Mahnmal für beraubte Jüdinnen und Juden auf den Weg gebracht
Bremen soll mit einem Mahnmal an die massenhafte Beraubung von vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus erinnern. Das sieht ein von der Grünen-Fraktion initiierter und von SPD sowie Linken mitgetragener Antrag vor, den die Stadtbürgerschaft heute beschlossen hat. Demnach ist der Senat nun aufgefordert, im Beirat Mitte und im Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum entsprechende Beschlüsse für die Errichtung dieses Mahnmals anzuregen. Bei der Entscheidung soll insbesondere auch ein Standort im Umfeld des Kühne+Nagel-Neubaus einbezogen werden, denn das Transport-Unternehmen war maßgeblich an der Plünderung von jüdischem Eigentum beteiligt.
Dazu erklärt der bau- und stadtentwicklungspolitische Sprecher Robert Bücking: „Das Mahnmal erinnert daran, dass die Ausplünderung von Jüdinnen und Juden in Bremen eine besondere Dimension hatte. In unserer Stadt waren viele damit befasst, beim großen Raubzug zu assistieren und sich zu bedienen. Die Finanzbehörde profitierte von den Habseligkeiten, die Jüdinnen und Juden bei ihrer Flucht über Bremerhaven zur Versteigerung hergeben mussten. Speditionen wie Kühne+Nagel transportierten im großen Stil den Hausstand von deportierten Jüdinnen und Juden aus den besetzten Ländern. Bremerinnen und Bremer ersteigerten zu Spottpreisen Möbel und Wäsche deportierter jüdischer Familien, während die Eigentümer in den Vernichtungslagern vergast wurden. So mancher hat heute Anlass mit Blick auf eine geerbte Kommode darüber nachzudenken, was dieses Möbelstück für eine Geschichte erzählt. An Herrn Kühne können wir nur appellieren, die Archive zu öffnen und unabhängige HistorikerInnen mit der Erforschung der Unternehmensgeschichte zu beauftragen. Das ist dieses große Unternehmen den Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie schuldig. Am Ende tut es gut, wenn wir uns nicht in Schweigen und Abwehr verbarrikadieren.“
Die stellv. Fraktionsvorsitzende Kirsten Kappert-Gonther erläutert: „Mit dem Mahnmal wollen wir einen Ort der Erinnerung schaffen, der zur Diskussion anregt. Wir sehen in diesem Prozess die Chance, gemeinsam über unsere Geschichte nachzudenken und so Impulse für die bremische Erinnerungskultur zu entwickeln. Das Mahnmal soll sich an BürgerInnen, Behörden und Unternehmen richten. Wenn wir uns mit der systematischen Beraubung, der Ausplünderung der Juden in Bremen und ganz Europa wortwörtlich bis auf das letzte Hemd, beschäftigen, verstehen wir sehr unmittelbar, wen es alles bedurfte, damit die Shoah stattfinden konnte. In einer Zeit, in der die kollektive Abwertung von Menschen wieder hoffähig wird, ist das notwendiger denn je. Wir leben unser Leben vorwärts, können es aber nur rückwärts verstehen. Die Diskussion um das Mahnmal und das Mahnmal selbst regen hoffentlich dazu an, aus der Vergangenheit zu lernen, um Verantwortung für das Heute und das Morgen zu übernehmen.“
Zum Hintergrund:
Bremen spielte bei der ‚Arisierung‘ jüdischen Besitzes aus mehreren Gründen eine besondere Rolle: Zahlreiche jüdische Familien aus ganz Deutschland flüchteten über Bremerhaven, ihr Hab und Gut jedoch mussten sie hergeben. Es wurde zugunsten der Finanzbehörde versteigert. Die Stadt ist außerdem Stammsitz des Logistik-Unternehmens Kühne+Nagel, das maßgeblich an der ‚Aktion M‘ beteiligt war. Dabei wurde zwischen 1942 und 1944 aus dem besetzten Frankreich, Belgien und den Niederlanden der Hausrat aus ca. 70.000 Wohnungen und Häusern der geflüchteten oder deportierten jüdischen Bevölkerung nach Deutschland geschafft. Die Möbel, Uhren, Musikinstrumente, Teeservices und andere Alltagsgegenstände wurden zu Schnäppchenpreisen verhökert bzw. kostenlos verteilt. Das galt im Nationalsozialismus als ‚siegwichtig‘ im Sinne der ‚Kriegsmoral‘. Fast ein Drittel der Transportladungen mit jüdischem Hausrat ging in den damaligen ‚Gau Weser-Ems‘, so dass gerade auch zahlreiche Bremerinnen und Bremer davon profitierten.
2017 jährt sich der Beginn der ‚Aktion M‘ zum 75. Mal. Darauf nimmt der Antrag ebenso Bezug wie auf eine Initiative der Tageszeitung ‚taz bremen‘, die nach akribischen Recherchen zur besonderen Rolle Bremens als Logistik-Zentrum bei der ‚Verwertung‘ jüdischen Eigentums einen Ideen- und Gestaltungswettbewerb für ein Mahnmal ausgelobt hatte.