Bau- und Stadtentwicklung

Zukunftsweisendes Bauen erleichtern

Zukunftsweisendes Bauen erleichtern

Renovierung klassischer Stadthäuser von acilo (iStock)

Renovierung klassischer Stadthäuser von acilo (iStock)

Bremen braucht mehr und anderen Wohnraum. Die Versorgung der Bürger*innen insbesondere mit niedrigpreisigem Wohnraum ist auch hier gefährdet. Der Bausektor ist nicht nur mit hohen Zinsen und steigende Materialkosten konfrontiert, sondern auch mit der Notwendigkeit, sich unter ökologischen und sozialen Aspekten neu auszurichten. Wir brauchen Lösungen und neue Ansätze, die diese Herausforderungen berücksichtigen – planerisch, technisch und baukulturell.
Preistreibende Faktoren entstehen aufgrund der Entwicklungen in der Bau- und Finanzwirtschaft und mit politischen Vorgaben, Rechtsgrundlagen und Verwaltungsverfahren auf Bundes- und Landesebene. Alle Ebenen stehen in der Verantwortung, sich an aktuelle Anforderungen im Baubereich anzupassen – wir haben auf Landesebene mehrere Optionen. Einen Fokus auf das Absenken der Energieeffizienzstandards oder das Bauen auf der grünen Wiese im Außenbereich halten wir für wenig effektiv. Wir brauchen dagegen neue Möglichkeiten im Umbau, die zügige Digitalisierung von Prozessen und die Vermeidung unnötiger Kosten und Zeitverzögerungen für Investor*innen. 
Es ist sinnvoll, die Abläufe im bremischen Bauplanungsprozess zu reformieren und straffer, transparenter und offener für Innovationen zu gestalten. Unser Ziel ist es, die Wohnungsversorgung zu verbessern und dabei klimafreundlichen Bauprojekten für alle Zielgruppen den Weg zu ebnen. Wir sehen großes Potential in der Weiterentwicklung des Bestandes. Dieses Potential wollen wir mobilisieren.  

Unsere 7 Ideen für zukunftsweisendes Bauen:


Umbau und Bestandsnutzung erleichtern 
Ein zentraler Hebel für die Überwindung der Wohnungskrise liegt im Bestand: durch Aufstockung von Gebäuden, Dachausbauten, Wohnungsteilungen, Umzugsmanagement und -förderung, die Nutzung von Leerstand sowie die Umwidmung von aus der Nutzung gefallenen gewerblichen Immobilien. Wir möchten in der nächsten Novelle der Landesbauordnung in die gleiche Richtung gehen wie Niedersachsen und eine effektive Umbauordnung schaffen: Dazu gehört unter anderem ein neuer Umgang mit Bestandsschutzregelungen. Beispielweise könnte bei Umbau und Erweiterungen von Gebäuden darauf verzichtet werden, die jeweils aktuellen Baustandards anzuwenden. Damit müssten etwa neue oder bestehende Decken, Wände oder Treppen oder auch der Schallschutz im Falle eines Umbaus künftig nur noch dem Standard des Baujahres der gesamten Immobilie entsprechen. Die Reduzierung genehmigungspflichtiger Nutzungsänderungen, die Reduzierung der Pflicht zur Aufzug-Nachrüstung bei Aufstockung bestimmter Gebäudeklassen und eine Erleichterung des Nachweises des sogenannten „zweiten Rettungswegs“ über Rettungsgeräte der Feuerwehr würden ebenfalls helfen, Hindernisse zu beseitigen. Das erleichtert die Schaffung von Wohnraum durch Aufstockung, Umnutzung und Umbau - und zugleich die Sanierung der Altbaubestände. Ein bis zwei Stockwerke mehr sind auch in vielen Ecken der schon gebauten Stadt eine absolut verträgliche Weiterentwicklung. 
 

Bauauflagen überarbeiten
Die Regulierungsdichte für den Neubau stellt die Bauwirtschaft vor Herausforderungen und Kosten. Der Schallschutz kann beispielsweise im Rahmen der Novellierung der Landesbauordnung reformiert und von unnötigeren Auflagen befreit werden. Denn Bremen hat für den Außenraum von Neubaugebieten einen strengeren Schallschutzstandard als die bundesweit gültige Bimsch (5 DBA weniger). Diese Regelung ist aus der Zeit gefallen und technisch überholt, erzwingt aber noch einen hohen Abstimmungsaufwand zwischen Gesundheitsressort und Stadtplanung. In der Überseestadt und in den urbanen Gebieten sieht man schon, dass es auch anders geht: Es gibt längst Wohnungsneubau in Umgebungen, die nicht so leise sind wie das klassische reine Wohngebiet. Wo Nutzungen von Wohnen, Gewerbe, Kultur und Freizeit gemischt sind, ist es im Außenraum auch lauter – anderseits begrenzt eine gute Mischung den Verkehr und baulicher Schallschutz sowie eine gut geplante Ausrichtung der Raumnutzungen schützt die Menschen. Der technisch ausgereifte Schallschutz am Gebäude sichert eine hohe Lebensqualität in den Wohnungen. Deshalb sollte geprüft werden, wie die Regelungen für den Schallschutz reformiert und vereinfacht werden können.


Digitalisierung der Bauanträge vorantreiben
Ein entscheidender Faktor für die schnellere und transparente Bearbeitung in den Behörden ist die Digitalisierung der Bauanträge. Bremen hat die Umstellung für einige Verwaltungsvorgänge abgeschlossen. Der digitale Bauantrag muss noch in diesem Jahr zum Standardvorgang werden. So kann die Vernetzung der verschiedenen beteiligten Ressorts effizienter geschehen und widersprüchliche Einschätzungen können schneller erledigt werden.


Neue Gestaltungsmöglichkeiten und „Einfach bauen“
Wir begrüßen den in der aktuellen Novellierung der Bremischen Landesbauordnung ausgeführten „Gebäudetyp E“. Das „E“ steht für „Einfach“ oder „Experimentell“ und soll eine normreduzierte Bauart ermöglichen: Durch den rechtssicheren Verzicht auf kostentreibende und innovationshemmende Bauvorschriften kann auch der nachhaltige und klimaschonende Bau profitieren. Die wesentlichen Schutzziele etwa in den Bereichen Statik, Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz bleiben dabei erhalten. Es ist wichtig, dass wir diesen Gebäudetyp schnell in der Praxis erproben und erlebbar machen und so mit konkreten Projekten in Bremen zeigen, wie einfacheres Bauen funktioniert. Auch das serielle Bauen und die Typengenehmigung in der aktuellen Novellierung der Bremer Landesbauordnung bieten Chancen im Hinblick auf einfachere Bauoptionen.
 

Anders planen, dichter wohnen: Weniger ist manchmal mehr 
„Einfach bauen“ bedeutet nicht nur den Verzicht auf Regularien von politischer und behördlicher Seite, sondern auch eine deutlich reduzierte Konzeption: Der Verzicht etwa auf Tiefgaragen und Keller trägt nicht nur zur Kostenreduzierung bei. Auch vorhandene Bodenstrukturen bleiben erhalten, der Materialeinsatz wird geringer und nachhaltiger und als Ersatz für Parkplätze werden klimaschonendere Mobilitätsformen gefördert. Kleinere Wohnungen und eine einfachere Ausstattung im Gebäudeinneren sind hilfreich bei der Kalkulation, bei Umzügen, Umnutzungen und Ressourceneffizienz. Neben einem möglichen finanziellen Vorteil kann die Planung insgesamt höherer Gebäude an geeigneten Stellen auch für mehr benötigte Wohnungen ohne zusätzliche Flächenversiegelung sorgen. Damit schützen wir bisher unbebaute Flächen weiter vor einer Versiegelung. Kosteneffizientes Bauen sowie Klima- und Umweltschutz hängen eng miteinander zusammen und ergänzen sich. Mehr und kleinere Wohneinheiten bedeuten keinen Verlust an Wohn- und Lebensqualität, wenn die Freiraumplanung im öffentlichen Raum mehr Aufenthaltsqualität etwa für Freizeit und Sport entwickelt. Mehr Grün in der Fläche, auf Dächern und Fassaden verbessert das Mikroklima und trägt zugleich zur Leitidee der Schwammstadt bei. Der Einsatz von Holz als Baumaterial ist ressourcenschonend, klimafreundlich und muss nicht teurer als Beton sein. Direkt am Gebäude mit Photovoltaik gewonnene Energie kann die Nebenkosten senken. 
 

Bremer Standard weiter denken
Der Bremer Standard bündelt wesentliche Bestandteile aus dem politisch geeinten Enquete-Bericht „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ und ist ein Erfolg für die Entwicklung des Gebäudebestands in Bremen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Bauvorhaben mit der Effizienzhaus-Stufe 40 umgesetzt. Die Kosten für die Einhaltung der Energiestandards sind im Vergleich zu hohen Zinsen, Material- und Bodenpreisen nicht der entscheidende Faktor zur Lösung der Baukrise: Unsere künftige Energieversorgung wird auf sparsamen Energieeinsatz angewiesen sein, um die Versorgungsnetze nicht zu überlasten. Für Mieter*innen hat der niedrige Verbrauch von Energie über günstigere Nebenkosten auch direkte Vorteile. Im Sinne einer Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden sollte neben der energetischen Effizienz im Betrieb künftig auch der grauen Energie - also den verbauten Baustoffen - sowie der Rückbaufähigkeit von Gebäuden eine größere Bedeutung zukommen. Um mehr Flexibilität im Bremer Standard zu ermöglichen, kann eine ökologische Gesamtbilanzierung von Bauvorhaben vom Bau über die Nutzung bis zur Recyclingfähigkeit dienlich sein. 


Wohnungsangebote verbessern
Wohnraum könnte oftmals besser genutzt werden. Wohnungstausch, Wohnen für Hilfe sowie flexible und altersgerechte Wohnangebote sind wichtige Konzepte, durch die etwa große ehemalige Familienwohnungen frei werden oder intensiver genutzt werden können. 

Wir müssen angesichts der Haushaltslage in Bremen und der allgemeinen Baukonjunktur neue Möglichkeiten zur privaten Investition auch in kleinerem Rahmen schaffen. 
Es gibt noch zahlreiche ungenutzte Potentiale und Experimentierräume in der Innenentwicklung, die gerade jetzt gehoben werden sollten. Diese Strategie basiert auf der Beschaffenheit einer über Generationen aufgebauten Stadt mit ihrer sozialen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Infrastruktur, die immer wieder im Wandel war und ist. Solche Anpassungen stärken das Handwerk und schonen Flächen für Mensch und Natur. 

Bremen, den 04. März 2024