Umwelt- und Naturschutz

Friedhofentwicklungsplanung – Die Zukunft der Bremer Friedhöfe mitgestalten

Friedhof by justhavealook iStock

Friedhof by justhavealook iStock

Friedhöfe sind Orte des Trauerns, des Gedenkens und der Erinnerung, der Einkehr und der Gemeinschaft. Sie sind die letzte Ruhestätte von Verstorbenen. Das Grab ist ein wichtiger Ort für die Trauer. Friedhöfe sind Orte der Würde, aber auch der Vielfalt und Individualität. Sie sind Orte der Naherholung und der Besinnung. Gerade vor dem Hin-tergrund einer wachsenden Stadt und einer vermehrten Bebauung von Flächen im Innenbereich sind Friedhöfe als Grünflächen in den jeweiligen Stadtteilen von unschätz-barem Wert. Sie sind Kulturdenkmäler und Stätten mit Geschichte. Die kommunalen Friedhöfe genießen in der Stadtgesellschaft in Bremen einen sehr hohen Stellenwert. Ziel muss es daher sein, den hohen kulturellen und grünpolitischen Wert für die Stadt soweit wie möglich zu erhalten.

Bremen unterhält derzeit 14 kommunale Friedhöfe mit einer Gesamtfläche von rund 2,1 Mio. m2 (211 ha). Daneben bestehen 21 kirchliche Friedhöfe sowie zwei jüdische Friedhöfe. Die Friedhofsfläche der kommunalen Friedhöfe teilt sich wie folgt auf:

  • Belegte Gräber: Nettofläche der 2010 tatsächlich belegten Grabstätten
  • Freie Gräber: Nettofläche der 2010 unbelegten Grabfelder (unbelegte Grabfelder, Grabstätten frei nach Ablauf der Ruhefrist)
  • Sonstige Flächen: Flächen, die dem Bestattungsbetrieb unmittelbar dienen (Wege, Plätze, Kapellen, Lagerplätze, Betriebsgebäude, Parkplätze)
  • Rahmengrün: Flächen, die der Gestaltung der Anlage und der Würde des Ortes dienen (Gehölz- und Rasenflächen, Wasserflächen, die nicht der Friedhofsentwässerung dienen)

(Quelle, Umweltbetrieb Bremen)

Die Friedhöfe sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt:

Die Finanzierung der Bewirtschaftung der kommunalen Friedhöfe erfolgt mit Ausnahme des Rahmengrüns zu 100% aus den Friedhofsgebühren. Die Unterhaltung des Rahmengrüns wird hälftig vom Gebührenhaushalt und vom städtischen Haushalt finanziert. Die Kosten betragen jährlich etwa 6,5 Mio. € für alle durch den Umweltbetrieb Bremen unterhaltenen Friedhöfe. Die Refinanzierung dieses Aufwands erfolgt zu etwa 1,7 Mio. € aus Haushaltsmitteln und zum restlichen Anteil aus dem Gebührenaufkommen.

Doch die Kosten für Pflege des Rahmengrüns auf den Friedhöfen stellt inzwischen ein Problem dar. Warum? In Bremen, genauso wie auch bundesweit, besteht derzeit ein Überangebot an Friedhofsfläche. Konkret verfügen die kommunalen Friedhöfe Bremens über erhebliche freie Flächen für Gräber. Der Anteil freier Flächen wächst jährlich um ca. 1.300 m². Gleichwohl wissen wir, dass die Friedhofsflächen früher für einen größeren Platzbedarf geplant und angelegt wurden und aufgrund der großen Anzahl von Urnenbegräbnissen (80% aller Bestattungen) nicht mehr benötigt werden. Die Bestattungswünsche der BremerInnen haben sich mit der Zeit geändert. Dabei hat der Bedarf an Urnenbeisetzungen stark zugenommen, Sargbeisetzungen sind entsprechend zurückgegangen (1985: 40% Sarg und 60% Urne, 2011: 19% Sarg und 81% Urne).

Für Urnengräber wird erheblich weniger Fläche benötigt als für Sarggräber. Hinzu sind Urnengemeinschaftsanlagen gekommen, bei denen der Flächenbedarf noch stärker reduziert ist. Alternative Bestattungsformen gewinnen zudem an Bedeutung, wie z. B. Seebestattungen, Beisetzung in privaten Friedwäldern oder Streuwiesen. Zudem gingen die früheren Friedhofsentwicklungspläne von einer größeren positiven Bevölkerungsentwicklung und damit zunehmendem Friedhofsbedarf aus.
Das bedeutet, dass Bremen Kosten für die Grünpflege großer Freiflächen tragen muss, ohne dass diese durch die anfallenden Friedhofsgebühren für Gräber ausgeglichen werden können. Um es auf den Punkt zu bringen: Bremen hat zu viel Friedhofsfläche und zu wenig Geld, um diese langfristig adäquat zu pflegen. Eine Erhöhung der Friedhofsgebühren zur Ausfinanzierung der Grünpflege auf den Friedhöfen ist jedoch nicht vertretbar.

Was wollen und was können wir?

  1. Friedhöfe bzw. Grünflächen sollen möglichst erhalten werden – keine Stilllegung von Friedhöfen.
  2. Attraktivierung und Ökologisierung von Friedhöfen.
  3. Alternative Bestattungsmöglichkeiten und Angebotserweiterungen: z. B. in Wäldern oder naturbelassenen Bereichen (Baumgräber außerhalb von Friedhöfen), Einrich-tung von Memoriamgärten, Kolumbarien (Gewölben, die der Aufbewahrung von Urnen dienen).

Was sind unsere Rahmenbedingungen?

Wir wollen einen pietätvollen Umgang mit den Verstorbenen und den Angehörigen. Wir wollen eine Versorgung mit bedarfsgerechten Bestattungsflächen (Sicherstellung der ausreichenden Versorgung) – auch unter der Prämisse der betriebswirtschaftlichen Optimierung. Die Flächenbevorratung muss auf das Notwendige beschränkt werden. Wir wollen eine Öffnung für Glaubensgemeinschaften, wie unter anderem der Muslime durch das Anlegen neuer Grabfelder.

Friedhofsflächen als Grünflächen erhalten

Trotz der oben genannten Problematik muss es unser Ziel sein, Friedhofsgrünflächen als Grünflächen möglichst zu erhalten, denn sie dienen den Menschen auch als Orte der Naherholung und sind Orte der biologischen Vielfalt. Der Osterholzer Friedhof mit seinem alten Baumbestand hat nahezu ein Drittel der Fläche des Bürgerparks. Bebauungen kommen daher für die Grünen nur auf Wirtschafts- und Verkehrsflächen an den Rändern der Friedhöfe in Betracht. Wir sehen Stilllegungen und Umwidmungen kritisch, gerade vor dem Hintergrund, dass es für ältere und nicht mehr so mobile Menschen schwer ist, weite Strecken auf sich zu nehmen, wenn der Friedhof im eigenen Stadtteil geschlossen werden sollte und sie die Gräber von Angehörigen aufsuchen wollen. Insbesondere die Bremerinnen und Bremer in Woltmershausen sind auf einen ortsnahen Friedhof angewiesen.

Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist es kaum zuzumuten, zum Besuch der Grabstätten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Huckelriede oder gar Walle zu fahren. Vergleichbares gilt auch für Hemelingen, wenn der Mahndorfer Friedhof stillgelegt werden würde.

Eine Stilllegung bedeutet, dass die Totenruhe eingehalten werden würde, aber keine Neubelegungen auf dem Friedhof erfolgen. Das heißt, dass der Friedhof ggf. 20 bis 25 Jahre noch weiter erhalten bleibt.

Friedhöfer attraktiver gestalten!

Es gibt etliche attraktive schöne Friedhöfe in Bremen wie zum Beispiel den Riensberger Friedhof. Aber es gibt auch Friedhöfe, die sich vor allem durch Tuja, Eisbegonien und Gräbern in Reih und Glied hervor tun. Besonders Menschen, die zeitlebens Individualität hoch geschätzt haben, sind vom Gedanken, auf solchen Friedhöfen ihre letzte Ruhe-stätte zu finden, die wenig Spielraum für individuelle Grabgestaltungen lassen, abge-schreckt. Ziel muss es also sein, Friedhöfe modern, attraktiv und kreativ zu gestalten: So können Friedhofsflächen durchaus landschaftlich und ökologisch attraktiver mit weni-ger Pflegeaufwand gestaltet werden, als sie es jetzt sind. Die Grabbepflanzung wie auch die Grabsteingestaltung ist Ausdruck des individuellen Gedenkens mit vielfältigen Mög-lichkeiten, die möglichst nicht eingeschränkt werden sollen. Auf den Flächen kann erlebbare Natur mit naturnaher Bepflanzung entstehen, die der heimischen Fauna dient und somit für ein lebendigeres Erscheinungsbild sorgt. Das bedeutet auch, dass diese Friedhofsflächen künftig für ökologische Kompensationsmaßnahmen dienen könnten. Dies gilt insbesondere für nicht belegte Flächen (Überhangflächen). Auch die Teile, die für die Beisetzungen genutzt werden, können für andere Angebote, die den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen, bereitgestellt werden. So stellen wir uns Memoriam-Gärten in verschiedenen Größen und Ausführungen vor: Verstorbene könnten so vielleicht in einem Rosen- oder Lavendelgarten, auf einer Wildblumenwiese oder einer Streuobstfläche beigesetzt werden. Für die Stadt wäre solch ein Angebot eine Kostenersparnis, da sie größere Flächen an Interessenten/Anbieter entsprechender Bestattungsangebote abgeben könnte und die Pflegekosten entfielen.

Friedhöfe sollen grüne Inseln im Stadtteil bleiben.

Friedhöfe sollen nicht nur Orte der Toten, sondern gerade auch der Lebenden sein. Ziel ist es daher, auch Friedhöfer lebendiger zu gestalten. Dazu gehört auch, Friedhöfe erlebbar zu machen, ob durch Cafés auf und direkt an Friedhöfen, wo Besucher sich zu Gesprächen auf eine Tasse Kaffee treffen können oder auch Trauermahle organsiert werden oder – analog zu Berlin-Kreuzberg – durch Spielplätze auf Friedhofsgrün-flächen. Mehr Kunst und Künstlerinnen und Künstler auf Friedhöfe, die Friedhofsflächen oder Gräber künstlerisch gestalten.

Friedhöfe unter Denkmalschutz stellen

Historische Friedhöfe sind weit mehr als nur Begräbnisstätten. Sie sind Orte der Ruhe und bieten gleichzeitig Einblicke in die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Sie sind Spiegelbild unserer Kultur. Mit rund zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern im Jahr ist zum Beispiel der Pariser Friedhof Père Lachaise eine der meistbesuchten Stätten in Paris. Viele berühmte Persönlichkeiten liegen dort in aufsehenerregenden Grabstätten bestattet. Pläne weisen Touristinnen und Touristen auf die einzelnen Gräber hin. Das Interesse an historischen Friedhöfen wächst auch hierzulande. Immer mehr Städte bemühen sich um dieses kulturelle Erbe. Viele Friedhöfe oder Grabmäler in Deutschland, wie unter anderem in Bonn, Essen, Aachen, Solingen, Monschau oder Mülheim, stehen unter Denkmalschutz. Denkmalschutz sagt aus: keine Umgestaltung, sondern den ursprünglichen Charakter erhalten oder so weit wie möglich wieder herstellen. Wir wollen, dass überprüft wird, ob Friedhöfe in Bremen oder Teile von Friedhöfen als Fläche und Ensemble unter Denkmalschutz gestellt und auch historisch und künstlerisch wertvolle Grabdenkmäler entsprechend geschützt werden können. So wird das kulturelle Erbe der Friedhöfe langfristig gesichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Bestattungsalternativen unterstützen:

Angesichts der friedhofskulturellen Entwicklung in der jüngeren Zeit empfiehlt es sich, auch über Alternativen bei den Bestattungsformen auf den Friedhöfen nachzudenken. Nicht nur die Grabgestaltung sollte mehr Freiraum erfahren, bei z. B. bei der Bepflanzung (Pflanzung von Bäumen gestatten), sondern auch gärtnerbetreute Grabfelder, Memoriam-Gärten oder auch Ruhegemeinschaften sollen möglich sein.
Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine alternative Bestattung bzw. eine sogenannte Naturbestattung. Wir wollen, dass auch in Bremen Baumbestattungen ermöglicht werden, so dass die Menschen zukünftig nicht mehr in das niedersächsische Umland (Bremer Schweiz oder Hude) ausweichen müssen, wenn sie in einem Wald unter Bäumen bestattet werden wollen.

Grabanlagen für Kinder

Wenn Kinder sterben, ist dies ein Schock für alle Eltern. Auch leiden Eltern unter dem Verlust bei Fehl- oder Totgeburten und sind traumatisiert. Wir wollen in Bremen, wie in vielen anderen Kommunen auch, Kinderabteilungen extra für Kinder bis ca. 2 Jahre auf den Friedhöfen einrichten.
Totgeborene über 500g gelten als Leichnam und müssen bestattet werden. Unter 500g müssen sie nicht bestattet werden, sind aber auf Wunsch zur Bestattung zuzulassen. Unter 500g müssen die Kliniken die Fehlgeborenen einäschern lassen. Die Eltern erhalten im Krankenhaus in der Regel keine Informationen, was mit dem Fötus bzw. mit der Asche des Kindes geschieht und wo diese bestattet wird. Gerade für Fehlgeburten – auch unter 500 g – sollten auf den Friedhöfen markierte Gräberfelder angelegt werden, so dass auch diese Eltern einen Ort der Trauer und des Gedenkens haben.

Grabanlagen für Interessensgemeinschaften und Partnerplätze.

Anonyme Gräberfelder gibt es bereits in Huckelriede. Aber auch auf anderen Friedhöfen, wie z. B. in Osterholz, Walle und Riensberg, sollte dieses Angebot ausgeweitet werden. Auch mehr Rasengräber für Urne und Sarg (gibt es bisher nur vereinzelt) erleichtern gerade älteren Menschen die ansonsten aufwändige Grabpflege.
Es soll überprüft werden, ob ein Verpachten von Friedhofsflächen in Bremen an Gesellschaften sinnvoll und möglich ist.

Einrichtung eines muslimischen Friedhofs

Der Islam ist längst ein Teil der religiösen Landschaft in Deutschland geworden. Von den viereinhalb Millionen Muslimen in Deutschland sind 45% in Deutschland geboren. Während die Elterngeneration von muslimischen Einwanderern und Einwanderinnen in Bremen sich noch in ihren Heimatländern bestatten lassen, werden sich zukünftig immer mehr Musliminnen und Muslime der nachfolgenden Generationen, die keinen Bezug mehr zu dem Ursprungsland ihrer Eltern-/Großelterngeneration haben, in Bremen bestatten lassen. Bisher gibt es auf dem Osterholzer und dem Aumunder Friedhof muslimische Gräberfelder. Wir unterstützen die Suche und Einrichtung eines eigenen muslimischen Friedhofs in Bremen. Religiöse Anforderungen an die Grabstätte (z. B. Länge der Totenruhe, Bestattung im Leichentuch etc.) müssen besonders berücksichtigt werden. Es soll geprüft werden, ob bisher nicht beanspruchte Friedhofsüberhangs-flächen als muslimische Friedhofsflächen geeignet sind. Hierzu sollen weitere Gespräche mit der Schura Bremen stattfinden. Auch ist zu prüfen, ob die gesetzliche Frist bis zur Bestattung herabgesetzt werden kann, denn nach muslimischem Brauch soll die Bestattung unverzüglich und innerhalb eines Tages nach Feststellung des Todes erfol-gen. Die deutschen Regelungen sehen eine Mindestfrist von 48 Stunden vor. Diese Regelung beruht noch auf früheren medizinischen Unsicherheiten bei der Feststellung des Todes (Scheintod), die aber nach der modernen Medizin nicht mehr gegeben sind und eine Aufhebung der starren Fristregelung möglich ist.

Beteiligung bei Entscheidungen zur Friedhofsentwicklung:

Eine Beteiligung der Bremer Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Friedhofsentwick-lung ist ebenso nötig wie die Diskussion innerhalb und zwischen den Einrichtungen (Etablierung eines Netzwerks), Organisationen und Institutionen, Friedhofsbetreibern, Bestattern, Gärtnereien, Kirchen, Schulen, die ein Interesse an einer Fortsetzung der würdigen Friedhofskultur in Bremen haben.

Bremen, 07.12.2015