Verkehr

Verkehrsraum ohne Barrieren

Parken auf dem Gehweg

Parken auf dem Gehweg

Barrierefreiheit – ein gesetzlicher und gesellschaftlicher Auftrag

Barrierefreiheit bedeutet, allen Menschen einen umfassenden Zugang und uneingeschränkte Nutzungschancen aller gestalteten Lebensbereiche zu bieten – auch des Verkehrsraums. Barrierefreiheit ist keine Speziallösung für Menschen mit Behinderungen, sondern sie ist für gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben unverzichtbar.

Sowohl aus der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Grundgesetz als auch speziell aus den Gesetzen zur Gleichstellung behinderter Menschen (Bundesgleichstellungsgesetz und Bremisches Behindertengleichstellungsgesetz) leitet sich der Auftrag ab, alle Anlagen und Verkehrsmittel so zu gestalten, dass sie ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Barrierefreiheit ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und zur wirksamen Erlangung von Teilhabe aller Menschen im öffentlichen Raum.

Wir wollen, dass sich alle Menschen mit und ohne Behinderung auf den Verkehrswegen und mit den Verkehrsmitteln ohne Einschränkungen bewegen können. Voraussetzung dafür ist, dass Barrieren abgebaut oder von vornherein verhindert werden. Menschen sind im Verkehrsraum auch auf die Nutzung von Rollstühlen, Langstöcken, Rollatoren und Gehhilfen angewiesen, führen Kinderwagen oder schwere Einkaufstaschen mit sich. Kleine Kinder benutzen Gehwege u.a. mit dem Fahrrad, dem Roller oder dem Laufrad. Die gesetzlichen Vorschriften zur barrierefreien Gestaltung von Straßen, Gehwegen und Haltestellen sind oftmals eindeutig (*). In der Praxis zeigt sich allerdings, dass z.B. nicht-abgesenkte Bordsteine, fehlende Querungshilfen oder falsch parkende Autos die Fortbewegung in vielen Quartieren erheblich beeinträchtigen. Damit sich alle Menschen sicher und ohne Hindernisse bewegen können, müssen entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden. Es gibt in Bremen viele gute Beispiele zur Verbesserung der Barrierefreiheit. Viele Haltestellen sind inzwischen umgebaut worden. Der barrierefreie Stadtführer für die Neustadt ist ein gutes Beispiel und sollte auf alle Stadtteile übertragen werden. Er ist ein wichtiger Baustein für die benötigte Detailschärfe.

Wir fordern im Einklang mit dem Verkehrsentwicklungsplan ein Maßnahmenpaket zur Barrierefreiheit im Verkehrsraum, um bestehende Brennpunkte zu entschärfen.
Vorrangig sollen solche Maßnahmen umgesetzt werden, die einen geringeren finanziellen Aufwand erfordern. Wir wollen uns in den nächsten Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass entsprechende Mittel für die geforderten Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Gerade die Barrierefreiheit von Haltestellen (zum Beispiel Obernstraße und Bardenflethstraße) erfordert erhebliche Investitionen und sollte dennoch langfristig abgearbeitet werden. Die meisten anderen vorgeschlagenen Verbesserungen benötigen geringere Mittel. Der Umbau des Herdentorsteinweges wäre dabei noch eine größere Einzelmaßnahme, die mit 200.000 bis 300.000 Euro zu veranschlagen wäre.

Folgende Punkte sollen vorrangig berücksichtigt werden:

1.    Bordsteine absenken

Bordsteine sollen an Querungsstellen abgesenkt werden, um ein sicheres Passieren der Straße zu ermöglichen.

Ein großes Hindernis beim Überqueren von Straßen und Kreuzungsbereichen bilden nicht-abgesenkte Bordsteine. Bei Neubauten und besonders problematischen Altbauten im Verkehrsraum werden Bordsteine an Querungsstellen standardmäßig abgesenkt. In vielen Stadtteilen mit teil- oder unsanierten Straßen, Rad- und Fußwegen sind die Bordsteine nicht oder nur unzureichend abgesenkt. Wir wollen, dass zunächst an zentralen Orten und schrittweise im gesamten städtischen Verkehrsraum alle Bordsteine gemäß den gesetzlichen Bestimmungen abgesenkt werden. In Deutschland ist die Begrenzung der Absenkung in der Regel auf 3 cm festgelegt. Wir wollen unter Einbeziehung aller Gruppen und Verbände prüfen, ob eine Nullabsenkung oder eine getrennte Fahrbahnrand-Einfassung mit Hilfe differenzierter Bordhöhe sinnvoll ist. Insbesondere bei sowieso notwendigen Neu- und Umbauten ist die Barrierefreiheit prioritär zu beachten. Die Umbauten der Münchener Straße und der Hartwigstraße sind positive Beispiele.

2.    Mehr Querungshilfen

Querungshilfen auf Hauptverkehrsstraßen sollen ein ruhiges und sicheres Passieren ermöglichen.

Wir wollen, dass Hauptverkehrsstraßen gut überquert werden können. Die Gestaltung von Querungshilfen muss dabei insbesondere auch den Bedürfnissen von Geh- und Sehbehinderten gleichermaßen gerecht werden. Neben Anforderungsampeln müssen sichere und gut beleuchtete barrierefreie Überquerungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dazu gehören u.a. Mittelinseln, Aufpflasterungen, Fahrbahnerhöhungen, Fahrbahneinengungen, der Rückbau von überdimensionalen Knotenpunkten, durchgezogene Gehwege und Zebrastreifen. Dabei sollten Zebrastreifen auch in Tempo 30-Zonen ermöglicht werden.

Grundsätzlich müssen die Überquerungsstellen für Rollstuhl- und RollatornutzerInnen ohne besondere Erschwernis nutzbar und für blinde und sehbehinderte Menschen eindeutig auffindbar und sicher nutzbar sein (DIN 18040-3). Dabei sollte auch die Einrichtung getrennter Querungsstellen mit differenzierter Bordhöhe geprüft werden.

Wir fordern die Einrichtung von Ampeln mit Restzeitanzeige als Pilotversuch. Hier bieten sich zwei Standorte in der Bremer Innenstadt an: die Querung über die Martinistraße Richtung Pieperstraße sowie die Querung an der Ecke Knochenhauerstraße/Sögestraße.

3.    Mehr Parkkontrolle

Parkende Autos auf Gehwegen oder Radwegen stellen für Mobilitätseingeschränkte kaum überwindbare Hindernisse dar. Entsprechende Kontrollen sind notwendig.

Vor allem aufgesetztes Parken verkleinert die Gehweggröße erheblich. Wenn obendrein noch Mülltonnen oder Fahrräder auf dem Gehweg abgestellt sind, ist ein Durchkommen z.B. für RollstuhlfahrerInnen und Eltern mit Kinderwagen kaum möglich. Wir wollen, dass insbesondere Gebiete, in denen aufgesetztes Parken möglich ist oder toleriert wird, stärker kontrolliert werden. Dort, wo aufgesetztes Parken dauerhaft zu erheblichen Einschränkungen in der Nutzung des Gehwegs führt, müssen ggf. Poller und Markierungen gesetzt werden. Kreuzungsbereiche und insbesondere die Einmündungsbereiche müssen konsequent freigehalten werden, um das Durchkommen der Feuerwehr,- Polizei- und Rettungsfahrzeuge aber auch der Müllabfuhr zu gewährleisten. Auch hier sind ggf. entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung von regelwidrigem Parken zu treffen.

Beim Umbau des Stadtamtes werden wir darauf achten, dass der Bereich der Überwachung des ruhenden Verkehrs gestärkt wird und somit in allen Regionen der Stadt tätig werden kann.

Wir wollen uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Bußgelder für verkehrswidriges Parken nach dem Maßstab anderer europäischer Länder wesentlich erhöht werden.

4.    Sichere Fußwege schaffen

Die Fußwege müssen so verbessert werden, dass Mobilitätseingeschränkte sich gefahrlos bewegen können.

Dazu gehört, dass Unebenheiten und Beeinträchtigungen auf Rad- und Fußwegen beseitigt werden. Fuß- und Radverkehr sollten stets getrennt geführt werden, da RadfahrerInnen von FußgängerInnen akustisch kaum wahrgenommen werden. Beiden Verkehrsarten sollte mehr Raum zur Verfügung gestellt werden. Dies kann durch breitere Gehwege und breitere Radwege erfolgen oder durch die Führung des Fahrradverkehrs auf der Fahrbahn. Wir wollen, dass die Gehwege möglichst frei gehalten werden von Schildern und Werbetafeln. Auch müssen Stromkästen und Postablagebehälter so gesetzt werden, dass sie den Bewegungsraum nicht einschränken. Zudem müssen angrenzende Hecken so gepflegt werden, dass sie den Gehweg nicht einengen. Auch die Außengastronomie darf Gehwege nicht unangemessen einengen. Für Fahrräder sind ausreichend Parkmöglichkeiten in den Seitenräumen oder auf der Straße zu schaffen, damit diese nicht auf Gehwegen abgestellt werden müssen. Dafür sollen auch PKW-Parkplätze auf der Straße in Fahrradparkplätze umgewandelt werden. Im Winter muss dafür gesorgt werden, dass zumindest die wichtigsten Fußgängerrouten zuverlässig geräumt werden. Vor allem ältere Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, aber auch kleine Kinder und Menschen mit Herz-Kreislaufproblemen benötigen immer wieder Ruhe-Pausen. Wir wollen daher mehr Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum schaffen. Insbesondere muss dafür gesorgt werden, dass Leitsysteme für behinderte Menschen von parkenden Autos, Fahrrädern, Stühlen, Werbetafeln etc. freigehalten werden.

5.    Barrierefreie Bus- und Straßenbahnhaltestellen

Haltestellen und die Wege zu den Haltestellen müssen barrierefrei sein.

Wir wollen, dass mittelfristig alle bestehenden Bus- und Straßenbahnhaltestellen barrierefrei gestaltet werden, neue Haltestellen dürfen ausschließlich barrierefrei errichtet werden. Wichtig ist, dass auch die Wege zu den Haltestellen barrierefrei sind.
Die bestehenden Programme für die Barrierefreiheit von Bus- und Bahnhaltestellen sollen konsequent weiterentwickelt und langfristig finanziert werden.

6.    Bessere Verkehrslenkung in Baustellen

Baustellen bilden Barrieren. Die Verkehrslenkung bei öffentlichen Baumaßnahmen muss für alle VerkehrsteilnehmerInnen geplant werden.

Insbesondere auf FußgängerInnen muss Rücksicht genommen werden. Rampen, Abdeckungen und Wegführungen vom Rad- oder Fußweg auf die Straße und umgekehrt müssen vollständig barrierefrei befahren oder begangen werden können. Sowohl die Unternehmen, die beauftragt werden, Baustellenumleitungen einzurichten, als auch die Bauunternehmen selbst stehen in der Pflicht, den Belangen aller VerkehrsteilnehmerInnen Rechnung zu tragen und durch regelmäßige fachgerechte Kontrollen auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu achten. Eine Zusammenlegung von Fuß- und Radweg in Baustellen sollte vermieden werden. 

7.    Weniger Kopfsteinpflaster

Für  mobilitätseingeschränkte Menschen stellen Straßenbeläge aus Kopfsteinpflaster Hindernisse dar, die nur schwer bewältigt werden können. Wir wollen, dass geprüft wird, ob Kopfsteinpflaster abseits der historischen Quartiere insbesondere vor Schulen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen durch Asphaltbeläge unter Beachtung der Stadtgestaltung ersetzt werden kann. Dadurch können auch Kosten gesenkt und Verkehrslärm gemindert werden.

In Quartieren mit Kopfsteinpflaster weichen viele Radfahrende auf die Gehwege aus. Dies führt immer wieder zu Konflikten zwischen Menschen, die den Gehweg zu Fuß oder mit Rollator oder Rollstuhl nutzen, und den RadfahrerInnen. Wir wollen, dass geprüft wird, wie nachhaltig und kostengünstig entsprechende Straßen auch mit dem Rad genutzt werden können, z.B. durch das Einrichten einer kleinen Asphaltspur.

Das Bremer Pflaster-Kataster regelt, welche Straßen nach Umbauarbeiten erneut einen  historischen Belag erhalten. Wir wollen, dass das bestehende Kataster rasch novelliert wird und an aktuelle Verhältnisse angepasst wird.

(*) z.B. Personenbeförderungsgesetz (PBefG); Bremische Landesbauordnung (BremLBO); Bundesfernstraßengesetz (FStrG); Bremisches Landesstraßengesetz (BremLStrG); Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Bremen (BremÖPNVG); Richtlinie der Freien Hansestadt Bremen zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen des öffentlichen Verkehrsraums, öffentlicher Grünanlagen und öffentlicher Spiel- und Sportstätten; Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab)

Sechs gute Beispiele
(Fotos dazu im PDF, siehe unten)

  • Zebrastreifen Bürgerweide, Nordausgang Hauptbahnhof: die Einrichtung des Zebrastreifens ermöglicht nun eine sichere Überquerung.
  • Ampel an der Richard-Bolljahn-Allee: hier wurde eine Alternative zur Brücke geschaffen, die für mobilitätseingeschränkte Menschen schwer zu benutzen war.
  • Münchener Straße: Gehweg und Radweg werden hinter dem Mündungsbereich getrennt, Querungshilfen wurden barrierefrei gestaltet.
  • Hartwigstraße: hier wurde eine weitgehende Barrierefreiheit hergestellt. Bei den letzten Neubauvorhaben wurde Barrierefreiheit gut umgesetzt.
  • Albrecht-Dürer-Straße: Poller verhindern aufgesetztes Parken.
  • Die Haltestelle Norderländer Straße erhielt bei ihrer Sanierung ein offenes, freundliches Bild. Die neuen Glaswartehäuschen vermitteln den Fahrgästen auch in der dunklen Jahreszeit durch ihre Transparenz und gute Beleuchtung nun kein Angstgefühl mehr, denn sie sind auch von der tiefer liegenden Straßenebene einsehbar. Die barrierefreie Erreichbarkeit der Bahnsteige wird durch einen Fahrstuhl gewährleistet.

Sechs schlechte Beispiele mit Lösungsvorschlägen
(Fotos dazu im PDF, siehe unten)

  • Gustav-Deetjen-Tunnel: FußgängerInnen und RadfahrerInnen teilen sich einen Weg. Der Radverkehr wird zum alten Postamt geleitet, statt an den Parkflächen vorbei. Forderung: Der Radweg sollte stadtauswärts vom Herdentorsteinweg kommend an der Post vor dem Parkplatz weiter geführt werden. Dies vermeidet zahllose Konflikte mit FußgängerInnen und ermöglicht eine gute Sicht in den Tunnel, sodass sich Konflikte bei der Tunneleinfahrt vermeiden lassen. Für die Regelung des Verkehrs im Tunnel müssen die bereits geprüften Varianten bewertet werden. Für FußgängerInnen und behinderte Menschen ist der Tunnel ein „Angstraum“. Der Ist-Zustand muss in Bezug auf Barrierefreiheit als völlig inakzeptabel bezeichnet werden. Eine Verbreiterung des Tunnels sollte ggf. mit einem Neubau durch die Deutsche Bahn erfolgen.
  • Regensburger Straße: Aufgesetztes Parken verkleinert den Gehweg erheblich. Dies ist in vielen Stadtteilen ein großes Problem für die Erlangung von Barrierefreiheit. Besondere Engstellen müssen identifiziert werden und wirksam vom Beparken freigehalten werden (z. B. durch Poller, Markierungen, Fahrradständer, Bänke – je nach Örtlichkeit).
  • Der Findorfftunnel ist wie manch anderer Tunnel ein besonders langgestreckter „Angstraum“. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn und dem Beirat muss der Tunnel heller und der Durchgang attraktiver gestaltet werden.
  • Domsheide: Ein großes Problem für die Barrierefreiheit an der Domsheide sind immer wieder verbotswidrig kreuzende RadfahrerInnen. Der Radverkehr muss schon ab der Stadtbibliothek mit deutlicher Führung und Einfärbung des Radweges vor der Domsheide umgeleitet werden und soll durch die Dechanatstraße attraktiv und deutlich an der Domsheide vorbeigeführt werden.
  • Herdentorsteinweg: Rad- und Fußweg werden direkt nebeneinander in einem völlig unzureichenden Querschnitt geführt. Es kommt zu ständigen Konflikten. Der Radweg sollte auf die Straße verlegt werden unter Inanspruchnahme von Nebenanlagen und einer Abbiegespur. So entsteht ein großzügiger Fußweg. Rad- und Fußwege sind möglichst getrennt zu führen.
  • Die Haltestelle Bardenflethstraße ist verdreckt, schlecht beleuchtet und uneinsehbar von der Straße aus. Die Bahnsteige sind nur über steile Rampen und Treppen erreichbar. Teilweise ist die Haltestelle nur durch einen angsteinflößenden Fußgängertunnel zu benutzen. Ein Paradebeispiel für nicht vorhandene Barrierefreiheit und Angsträume. Hier sollte nach dem Vorbild der Norderländer Straße ein umfassender Umbau erfolgen. Bis dahin sollten einzelne Verbesserungen umgesetzt werden.

Das Positionspapier mit Fotos (PDF, 2,4 MB)

Bremen, 17.01.2017