auf Bremer Autobahnen gilt künftig flächendeckend die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Weniger klimaschädliche Abgase, weniger Kraftstoffverbrauch, mehr Verkehrssicherheit und Lärmschutz - das sind die Vorteile des Tempolimits, wie auch eine Studie des Umweltbundesamtes belegt. Die Geschwindigkeitsbeschränkung schont nicht nur die Umwelt, sondern soll auch schwere Unfälle verringern. Die ereignen sich überwiegend auf Strecken, auf denen gerast werden darf. "Gerade auf dem Abschnitt zwischen Bremen-Nord und Überseestadt, für den bisher kein Tempolimit galt, steigen die Unfallzahlen laut Polizeistatistik", zeigte Maike Schaefer, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, den Handlungsbedarf auf. Natürlich kann Bremen allein mit einer Tempobeschränkung nicht den Ausstoß klimaschädlicher Abgase aufhalten. Deshalb soll sich der Senat nun auf Bundesebene für ein bundesweites Tempolimit einsetzen. Dabei zeigt sich, ob auf die klimapolitischen Fensterreden der Bundeskanzlerin auch endlich Taten folgen. Außerdem ist die Geschwindigkeitsbeschränkung ein Signal für die Autoindustrie: Statt auf Fahrzeuge mit der Leistung mehrerer Kavallerieregimenter unter der Motorhaube zu setzen, sollte sie lieber leichtere und energiesparende Motoren entwickeln.

Mit rot-grüner Mehrheit hat der Landtag zudem das Radio Bremen-Gesetz novelliert. Das sieht unter anderem einen kleineren, aber mit mehr Rechten gestärkten Rundfunkrat vor. Diesem Gremium gehört künftig erstmals ein(e) VertreterIn der Migrantengruppen an. Nicht zuletzt bringt das Gesetz die Gleichstellung voran, denn die gesellschaftlich relevanten Gruppen müssen bei der Wahl ihrer VertrerInnen für den Rundfunkrat zu je 50 Prozent Frauen und Männer berücksichtigen. Mit der Einführung des Rotationsprinzips erhöht sich die Pluralität des Rundfunkrates. Die Gesetzesnovelle sieht ferner eine Publikumsstelle für Beschwerden und Anregungen vor. Es stärkt die Rolle der festen Freien im Sender, die in der Personalvertretung mitwirken können. Außerdem verbietet das novellierte Radio Bremen-Gesetz bundesweit erstmals ausdrücklich Schleichwerbung. "Das ist ein fortschrittliches Gesetz", unterstrich Anja Stahmann, medienpolitische Sprecherin der grünen Fraktion, in der Debatte. Die grüne Abgeordnete stellte zudem klar, dass auch in einem verkleinerten Rundfunkrat die gesellschaftlich relevanten Gruppen (19 VertreterInnen) weitaus mehr Gewicht haben als die Politik (7 VertreterInnen). "Die Staatsferne ist gewährleistet", so Anja Stahmann. Sie betonte, dass mit der Gesetzesnovelle keine Schwächung der Intendanz beabsichtigt ist. Bei den anstehenden Verhandlungen um den internen ARD-Finanzausgleich wird Rot-Grün sich dafür einsetzen, die Gebührenverteilung zu Gunsten kleinerer Sender wie Radio Bremen zu verändern. "Dafür werden wir streiten", sagte die medienpolitische Sprecherin der Grünen.

Außerdem hat der Landtag heute den Entwurf eines Bremische Gaststätten-Gesetzes behandelt und zur weiteren Beratung an die Wirtschaftsdeputation überwiesen. Mit dem Gesetz will die Koalition zwei wichtige Ziele erreichen: Zum einen sollen Flatrate-Partys verboten und damit der Jugendschutz verbessert werden. Zum anderen sollen nach der Schießerei auf der Diskomeile künftig für Türsteher die gleichen Anforderungen wie für das Personal von Bewachungsunternehmen gelten - sie müssen also einen Sachkundenachweis erbringen. Bei den anstehenden Beratungen wollen die Grünen zudem die Barrierefreiheit und den Wegfall der Sperrstunde im Gesetz verankern, denn die passt nicht zu einem weltoffenen Bremen.

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 22. Januar 2008

Bewährtes bewahren, Veraltetes modernisieren und Neues voranbringen - dieser Dreiklang bildet das Fundament für ein neues gesamtstädtisches Wohnungsbaukonzept, das die rot-grüne Koalition heute auf den Weg gebracht hat. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, veränderter Lebensstile und dem Bemühen um mehr Klimaschutz soll die Stadt passgenau für die Zukunft fit gemacht werden. Dazu gehört, ein differenziertes Wohnungsangebot für alle Altersgruppen und jeden Geldbeutel bereitzustellen. Die Grünen wollen zudem gemeinschaftliche Wohnformen wie Mehrgenerationen- oder Altenwohnprojekte unterstützen. Dafür sollen Ausnahmen von der Höchstpreis-Regel beim Verkauf städtischer Grundstücke gemacht werden. Hohe Priorität hat aus grüner Sicht ebenso der Umbau des Bestandes, wobei Barrierefreiheit und energetische Sanierung die Leitlinien sind. Wie gering der Klimaschutz-Gedanke indes bei der CDU ausgeprägt ist, ließ die Debatte erkennen: Angeblich zu hohe energetische Standards würden nach Ansicht der Konservativen dazu führen, dass die Menschen lieber ins Umland zögen. Dabei wird angesichts steigender Energiepreise und des Klimawandels anders herum ein Schuh daraus: "Gerade energiesparendes Bauen ist das Bauen der Zukunft. Dafür finden sich Leute aus dem Umland, die in Bremen preiswerten Wohnraum haben wollen", entgegnete Karin Krusche, baupolitische Sprecherin der grünen Fraktion, den Christdemokraten.

Nicht so ganz auf der Höhe der Zeit erwies sich die CDU auch bei ihrem gemeinsamen Antrag mit der FDP, der eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Hemelinger Jugendfreizeitheime vorsah. Damit stehen beide hinter dem fahrenden Zug, dem sie nur hinterher winken können. Denn das Finanzressort arbeitet schon daran, wie es die Haushaltsordnung vorsieht. "Wir Grünen haben schon immer eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gefordert. Schön, dass nun auch Teile der Opposition dafür sind", merkte der jugendpolitische Sprecher der Grünen, Mustafa Öztürk, an. Die Linke hält hingegen offenbar nichts davon und ließ in der Debatte durchblicken, dass sich Politik im Gegensatz zur Verwaltung nicht um die Haushaltsordnung scheren müsse. Ganz so, als ob Politik im rechtsfreien Raum stattfände. Bei all ihren internen Querelen ist die Linke anscheinend noch nicht dazu gekommen, sich mal eingehend mit den geltenden Rechtsgrundlagen zu beschäftigen . . .

Ebenso bemerkenswert war das vermeintlich juristische Oberseminar, das die CDU in punkto Ortsamtsleiterstellen-Besetzung geben wollte - und am Ende juristische Nachhilfe von Rot-Grün erhielt. Denn die Einlassungen zeugten nur davon, wie falsch die Christdemokraten das Urteil des Verwaltungsgerichtes deuten. Das Gericht hatte ausschließlich beanstandet, dass für einen Bewerber, der schon im öffentlichen Dienst tätig ist, eine Dienstbeurteilung hätte eingeholt werden müssen. Das Gericht hat also Nachbesserungen beim Verfahren angemahnt - aber mitnichten das von Rot-Grün novellierte Beirätegesetz als solches gerügt, das die Beiräte an der Entscheidungsfindung beteiligt und damit mehr Demokratie zulässt als unter der Vorgängerregierung. Die CDU leitet aus dem Urteil indes den Fehlschluss ab, das eine erneute Änderung des Gesetzes notwendig sei. Und lässt mit ihrem Beschlussvorschlag erkennen, wie wenig ihr offenkundig an mehr Demokratie gelegen ist: Denn von einem Votum des Beirates ist darin überhaupt keine Rede mehr. Noch unverständlicher wird das Vorpreschen der Christdemokraten in dieser Frage vor dem Hintergrund, dass ihr Fraktionsvorsitzender es eigentlich besser wissen müsste. "Es war die Innenbehörde unter Leitung von Thomas Röwekamp, die sich die erste Niederlage vor dem Verwaltungsgericht in Sachen Burglesum einholte, als ein Bewerber mal so eben aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde, obwohl dafür keine rechtliche Grundlage vorhanden war", so Björn Fecker. Der innenpolitische Sprecher der grünen Fraktion unterstrich, dass es mit den Grünen jedenfalls "keine Benennung eines Ortsamtsleiters gegen den Willen des entsprechenden Beirates" geben wird.