Gleichstellung

Gewalt gegen Frauen - Prävention, Schutz und Ächtung

Gewalt an Frauen und Mädchen ist leider nach wie vor weit verbreitet und damit ein hoch aktuelles Thema. Frauen sind überproportional häufig von häuslicher Gewalt, sexueller Nötigung, Vergewaltigung, physischer und psychischer Gewalt betroffen – auch in Europa, in Deutschland und in Bremen. Nach einer aktuellen Studie der Europäischen Union hat EU-weit jede dritte Frau im Alter von 15 bis 74 Jahren in ihrem Leben sexuelle Gewalt erfahren. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums sind bundesweit rund 40 Prozent aller Frauen mindestens einmal im Leben von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen, mehr als die Hälfte aller Frauen wird mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt. Jede vierte Frau erfährt Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin. In Bremen zeigen die Daten, dass Frauen in einem hohen Maße von häuslicher Gewalt betroffen sind: 2014 wurde die Polizei in Bremen und Bremerhaven in 3.635 Fällen wegen häuslicher Gewalt an Frauen gerufen. Die Statistik führt des Weiteren 856 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen auf, davon 111 Fälle von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Sexuelle Gewalt an Kindern wird für 2014 128 Mal vermerkt, davon an 94 Mädchen und 34 Jungen. Sexuelle Gewalt an widerstandsunfähigen Frauen wurde 14 Mal bekannt sowie 19 Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung.

Mit der im Mai 2011 unterzeichneten Konvention des Europarats „über die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ wurde erstmals ein völkerrechtlich verbindliches Instrument geschaffen. Gewalt gegen Frauen ist damit eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung. Die Vertragsstaaten haben sich zu Präventionsmaßnahmen, Schutz und Unterstützung für betroffene Frauen sowie zu entsprechenden Regelungen im Straf-, Zivil- und Ausländerrecht verpflichtet. Zu berücksichtigen ist dabei immer die spezifische Situation von besonders schutzbedürftigen Frauen wie zum Beispiel Mädchen, ältere Frauen, Migrantinnen, Behinderte, Lesben und Transgender. Die Konvention definiert und kriminalisiert die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen (einschließlich Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Stalking, physische und psychische Gewalt sowie sexuelle Gewalt).

Gemeinsam aktiv gegen Gewalt an Frauen
Gewalt gegen Frauen und Mädchen erfordert Handeln auf unterschiedlichen Ebenen. Frauen, die Gewalt erleben, müssen ebenso wie ihre Kinder in der konkreten Situation geschützt werden. Wir setzen uns auf allen Ebenen für Frauenrechte ein. Auf Bundes- und EU-Ebene kämpfen wir weiter für die bessere Wahrung von Frauenrechten, z.B. eine erhöhte Anerkennung von geschlechtsspezifischen Fluchtgründen oder auch spezielle Frauenförderprogramme für Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern. Wir unterstützen den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November und beteiligen uns auch in diesem Jahr an der Fahnenaktion von TERRE DES FEMMES „Frei leben – ohne Gewalt“, denn öffentliche Kampagnen gegen Gewalt an Frauen sind richtig und notwendig, um zwei Signale auszusenden: wir ächten jede Form von Gewalt und wir bieten Betroffenen Schutz.
    
Wir wollen mehr Prävention und Sensibilisierung
Gewalt beginnt mit verbalen Formen, salonfähig geworden sind inzwischen Beschimpfungen, Bedrohungen und Nachstellung von Frauen im „öffentlichen Raum world-wide-web“ und insbesondere in sozialen Netzwerken. Sexismus findet sich hier in all seinen Formen und Variationen. Gewaltfantasien gegenüber Frauen und Mädchen, frauenfeindliche Kommentare oder persönliche Beleidigungen können sich im Schatten der Anonymität ungehindert im Netz breitmachen. Insbesondere Frauen, die als Feministinnen erkennbar sind, werden konfrontiert mit unangenehmen, aggressiven oder gar Angst einflößenden Beiträgen in Foren, Blogs oder Sozialen Netzwerken. Den sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten wollen wir deshalb den jungen Nutzerinnen als Medienkompetenz zum Beispiel in Schule und Jugendarbeit besser vermitteln. Für dringend notwendig erachten wir, dass Gewalt im Internet stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt und verfolgt wird.

Nach wie vor gilt: am gefährlichsten ist es für Frauen im eigenen Hause.
Der Großteil der Gewalt spielt sich im Verborgenen ab und kann daher schwer erfasst werden. Unabhängig von der Dunkelziffer und der jeweiligen Definition trägt Gewalt entscheidend dazu bei, geschlechterhierarchische Strukturen zu festigen. Wenn Kinder erleben, wie die Mutter gedemütigt oder geschlagen wird, verfestigt sich das Geschlechterverhältnis wieder in der nächsten Generation. Um Gewalt präventiv entgegenzuwirken, muss bei den Geschlechterrollen angesetzt werden, bei den Rollen, die bereits Kindergartenkinder lernen, wenn sie die Einteilung in „Männer“ und „Frauen“, in „weibliches“ und „männliches“ Verhalten lernen. Dominanz, Härte und Gewalt sind nicht naturgegebene Bestandteile von Männlichkeit. Wir brauchen Männlichkeitskonzepte, die zu Gleichberechtigung und gewaltfreier Konfliktlösung befähigen.

Gender Mainstreaming muss daher in Bremen weiterhin umfassend umgesetzt werden: Das Prinzip Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet alle EntscheidungsträgerInnen und staatliche Einrichtungen, bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern zu analysieren und ihre Entscheidungen so zu gestalten, dass sie zur Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter beitragen. Nur so können verfestigte Denkmuster aufgebrochen und neue Wege hin zu gleichberechtigten, hierarchiefreien Geschlechterverhältnissen gefunden werden.

Wir wollen bessere Angebote, um Gewalt zu erkennen und sie zu stoppen
Gewalterfahrung muss erkannt und angemessen angesprochen werden. Noch immer schauen zu viele Mütter, NachbarInnen, KollegInnen, ErzieherInnen oder ÄrztInnen weg oder erkennen Anzeichen von Gewalt nicht. Wir wollen mehr zielgruppenspezifische Kampagnen, die nicht nur potenzielle Opfer, sondern auch HelferInnen ansprechen. Das soziale Nachfeld muss sensibilisiert und ermutig werden, Gewalt anzusprechen und zur Anzeige zu bringen. Wegen der geringen Aufklärungsquoten – z.B. bei Vergewaltigungen – setzen wir uns für mehr Fortbildungs- und Supervisionsangebote für StaatsanwältInnen und RichterInnen sowie für ÄrztInnen ein.

Das Thema Gewalt muss öffentlicher und sichtbarer werden, Hilfeeinrichtungen müssen allen Frauen bekannt gemacht werden. Dafür ist es notwendig, dass es entsprechende Anlaufstellen gibt, sie müssen auch die Frauen erreichen, die bislang eher weniger Unterstützung finden wie zugewanderte Frauen oder Frauen mit Behinderung. Hierfür braucht es dringend einen Etat für Dolmetscherdienste, ausreichend Ressourcen für Mütterzentren, Häuser der Familie u.a. für Erstberatung bzw. Erstinformation. Wir wollen einen höheren Fokus auf die Sichtbarkeit von Hilfeeinrichtungen in den Stadtteilen/Quartieren legen.

Notwendig ist eine Ent-Tabuisierung des Themas „Häusliche Gewalt“ in der Gesellschaft. Um dem Kreislauf der Gewalt entgegen zu wirken, müssen vor allem Schamgrenzen auf beiden Seiten – auch bei Tätern – abgebaut werden. Wir müssen der Täterarbeit als Unterstützungsangebot für Männer, die ihr Männerbild reflektieren und ein selbstbestimmtes, gewaltfreies Leben führen wollen, mehr Anerkennung entgegenbringen. Wir wollen Aktionsprogramme wie „Stopp der Jugendgewalt“ entbürokratisieren und Schulen sowie andere Jugendeinrichtungen bei der Umsetzung besser unterstützen.

Wir wollen Schutz für jede betroffene Frau
Frauenhäuser haben sich seit Jahrzehnten als zentrale Zufluchtsorte bewährt. Die Finanzierung der Frauenhäuser in Bremen erfolgt über Leistungsentgelte, dies führt dazu, dass Frauen ohne sozialrechtliche Leistungsansprüche bzw. mit eingeschränkten Ansprüchen (Studentinnen, Schülerinnen, Auszubildende) oder Frauen mit zu hohem Einkommen oder Vermögen keinen Anspruch auf Schutz in einem Frauenhaus geltend machen können. Nicht finanziert ist weiterhin der Aufenthalt von Migrantinnen, die grundsätzlich einen sozialrechtlichen Leistungsanspruch hätten, aber von einer Antragstellung absehen, weil sie bei Sozialleistungsbezug ihren Aufenthaltsstatus bzw. dessen Verlängerung oder Verfestigung gefährden. Hier wollen wir neue Regelungen, die allen von Gewalt betroffenen Frauen Schutz gewährleistet. Unter anderem kann eine Bundesförderung von Frauenhäusern hier eine Lösung sein.

Dringend notwendig ist in Bremen die interkulturelle Öffnung von Beratungsstellen und Schutzeinrichtungen, um auf die Situation von neu ankommenden Frauen eingehen zu können. Durch die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sind Frauen im Asylverfahren oder mit Duldungsstatus besonders gefährdet – sei es durch den Ehemann, durch das Wachpersonal oder durch Mitbewohner. Gerade alleinstehende Frauen sind in Gemeinschaftsunterkünften einer besonderen Gefährdung ausgesetzt. Traumatisierende Erlebnisse in den Herkunftsländern oder auf den Fluchtwegen, der demütigende Status, die soziale Isolation und die gesellschaftliche Marginalisierung machen betroffene Frauen nicht selten handlungsunfähig. Aus Unkenntnis und Angst vor den deutschen Behörden, vor negativen Auswirkungen auf das Asylverfahren und vor einer drohenden Abschiebung wagen sich die Betroffenen nur in den seltensten Fällen zur Polizei. Wir wollen deshalb Unterkünfte ausschließlich für Frauen und Kinder einrichten, in denen die notwendige gesundheitliche, psychologische Versorgung und rechtliche Beratung angeboten werden kann.

Unterschiedliche Gewalterfahrungen sichtbar machen
Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Um effektiv präventiv wirken und schützen zu können, müssen unterschiedliche Gewaltformen und die unterschiedlichen Gewalterfahrungen zielgruppenspezifisch erkannt, berücksichtigt und bekämpft werden. Gewalt in der Beziehung, Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen oder struktureller Gewalt muss unterschiedlich begegnet werden. Manche Gewaltformen sind heute immer noch stark tabuisiert und führen somit zum Schutz der Täter. Wir wollen, dass alle Gewaltformen wahrgenommen und mit spezifischen Programmen bekämpft werden.

Beziehungsgewalt
Häusliche Gewalt ist kein ehelicher Streit, bei dem ein paar Teller fliegen: häusliche Gewalt bedeutet immer wiederkehrende körperliche und/oder sexuelle Gewalt vom eigenen Partner. Für ein Viertel der Frauen hört die Gewalt auch nach der Trennung nicht auf. Die Angst bleibt bei vielen Frauen präsent. Knapp die Hälfte der befragten Frauen fühlt sich nicht sicher. Statistisch werden auch in Bremen vornehmlich Frauen Opfer von Stalking: im Jahr 2013 waren 85,4% der Opfer weiblich, die Täter zu nahezu 70% männlich und den Opfern meist bekannt. Wir werden hier den Gewaltschutz auf unterschiedlichen Ebenen weiter stärken.

Häusliche Beziehungsgewalt findet auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen statt. Der Fokus auf heterosexuelle Beziehungen führt zur überwiegenden Unsichtbarkeit von gleichgeschlechtlicher Beziehungsgewalt in Intervention und Beratung. Wir wollen Ansätze aus anderen Bundesländern (Berlin, NRW) folgen, die zeigen, dass es eine Vielzahl von Langzeitstrategien in den Bereichen Sensibilisierung, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung aller an Intervention und Beratung beteiligter Institutionen braucht, um zu einer Erhellung des Dunkelfelds in diesem Bereich zu kommen.

Gewalt gegen Frauen mit Migrationshintergrund
Frauen mit Migrationshintergrund sind überproportional häufig von häuslicher Gewalt betroffen, Beratungsstellen und andere Schutzmöglichkeiten sind meist nicht bekannt. Alltägliche Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen, kulturelle Differenz und Sprachprobleme führen zu Rückzug und Isolation. Um diese Frauen zu erreichen, wollen wir eine bessere Aufklärung und das Auslegen mehrsprachigen Informationsmaterials zum Beispiel in Ausländerbehörden, Krankenhäusern oder Schulen.

Noch prekärer ist die Situation von Migrantinnen ohne rechtmäßigen Aufenthalt. Sie sind männlicher Gewalt schutz- und rechtlos ausgeliefert und erpressbar. Im Falle einer Meldung werden sie wegen Verstoßes gegen das Ausländerrecht abgeschoben – während der Täter in der Regel ungeschoren davon kommt. Wir wollen daher zielgruppenspezifische Präventionsprogramme installieren und Fachdienste, Communities und Frauenberatungsstellen besser miteinander vernetzen. Das bestehende Schutzsystem muss interkulturell geöffnet werden und allen Frauen den Zugang zu Frauenhäusern unabhängig vom Aufenthaltsstatus ermöglichen.

Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung/Identität
Mit der Einführung der eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Paare sind homosexuelle Lebensweisen in der Öffentlichkeit verstärkt diskutiert und damit auch sichtbarer geworden. Dennoch sind Diskriminierungen und Gewalt gegen Frauen aufgrund ihrer lesbischen Sexualität und Identität verbreitet. In einer 2013 veröffentlichten Studie gaben mehr als 29% der Befragten an, von Verwandten und Bekannten beschimpft oder beleidigt worden zu sein. Von Fremden in der Öffentlichkeit wurden sogar 65% beschimpft oder beleidigt, 18% wurden körperlich angegriffen und 22% haben sexualisierte Übergriffe erlebt. Wir setzen daher den Aktionsplan gegen Homophobie um, der auf unterschiedlichen Ebenen Aufklärung, Prävention und Schutz gewährleisten soll.

Gewalt gegen Frauen mit Behinderung
Frauen mit Behinderung sind überproportional von (sexueller) Gewalt betroffen – ein Thema, das erst mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enttabuisiert wurde. Sie erleben aufgrund ihrer Abhängigkeitssituationen häufiger sexuelle Übergriffe und körperliche oder psychische Gewalt. Besonders häufig betroffen sind gehörlose, blinde oder psychisch kranke Frauen. Wir fördern deshalb Gewaltschutz in  Wohneinrichtungen, Frauenbeauftragte in Einrichtungen der Behindertenhilfe, Angebote der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung als auch eine Verbesserung der Zugänglichkeit des bestehenden Beratungs- und Hilfesystems in Bremen.

Gewalt gegen Seniorinnen
Ältere und alte Frauen waren in ihrem Leben häufig Gewalt ausgesetzt. Neben dem Risiko, sexualisierte Gewalt im Lebensverlauf zu erfahren, kommen bei dieser Generation noch die Erfahrungen der Kriegsvergewaltigungen während des 2. Weltkrieges hinzu. Sexualdelikte an Älteren sind zum Teil durch besondere physische Brutalität gekennzeichnet. Dieses Problemfeld findet bislang wenig Beachtung und die Opfer werden daher mit ihren belastenden Erfahrungen oft alleine gelassen. Auch in Pflegeeinrichtungen können Seniorinnen Gewalt erleben. Gewaltvolles Handeln in der Pflege hat dabei viele Facetten. Wir setzen daher auf mehr Aufklärung und Kontrolle in der ambulanten Altenpflege und in Pflegeeinrichtungen.

Gewalt gegen Frauen in prekären Lebenslagen
Grundsätzlich sind Frauen, die aufgrund prekärer Lebenslagen besonders abhängig sind, auch in besonderem Maße von Gewalt und Missbrauch betroffen. Dies gilt für obdachlose Frauen, für Prostituierte oder für inhaftierte Frauen. Diese sind meist mehrfach diskriminiert. Wenn sie noch zusätzlich von Gewalt betroffen sind, tritt dies oft in den Hintergrund. Die herkömmlichen Präventions- und Schutzmechanismen greifen hier nicht. Wir müssen deshalb etablierte Schutzsysteme auf die Bedürfnisse von besonders verletzbaren Gruppen abstimmen und entsprechend anpassen.

Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern
Sexuelle Gewalt an Kindern ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Die Betroffenen leiden ein Leben lang an den Folgen. Sexueller Kindesmissbrauch erfolgt überwiegend im familiären oder sozialen Nahbereich durch Vertrauenspersonen, aber auch unter Kindern und Jugendlichen selbst. 2014 wurden in Bremen laut Polizeilicher Kriminalstatistik 128 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch bekannt. Wir fördern und unterstützen deshalb die entsprechenden Beratungseinrichtungen in Bremen mit ihren niedrigschwelligen Angeboten, um Kinder und Jugendliche zu erreichen.

Organisierte Gewalt gegen Frauen
Zwangsprostitution und Frauenhandel gehören europaweit zu den lukrativsten Geschäften der organisierten Kriminalität. Schätzungen zufolge werden allein in Europa jährlich eine halbe Million Frauen verschleppt; verlässliche Zahlen gibt es nicht. Deutschland ist sowohl Ziel- als auch Transitland. Die Gründe für das menschenverachtende Geschäft mit den Frauen sind vielfältig: das eklatante Armutsgefälle zwischen Westeuropa und Osteuropa, Asien und Afrika, die extrem eingeschränkten Möglichkeiten legaler Arbeitsmigration nach Europa sowie die anhaltende Nachfrage nach billigen sexuellen Dienstleistungen. Die Schaffung legaler Einwanderungswege nach Europa steht für uns deshalb im Zentrum im Kampf gegen Frauenhandel. Bei der Aufdeckung von Zwangsprostitution und Frauenhandel stehen für uns weder Verstöße gegen das Ausländerrecht noch strafrechtliche Verfolgung im Vordergrund, sondern allein der Schutz, die Rechte und die Interessen der betroffenen Frauen.

Bei Zwangsheirat handelt sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung – betroffen sind meist Mädchen und Frauen. Wir lehnen daher jede Rechtfertigung mit kulturellen Traditionen ab. Mit dem 2011 in Kraft getretenen Zwangsverheiratungs-Bekämpfungsgesetz kann Zwangsverheiratung in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Mit dem Gesetz wurde das Rückkehrrecht für ins Ausland verschleppte Opfer erweitert. Gleichzeitig wurde aber die Mindestdauer der Ehe, nach der Frauen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen können, von zwei auf drei Jahre heraufgesetzt. Wir wollen, dass Frauen und Mädchen, die zu einer Ehe gezwungen wurden, schnelle Hilfe und Schutz finden, dabei darf die Frage des Aufenthaltsrechts keine höhere Priorität haben als der Weg raus aus der Zwangssituation. Wir fördern niedrigschwellige mehrsprachige Beratungsangebote und die Sensibilisierung des Fach- und Lehrpersonal in Jugendhilfe, Polizei, Justiz, Schulen etc.

Weibliche Genitalverstümmelung ist ein unvorstellbarer, aggressiver Akt gegen die persönliche Integrität und Freiheit der betroffenen Mädchen und ein Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung. In Deutschland ist Genitalverstümmelung strafbar, kommt allerdings trotzdem immer wieder vor. Das medizinische Personal ist darauf bislang nur ungenügend vorbereitet. Wir brauchen eine umfassende Aufklärung über die schwer wiegenden gesundheitlichen und strafrechtlichen Folgen von Genitalverstümmelung – insbesondere auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen - um die Familien zum Umdenken zu bewegen. Bremen muss mehrsprachiges Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Gesundheitsdienste, Familienberatungsstellen und Communities spielen dabei eine wichtige Rolle.

Sexualisierte Gewalt an Frauen oder auch Folter ist Kriegen meist immanent. Erinnert sei an die Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg, an die brutalen Verstümmelungen und Vergewaltigungen von Frauen während des Genozids in Ruanda, an die massenhaften Verschleppungen und den Verkauf von Frauen und Mädchen durch den IS oder auch in Nigeria. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Konfliktgebieten wird aber nach wie vor verharmlost. Sie wird behandelt als kulturelle Eigenart, als „Kollateralschaden“. Wir betonen: Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir wollen daher den verstärkten Einsatz von Frauen bei Friedensmissionen und Friedensverhandlungen, die Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Fluchtgründen, spezielle Schutzeinrichtungen für Opfer von sexualisierter Gewalt in Krisengebieten und eine professionelle medizinische Versorgung für die Opfer.

Bremen, 23.11.2015