Bereit für Veränderungen

Bereit für Veränderungen

Die Bombe ist geplatzt - der Kanzlerbrief wird Bremens Finanzprobleme nicht lösen. Alle sprechen von der notwendigen Zäsur aber die große Koalition agiert weiter wie gehabt: Kein einziges Investitionsprojekt wurde aufgegeben und das Wirtschaftsressort plant fröhlich weiter Millionenausgaben, für die kein Geld da ist(Überseestadt, Markthalle Vegesack).

"Die Grünen sind bereit für Veränderungen und scheuen keine unbequemen Wahrheiten," erklären die Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert und der Landesvorstandssprecher Dieter Mützelburg auf der heutigen Pressekonferenz. "Aus eigener Kraft wird Bremen den Haushalt nicht sanieren können. Trotzdem sind wir zum Sparen verpflichtet. Den Bau des Visionarums für 30 Millionen Euro (47 Millionen Euro inklusive Finanzierungskosten) - so wünschenswert das Projekt auch ist - kann Bremen sich ebenso wenig leisten wie einen neuen Knast oder das subventionierte Zech-Hotel in Bremerhaven! Die Überseestadt in den alten Hafenrevieren ist eine Riesenchance für Bremen - wir wollen das Gelände aber am Bedarf orientiert und in kleinen Schritten entwickeln, statt zehn Millionen Euro für sinnlose Abrissarbeiten zu verpulvern," erläutert Karoline Linnert.

Neben den Investitionen stehen auch die konsumtiven Ausgaben auf dem Prüfstand. Karoline Linnert betont: "Bremen muss seine Leistungen mit anderen Großstädten vergleichen. Dabei geht es nicht darum herauszufinden, wer seine Sozialhilfeempfänger am meisten drangsaliert, sondern best practise-Modelle aufzugreifen. Gleichzeitig muss geprüft werden, durch welche länderübergreifende Zusammenarbeit sinnvoll gespart werden kann. Oberste Priorität hat für die Grünen weiterhin die Bildung und die weitere Profilierung Bremens als Wissenschaftsstandort."


Bremen muss selbstständig bleiben

Bei der Debatte über Bremens Haushaltsnotlage haben die Grünen die Frage der Selbständigkeit nicht ausgeklammert. "Der Erhalt Bremens als Bundesland ist für uns kein Selbstzweck. Wir sind aber der Überzeugung, dass es sich lohnt, für die Selbständigkeit unseres Stadtstaates zu streiten - für die hier lebenden Menschen und die Umwelt," betont Landesvorstandssprecher Dieter Mützelburg.

"Lokalpatriotismus reicht als Argument für den Erhalt der Selbständigkeit nicht aus. Die Menschen in der Bundesrepublik haben ein Recht auf vergleichbare Lebensbedingungen, egal in welchem Bundesland sie leben." Die Bremer Grünen lehnen eine Fusion mit Niedersachsen ab. Dieter Mützelburg: "Es würde die finanziellen Probleme Bremens und Bremerhavens verschärfen, nicht lösen. Niedersachsens ebenfalls prekäre finanzielle Situation würde sich auch verschlechtern."

"Auch in den grünen Reihen außerhalb Bremens macht sich eine föderalismuskritische Sichtweise breit," weiß der Landesvorstandssprecher. "Wir sehen aber mehr Vor- als Nachteile in der Existenz von Stadtstaaten. Leider nutzt die große Koalition diese Vorteile nicht. Stadtstaaten können besonders bürgernah regiert werden. Sie bieten die Chance, auf Landesebene innovative Modelle auszuprobieren, die in Flächenstaaten nicht so einfach umzusetzen wären."

Unschlagbar ist trotz aller Ungerechtigkeit bei der Steuerverteilung das Finanzargument. Die Nord-West-Region ist strukturschwach. Die Eigenständigkeit Bremens bringt jährlich über 500 Millionen Euro in die Region. Diese Summe würde bei der Gründung eines Nordstaates ersatzlos wegfallen. Eingespart würden die Kosten für die politische Führung von rund 70 Millionen Euro (Senat, Parlament und Landesbeamte)- unterm Strich ein schlechtes Geschäft!"

Auch die Tatsache, dass Bremen als Bundesland einen hohen Anteil EU-Fördergelder und andere Drittmittel bekommt, spricht für den Erhalt des Stadtstaates. Bei einer Fusion mit Niedersachsen würde die Kommune Bremerhaven jährlich rund 100 Millionen Euro weniger zur Verfügung haben.

Dieter Mützelburg betont, dass unabhängig von der Selbständigkeit Bremens die regionale Kooperation vorangetrieben werden muss. "Dazu gehören beispielsweise Kooperationen der Universitäten ebenso wie eine abgestimmte Gewerbeflächen- und Ansiedlungspolitik. Der Senat hat in den vergangenen Jahren viel Porzellan zerschlagen, was die Lage nicht vereinfacht. Aber mittlerweile ist in Bremen und den niedersächsischen Nachbargemeinden die Botschaft angekommen, dass man nur gemeinsam in einem Europa der Regionen stark sein kann."

Eine gerechtere Finanzverteilung ist weiter von zentraler Bedeutung, damit Bremen langfristig aus eigener Kraft überlebensfähig ist. Karoline Linnert betont: "Die Stadtstaaten brauchen eine höhere Einwohnerwertung, dafür muss Bremen notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Mit dem Bund muss über eine Teilentschuldung verhandelt werden, damit die weiter wachsende Zinsbelastung auf ein erträgliches Maß gesenkt werden kann. Ohne entsprechende grundlegende Veränderung wird die Bremer Politik vor der unlösbaren Aufgabe stehen, das brennende Rathaus mit einem Wassereimer zu löschen."


Höchste Priorität hat die Bildung

Auch wenn es in den nächsten Jahren wenig zu verteilen gibt, wollen die Grünen im Bereich Kinder, Bildung, Wissenschaft und Forschung keine Abstriche machen - im Gegenteil! Hier liegt Bremens Zukunft - Bremen braucht gut ausgebildeten Nachwuchs - das sind wir den jungen Menschen und dem Wirtschaftsstandort Bremen schuldig.

"Die rückwärtsgewandte Bildungspolitik der großen Koalition verschärft die negativen PISA-Ergebnisse," ist sich Karoline Linnert sicher. "Die dramatische Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungschancen können wir nur beenden, wenn das frühe Aussortieren nach Klasse 4 durch langes gemeinsames Lernen bis zur 9. Klasse ersetzt wird und flächendeckend verbindliche Ganztagsschulen eingerichtet werden. Wir wollen die Kindergärten in die Lage versetzen, ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden (Stichwort qualifizierte Zweitkraft). Bildung darf nicht vom Einkommen der Eltern abhängig gemacht werden - deshalb wollen wir weder Kindergarten- noch Studiengebühren. Bildung ist unteilbar!"

An Universitäten und Hochschulen wollen die Grünen die Studienbedingungen verbessern. "Die erschreckend hohe Abbrecherquote unter den Studierenden ist eine enorme Ressourcenverschwendung," erklärt Karoline Linnert. "Wenn es gelingt, den Studierenden eine gut betreute Einarbeitungsphase zu bieten, würde ihnen viel Frust und Stress erspart bleiben. Gute Studienbedingungen stärken auch den Hochschulstandort Bremen/Bremerhaven."


Wichtige Reformen für die politische Kultur

Große Koalitionen sind für die Demokratie ein Problem - zehn Jahre große Koalition in Bremen haben negative Auswirkungen auf die politische Kultur in unserem Land. Kommentar von Karoline Linnert: "Die vom Senat in Sonntagsreden gepredigte Einbeziehung der Bevölkerung wird von vielen in der Realität als purer Hohn empfunden. Die große Koalition scheut eine öffentliche Debatte über das Haushaltsdebakel und seine Konsequenzen. Eine fatale Entwicklung: Wir wollen, dass die Menschen Verantwortung übernehmen und sich einmischen. Dazu müssen die Haushalte so aufbereitet werden, dass eine Debatte außerhalb von Fachzirkeln möglich ist. Der Senat dagegen plant seine aktuellen Sparbeschlüsse wieder hinter verschlossenen Türen, ohne öffentliche Beratung."

Die gesetzlich vorgeschriebene Beirätebeteiligung verkommt häufig zur Farce. "Die Stadtteilgremien werden oft übergangen und mit vollendeten Tatsachen konfrontiert," kritisiert die grüne Fraktionsvorsitzende. Seit Jahren streitet die große Koalition über das überfällige Informationsfreiheitsgesetz. "Der freie Informationszugang, ein Akteneinsichtsrecht für alle Bürgerinnen und Bürger, ist Voraussetzung für die demokratische Teilhabe und ein wirksames Mittel gegen Vetternwirtschaft und Korruption."

"Wir wollen die direkte Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen deutlich stärken," betont Karoline Linnert. "Dazu gehören niedrigere Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide ebenso wie das Informationsfreiheitsgesetz und ein neues Wahlverfahren mit der Möglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren. Alles zusammen ist ein wichtiger Beitrag gegen die Politikverdrossenheit. Nur Menschen, die sich ernst genommen fühlen, die sich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz verlassen können, sind motiviert, sich zu engagieren."