Bau- und Stadtentwicklung | Wissenschaft

Wissenschaft in die Innenstadt - aber richtig!

Wir wollen Wissenschaft in der Innenstadt etablieren. Bildung und Forschung bieten die große Chance, unsere City vielfältiger und lebendiger zu machen. Dabei sollte der städtische Raum nicht nur Aufenthaltsort, sondern auch Gegenstand wissenschaftlicher Neugier sein: Das Know-how von Studierenden und Wissenschaftler*innen sollte für die Entwicklung der Innenstadt genutzt werden – junge Menschen mit neuen Ideen können hier einen echten Beitrag für die Zukunft unserer Stadt leisten! Solche innerstädtischen Standorte bieten zugleich eine Bühne, auf der Stadtgesellschaft und Wissenschaft in Austausch miteinander treten. Mit dem Haus der Wissenschaft und der Hochschule für Künste existieren bereits wichtige Erfahrungswerte in dieser Richtung.

Mit Räumen für den Lehrbetrieb ist es nicht getan. Wissenschaftliche Institutionen sind auf eine soziale Infrastruktur angewiesen, die die wissenschaftlichen Tätigkeiten in den urbanen Alltag einbetten. Es braucht bezahlbare Wohnangebote, attraktive Versorgungsstrukturen, zügige ÖPNV-Anbindungen sowie Grünflächen zur Erholung und Rückzugsräume für die Zeit zwischen den Lehrveranstaltungen. Und wir werden nicht müde zu betonen: Klimaanpassung ist unverzichtbar. Das Mikroklima der Innenstadt muss auch bei allen wissenschaftlichen Standortentwicklungen mitgedacht werden!

‚Wissenschaft in die Innenstadt‘ muss gut durchdacht und konzeptionell unterlegt sein. Die Hoffnungen auf eine Belebung der Innenstadt haben nur eine Chance auf Verwirklichung, wenn die Stakeholder der verschiedenen bremischen Hochschulen aktiv eingebunden und mit ihren Bedürfnissen gehört werden. Das gesamte Vorhaben darf also kein Selbstzweck sein und wäre grundsätzlich missverstanden, wenn es auf die Rolle eines ökonomisch bedeutsamen „Frequenzbringers“ reduziert würde. Zugleich braucht der bisherige Universitätsstandort eine eigene Entwicklungsperspektive: Dazu gehört zunächst die finanzielle Absicherung der erforderlichen Sanierungen des in die Jahre gekommenen Gebäudebestands. Für die Zukunft braucht es u.a. eine Vorstellung davon, wie das fruchtbare Verhältnis zwischen der Universität und dem privatwirtschaftlichen Umfeld des Technologieparks weiter gestärkt werden kann.

Wissenschaft ist eine soziale Tätigkeit mit besonderen Voraussetzungen, die Innenstadt ist ein sozialer Raum mit einer einzigartigen Geschichte – ihre Verbindung muss zum beiderseitigen Gewinn sein!

Wir fordern deshalb:

1. ‚Wissenschaft in die Innenstadt‘ verlangt eine systematische Abstimmung der Entwicklungsinteressen aller bremischen Hochschulen. Die ‚Uni am Brill‘ ist eine spannende Perspektive, kann aber nur ein Teil von ‚Wissenschaft in die Innenstadt‘ sein. Auch das Vorhaben Gesundheitscampus liefert dafür z.B. einen wichtigen Beitrag.

2. Die verschiedenenInteressens- bzw. Statusgruppen – Studierende, Mitarbeitende in Verwaltung, Beratung und Technik, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Professor*innen – müssen befragt und in die Ideenfindung wie auch Entscheidungen einbezogen werden! Ein guter Ansatz ist hier z.B. der Interspace-Wettbewerb der Hochschule Bremen.

3. Es gibt diverse Immobilien, die für eine schrittweise Ansiedlung von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Frage kommen würden. Hier braucht es konkrete Prüfungen.

4. Hinsichtlich der Option eines „Campus am Brill“ muss die öffentliche Hand eine aktiv gestaltende Rolle einnehmen und zugleich die eigenen Risiken im Blick haben. Die Stadt sollte nicht alleinige Mieterin des sanierungsbedürftigen Gebäudes am Brill sein. Eine Mischung von privater und öffentlicher Nutzung ist anzustreben. Die Eigentümer des Gebäudes müssen zudem einen echten Beitrag zu dessen Modernisierung leisten. Der denkmalgeschützte Teil des Gebäudes ist zukunftsfest zu sanieren – der Rest der Bausubstanz und des gesamten Areals muss aber auf seine Nachnutzungsfähigkeit für die Wissenschaft geprüft werden. Der Erhalt von „grauer Energie“ und der Sanierungsaufwand müssen abgewogen werden.

5. Sollte ein zweiter Unistandort am Brill entwickelt werden, müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden:

a. Für bestimmte Fächerkombinationen wird ein Pendeln zwischen den Standorten nicht komplett vermieden werden können. ÖPNV- und Radwegenetz müssten entsprechend attraktiviert werden, die Kosten dafür sind zu kalkulieren.

b. Es ist zu prüfen, ob Umstrukturierungserfordernisse für die Universitätsbibliothek entstehen. Falls ja, wie könnte das Konzept für eine neue Teilbibliothek aussehen und wo finden sich passende räumliche Kapazitäten? Dabei und in weiteren Fällen (Mensa, Verwaltung, das geplante Hör- und Veranstaltungszentrum etc.) ist der Aufbau von unnötigen Doppelstrukturen so weit wie möglich zu vermeiden und gleichzeitig eine optimale Versorgung für Lehre und Forschung vorzuhalten.

c. Bei der Entwicklung innerstädtischer Wissenschaftsstandorte müssen stets Büroräume für Lehrende und Verwaltung mitgedacht werden. Eine räumliche Isolierung der Lehre von anderen Aufgaben der Institute ist nicht funktional und wegen zusätzlicher Pendelerfordernisse für das Personal auch nicht zumutbar.

d. Synergien nutzen, Vernetzung fördern: Es muss genau geschaut werden, bei welchen Fachbereichen eine Ansiedlung in der City sinnvoll wäre. Dabei kommen verschiedene Kriterien zum Tragen: Die Zahl der Studierenden, die entsprechenden Raumbedarfe, eine Verschiebung von Mietkosten und vor allem die möglichen Synergien mit dem innerstädtischen Umfeld. So könnten die Medien- und Kulturwissenschaften von den kurzen Wegen zu Radio Bremen profitieren, wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge von der Nähe zur vielfältigen Unternehmenslandschaft in der Innenstadt. Neue Kooperationsmöglichkeiten mit der Hochschule Bremen und der Hochschule für Künste sind ebenfalls auszuloten.

e. Natur- und ingenieurswissenschaftliche Fächer sind durch ihre technischen Infrastrukturen an den Unicampus am Stadtrand gebunden und bilden eine hochproduktive Einheit mit dem privaten Umfeld des Technologieparks. Für die durch einen etwaigen Umzug in die Innenstadt potenziell frei werdenden Flächen bedarf es daher eines nachhaltigen Entwicklungskonzepts. Damit könnte ein bedeutender Beitrag zur Entspannung der Flächenknappheit im Technologiepark geleistet werden.

6. Alle genannten Punkte müssen sorgfältig geprüft werden. Der krisenbedingte Leerstand in der Innenstadt ist Anlass dafür, mit ‚Wissenschaft in der Innenstadt‘ ernst zu machen. Die Tatsache des Leerstands allein kann aber nicht Treiber der Entwicklung sein. Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Entwicklung ist eine umfassende Bedarfsanalyse. Dafür ist es vorstellbar, Planungsgelder aus dem Bremen-Fonds zu nutzen.