Mahnmal gehört ins Herz der Stadt

Das Mahnmal, das an die massenhafte Beraubung von vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus erinnern soll, gehört ins Herz der Stadt. Anderslautende Überlegungen zur Verdrängung des Mahnmals aus dem Stadtkern, wie sie offenbar eine kleine Runde von Bürgerschaftspräsident und Spediteuren hinter verschlossenen Türen anstellt, lehnt die Grünen-Fraktion ebenso ab wie Koppelgeschäfte auf Kosten der Erinnerungsarbeit. Gerade weil in Bremen viele von der systematischen Enteignung von Jüdinnen und Juden profitiert haben, gehört der Gedenkort ins Stadtzentrum. So sieht es auch der beschlossene Bürgerschaftsantrag vor, der einen Standort im Umfeld des Kühne+Nagel-Neubaus vorsieht. Das Logistikunternehmen war maßgeblich an der Plünderung von jüdischem Eigentum beteiligt. Wenn sich Kühne+Nagel sowie andere Spediteure jetzt zu einer Aufarbeitung der dunklen Seite ihrer Unternehmensgeschichte und zu einer finanziellen Beteiligung am Mahnmal bereit erklären, begrüßt die Grünen-Fraktion das ausdrücklich. Einen Standort außerhalb des Zentrums rechtfertigt das hingegen nicht. Dazu erklärt die stellv. Fraktionsvorsitzende Kirsten Kappert-Gonther: „Es gibt einen eindeutigen Beschluss des Parlaments, es gibt einen ausgezeichneten Mahnmal-Entwurf und es gibt einen geeigneten Standort unterhalb des Kühne+Nagel-Neubaus. Ein Mahnmal in die Mauer der Weserpromenade am Stammsitz von Kühne+Nagel zu bauen, ist für den Hochwasserschutz unbedenklich. Das haben die Fachleute längst geprüft. Dieser Standort ist dem Thema angemessen. Ein Mahnmal an dieser Stelle wird von vielen Menschen wahrgenommen und kann so seine Wirkung entfalten. Der vorliegende Entwurf von Angie Oettingshausen zeigt dabei keinesfalls auf ein einzelnes Unternehmen. Im Gegenteil: Der Entwurf vermittelt eindringlich ein Gefühl für die Totalität der ‚Verwertung‘ jüdischen Eigentums. Die Leere des Raumes ist zugleich eine Chiffre dafür, wie jüdischen Menschen jede Existenzberechtigung abgesprochen wurde. Bremen hat insgesamt bei der zwangsweisen Enteignung jüdischen Eigentums mit ganz verschiedenen Profiteuren eine unrühmliche Rolle gespielt. Deshalb ist dieser Mahnmal-Standort im Herzen der Stadt für die Erinnerung und das Gedenken die richtige Wahl.“

Äußerst irritiert ist die Grünen-Fraktion über das Agieren des Bürgerschaftspräsidenten in dieser Angelegenheit. Die Idee für das Mahnmal stammt aus der Mitte der Gesellschaft. Die Bürgerschaft hat dieses Engagement auf Initiative der Grünen aufgegriffen und sich für einen Standort in der Nähe von Kühne+Nagel ausgesprochen. Von einem Bürgerschaftspräsidenten erwarten die Grünen, dass er sich für beschlossene Anträge des Parlaments einsetzt. „Standort-Verhandlungen ohne Einbeziehung der maßgeblichen Mahnmal-Initiatoren aus der Zivilgesellschaft und unter Ausschluss des Parlaments halten wir für den falschen Weg. Es muss ein transparentes Verfahren geben“, betont Kirsten Kappert-Gonther.

Zum Hintergrund: In Bremen gab es im Nationalsozialismus viele Nutznießer der ‚Arisierung‘ jüdischen Eigentums. So flüchteten zahlreiche jüdische Familien aus ganz Deutschland über Bremerhaven, ihr Hab und Gut mussten sie jedoch hergeben. Es wurde zu Gunsten der Finanzbehörde versteigert. Außerdem befindet sich hier der Stammsitz des Logistik-Unternehmens Kühne+Nagel, das maßgeblich an der ‚Aktion M‘ beteiligt war. Dabei wurden zwischen 1942 und 1944 aus besetzten Ländern der Hausrat von gut 70.000 Wohnungen und Häusern der geflüchteten oder deportierten jüdischen Bevölkerung nach Deutschland geschafft. Möbel, Uhren und vieles mehr wurden für die ‚Kriegsmoral‘ zu Schnäppchenpreisen verhökert bzw. teilweise kostenlos verteilt. Davon haben auch viele Bremerinnen und Bremer profitiert. In diesem Jahr jährt sich der Beginn der ‚Aktion M‘ zum 75. Mal. Die ‚taz bremen‘ hatte nach akribischen Recherchen zur besonderen Rolle Bremens bei der ‚Verwertung‘ jüdischen Eigentums Ende 2015 einen Ideen- und Gestaltungswettbewerb für ein Mahnmal ausgelobt sowie eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Eine Fachjury hatte den Mahnmal-Entwurf „Leerstellen und Geschichtslücken“ der Architektin Angie Oettingshausen ausgewählt.