Brechmittel-Affäre - Grüne verabschieden Anträge

Brechmittel-Affäre - Grüne verabschieden Anträge

Einstimmig verabschiedete die grüne Fraktion auf ihrer heutigen Sitzung zwei Anträge zur Brechmittel-Affäre - den Misstrauensantrag gegen Innensenator Röwekamp und das Ende der zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln in Bremen. Matthias Güldner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, betont: "Ich gehe davon aus, dass der Antrag zum endgültigen Stopp der zwangsweisen Brechmittelvergabe in der Bürgerschaft eine Mehrheit findet. Die SPD-Fraktion hat sich festgelegt und würde völlig unglaubwürdig, wenn Sie jetzt einen Rückzieher machen würde. Ohne den endgültigen Stopp dieser grausamen und erniedrigenden Prozedur würden bei der Beweismittelsicherung drastische gesundheitliche Folgen bis hin zum Tod billigend in Kauf genommen. Ich kann mir nicht vorstellen, das eine Mehrheit der Bremer Abgeordneten bereit ist, für solche Risiken die politische Verantwortung zu übernehmen. Wenn die CDU-Fraktion schon keine moralischen Bedenken in dieser Frage erkennen lässt, sollte wenigstens die geltende Strafprozessordnung sie zum Einlenken bewegen - danach sind körperliche Eingriffe gegen Beschuldigte nur zulässig, wenn kein Nachteil für die Gesundheit zu befürchten ist."

Misstrauensantrag - Grüne erwarten deutliches Signal

Matthias Güldner erwartet ein deutliches Signal vom Abstimmungsergebnis in der Bürgerschaft: "Ich gehe davon aus, dass es nicht bei den zwölf grünen Stimmen bleibt, wenn die Abgeordneten in geheimer Abstimmung ihr Kreuzchen in den Wahlkabinen machen. Die SPD-Fraktion hat mit ihrem abwartenden Verhalten verdeutlicht, dass auch sie nach dem Tod von Laye-Alama C. nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wollen. Grüne und SPD-Vertreter haben das skandalöse Auftreten des CDU-Innensenators kritisiert. Das muss Konsequenzen bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag haben. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass alle christdemokratischen Abgeordneten die Hardliner-Position von Senator Röwekamp und die demonstrative Unterstützung durch CDU-Spitzenvertreter teilen."


In der Anlage:
Grüner Bürgerschaftsantrag "Misstrauensantrag gegen den Senator für Inneres und Sport"

Grüner Bürgerschaftsantrag "Zwangsweise Vergabe von Brechmitteln in Bremen einstellen"

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 16/
Landtag 17. Januar 2005
16. Wahlperiode

Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und von Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der SPD

Misstrauensantrag gegen den Senator für Inneres und Sport


Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) entzieht dem Senator für Inneres und Sport, Thomas Röwekamp, das Vertrauen.

Jens Crueger
Dr. Matthias Güldner
Doris Hoch
Jan Köhler
Karin Krusche
Peter Lehmann
Karoline Linnert
Dr. Karin Mathes
Klaus Möhle
Dirk Schmidtmann
Silvia Schön
Anja Stahmann


BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 16/
Landtag 17. Januar 2005
16. Wahlperiode

Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Zwangsweise Vergabe von Brechmitteln in Bremen einstellen

Um bei Personen, bei denen nach ihrer Festnahme oder während ihrer Inhaftierung der Verdacht besteht, dass sie Betäubungsmittel verschluckt haben, ein Erbrechen der verschluckten Substanzen zu fördern, wurde bis zum 5. Januar 2005 in Bremen das Brechmittel Ipecacuanha verabreicht. Willigte die verdächtige Person nicht ein, wurde unmittelbarer Zwang angewendet. Die betreffende Person wurde dann bewegungsunfähig gehalten, um ihr sodann per Nasensonde das Brechmittel und Wasser direkt in den Magen zu injizieren. In mehreren Fällen kam es dabei in der Vergangenheit offenbar zu erheblichen gesundheitlichen Folgewirkungen.

Nach der zwangsweisen Verabreichung des Brechmittels durch einen Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes im Polizeigewahrsam am 27. Dezember 2004 wurde Laye-Alama C. für hirntot erklärt, am 7. Januar 2005 starb er. Dadurch bestätigen sich auf dramatische Weise Einwände, die in der zwangsweisen Brechmittelvergabe einen stark gesundheitsgefährdenden körperlichen Eingriff sehen, der nicht durch die Strafprozessordnung (StPO, § 81a) gedeckt ist. Damit wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2, Abs.2 GG) verletzt.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge deshalb beschließen:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an Menschen, gegen die ein Verdacht eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BTM) vorliegt, dauerhaft einzustellen.
2. Der Senat wird gebeten, durch Einholung medizinischen und juristischen Sachverstands zu prüfen, welche rechtskonformen und die Gesundheit der Tatverdächtigen nicht gefährdenden Mittel der Beweissicherung in BTM-Fällen in Zukunft angewendet werden können.

Dr. Matthias Güldner, Karoline Linnert und Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN