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Familiennachzug für syrische Flüchtlinge ermöglichen - Landesaufnahmeprogramm fortsetzen!

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweigert seit dem Asylpaket II vielen syrischen Flüchtlingen, ihre Familien nachholen zu können. Die grüne Bürgerschaftsfraktion fordert daher vom Bremer Senat, das 2015 beendete Landesaufnahmeprogramm für Syrien umgehend wieder in Kraft zu setzen. Auf diese Weise könnten zumindest jene, die den eigenen Lebensunterhalt selber oder mit privater Hilfe finanzieren können, auf sicherem Wege zu ihren Angehörigen nach Bremen kommen, auch wenn der gesetzliche Familiennachzug ausgesetzt bleibt.

Der Bürgerkrieg in Syrien dauert unverändert an. Tagtäglich erreichen uns grauenvolle Bilder und Meldungen. Syrische Zivilisten sind die unmittelbar Leidtragenden der Auseinandersetzungen. Oft stehen sie zwischen den verschiedenen Konfliktparteien und verlieren Verwandte, Freunde, ihre Behausungen und Besitztümer in den Wirren des Krieges. Laut Angaben der Vereinten Nationen wurden bereits über fünf Millionen Menschen aus Syrien zur Flucht gezwungen. Viele davon machen sich auf den Weg nach Europa, um hier Zuflucht und Sicherheit zu suchen. Trotz des Türkei-Deals und der militärischen Erfolge im Kampf gegen den IS kann von einer Entspannung der Flüchtlingssituation noch keine Rede sein. Die dramatischen Entwicklungen in Aleppo und der mutmaßliche Giftgasangriff in Chan Schaichun sind nur zwei Beispiele für die extrem gefährliche Situation, in der sich die syrische Bevölkerung weiterhin befindet.

Familien brauchen Schutz, stattdessen bleiben sie auf Jahre getrennt

Das Recht auf Familiennachzug ist ein Gebot der Humanität und ein Schlüssel zur Integration. Wer in Deutschland bleibt, muss schnellstmöglich seine Familie nachholen können. Die Abwe-senheit von Eltern, Ehepartner*innen oder Kindern destabilisiert Menschen und behindert das Ankommen in Deutschland. Wer keine Angst mehr um seine Lieben haben muss, hat viel mehr Möglichkeiten sich zu integrieren, sei es in Schule, Ausbildung oder im Arbeitsmarkt.

Von jenen Familien, die nach Europa und im Besonderen nach Deutschland fliehen wollen, nehmen in vielen Fällen junge, körperlich gesunde Männer die Flucht auf sich, um dann, sobald sie angekommen sind, ihre Familienangehörigen nachholen zu wollen. Gerade kleinen Kindern ist die äußerst risikoreiche Flucht oft nicht zuzumuten. In Deutschland stoßen die Betroffenen dann auf bürokratische Hindernisse des hiesigen Aufenthaltsrechts. Obwohl Asylanträge von syrischen Flüchtlingen priorisiert bearbeitet werden, lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer im 4. Quartal 2016 bei 5,4 Monaten. Wenn die Betroffenen dann einen Familiennachzug beantragen und bewilligt bekommen, müssen ihre Angehörigen mit Wartezeiten von weit über einem Jahr rechnen, bis sie einen Termin für eine Visumsbeantragung in einer deutschen Auslandsvertretung im Libanon oder in der Türkei erhalten. Bis zur Erteilung des Visums vergehen dann meist noch weitere Wochen oder Monate.

Hinzu kommt, dass der Bundestag im März 2016 mit dem Asylpaket II das Recht auf Familien-nachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus für zwei Jahre ausgesetzt hat – gegen die Stimmen der Bremer Bundestagsabgeordneten Sarah Ryglewski (SPD), Marieluise Beck (GRÜNE) und Birgit Menz (DIE LINKE). Die einzigen Bremer Stimmen für die Aussetzung der Familienzusammenführung stammten von Elisabeth Motschmann und Bettina Hornhues, die damit dokumentierten, dass für die CDU der Schutz der Familie nicht so wichtig sein kann, wie sie immer wieder gerne behauptet.

Obwohl viele Verwaltungsgerichte entschieden haben, dass Menschen aus Syrien in der Regel unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit der Gesetzesänderung dazu übergangen, vielen syrischen Flüchtlingen nur noch subsidiären Schutz zuzuerkennen. Allein im Jahr 2016 bekamen über 120.000 Men-schen aus Syrien nur subsidiären Schutz zuerkannt. Die Betroffenen müssen ihr Recht auf Familiennachzug daher nun oftmals erst gerichtlich einklagen, was für zusätzliche Verzögerungen sorgt.

Der humanitären Verantwortung durch Landesaufnahmeprogramm gerecht werden

An die bundesgesetzliche Aussetzung des Rechts auf Familiennachzug sind die Bundesländer gebunden, somit auch Bremen. Trotzdem können sogenannte Landesaufnahmeprogramme einen Familiennachzug auch für Flüchtlinge mit subsidiärem Status zu ermöglichen. Mit Hilfe solcher Programme wurde in den vergangenen Jahren auch Verwandten zweiten Grades (Groß-eltern, Enkel oder Geschwister) von hier lebenden syrischen Staatsangehörigen ermöglicht, auf legalen und vergleichsweise gefahrlosen Reisewegen aus dem Krisengebiet nach Deutschland auszureisen. Anders als bei der gesetzlichen Familienzusammenführung ist Voraussetzung für die Teilnahme am Aufnahmeprogramm, dass keine Lebensunterhaltskosten vom Staat über-nommen werden müssen. Die bereits hier lebenden Familienangehörigen oder Dritte (Freunde, Bekannte, Organisationen) müssen sich dazu verpflichten, für den Lebensunterhalt der nachziehenden Personen aufzukommen. Die Ausländerbehörden führen eine Bonitätsprüfung durch zum Nachweis, dass die Verpflichtungsgeber über ausreichendes Einkommen verfügen. Aufgrund dieser Hürden ist die Zahl der Betroffenen, die am Aufnahmeprogramm teilnehmen können, nicht allzu hoch: Im Rahmen des Bremer Landesaufnahmeprogramms für syrische Flüchtlinge wurden von September 2013 bis Juni 2015 knapp 300 Visa erteilt. Im Vergleich zum gesetzlichen Familiennachzug entstehen für den Staat somit nur in geringem Umfang Kosten, selbst wenn Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung vom Staat übernommen werden, um unzumutbare finanzielle Belastungen für die Betroffenen zu vermeiden.

Während die Landesaufnahmeprogramme in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen weiterhin laufen, wurde die Bremer Landesaufnahmeordnung seit Juni 2015 nicht mehr verlängert. Angesichts der humanitären Notlage in Syrien muss Bremen sich seiner Verantwortung jedoch auch weiterhin bewusst sein und dieser gerecht werden.

Die grüne Bürgerschaftsfraktion fordert daher den Senat auf, schnellstmöglich das Bremer Lan-desaufnahmeprogramm für Verwandte syrischer Flüchtlinge wieder in Kraft zu setzen. Die Neufassung der Aufnahmeanordnung muss auch für syrische Flüchtlinge gelten, die erst nach 2015 nach Bremen gekommen sind und subsidiären Schutz erhalten haben, sowie für staatenlose Flüchtlinge, die in Syrien gelebt haben.

Bremen, 8. Mai 2017