Junge Menschen brauchen Jobs statt Praktika

Junge Menschen brauchen Jobs statt Praktika

"In einigen Branchen ist seit Jahren die Tendenz zu beobachten, Hochschulabsolventinnen und Absolventen langfristig als billige Praktikantinnen und Praktikanten zu beschäftigen. Es ist zu befürchten, dass diese Beschäftigungsform reguläre Arbeitplätze verdrängt. Dieser bedenklichen Praxis beugen wir nun bei den bremischen Behörden und Gesellschaften mit festgelegten Mindeststandards vor. Wir appellieren an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, bei der Vergabe von Praktika diese Standards ebenfalls einzuhalten", erklärt Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion.

"Angesichts der schwierigen Arbeitsmarktlage und der Probleme für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, eine angemessene Beschäftigung zu finden, akzeptieren Absolventinnen und Absolventen derartige Stellen vielfach selbst dann, wenn ihnen über Monate oder sogar Jahre volle Leistung ohne jede Vergütung und ohne konkrete Beschäftigungsperspektive abverlangt wird. Für die Generation Praktikum entwickeln sich solche Praktika dann schnell zur Warteschleife mit ungewissem Ausgang. Eine derartige Praxis ist weder für die betroffenen Absolventinnen und Absolventen zu akzeptieren, noch ist sie arbeitsmarktpolitisch sinnvoll", ergänzt Helga Ziegert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Mit den Stimmen von Grünen, SPD und FDP hat der Landtag nun beschlossen, dass bei bremischen Landes- und Stadtbehörden sowie allen Bremen gehörenden Gesellschaften fortan faire Bedingungen für Praktikantinnen und Praktikanten gelten. Unter anderem sind folgende Mindeststandards vorgesehen: Das Praktikum ist ein Lern- und kein Arbeitsverhältnis, es soll in der Regel höchstens vier Monate dauern, es wird ein schriftlicher Vertrag geschlossen und der Aufgabenbereich klar beschrieben. Ferner besteht ein Anspruch auf Vergütung und Urlaub. Die Praktikantinnen und Praktikanten haben eine feste Ansprechperson und erhalten ein Zeugnis.

Der Senat soll sich auf Bundesebene darüber hinaus dafür einsetzen, ein Gütesiegel "Faires Praktikum" zu schaffen. Ferner soll der Senat eine Bundesratsinitiative starten, um im Berufsbildungsgesetz das Praktikum klar als Lernverhältnis von einem Arbeitsverhältnis abzugrenzen. Außerdem soll der Senat die Bestrebungen von Tarifpartnern bei tariflichen Regelungen zur Ausgestaltung von Praktika unterstützen.

"Wir wollen der dauerhaften Beschäftigung von jungen Menschen als billige Praktikanten einen Riegel vorschieben. Nach dem Studium benötigen junge Leute kein Praktikum, sondern einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz", so Silvia Schön und Helga Ziegert.

Mittlerweile machen 37 Prozent der Hochschulabsolventinnen und –absolventen ein Praktikum, wie eine aktuelle Studie der Freien Universität Berlin ergab. Praktikantinnen und Praktikanten sind demnach vor allem in den Medien, Kultureinrichtungen und in der außerschulischen Bildung anzutreffen. Die Hälfte von ihnen erhält weder eine Aufwandsentschädigung noch ein Gehalt. Das Praktikum dauert im Durchschnitt sechs Monate. Etliche Betriebe, Redaktionen und Kultureinrichtungen planen Praktikanten als gut ausgebildete, aber billige Arbeitskräfte ein, wie die Studie belegt.