Grundschulchaos sofort stoppen

Grundschulchaos sofort stoppen

"Bei der flächendeckenden Einführung von Verlässlichen Grundschulen produziert Willi Lemke einen bildungspolitischen Scherbenhaufen. Die erfolgreich arbeitenden Vollen Halbtagsschulen sollen abgeschafft werden für ein deutlich schlechteres, breites Angebot, von dem niemand weiß, wie es konkret aussehen wird. Trotz dieser Ungewissheit sollen die Eltern bis zum 31. Januar ihre Kinder für die Betreuung anmelden - dabei wissen viele Betroffene von dem Angebot noch gar nichts," kritisert der grüne Fraktionssprecher Helmut Zachau das diffuse neue Grundschulmodell des Senats. "Außer dem Titel und der geplanten Öffnungszeit ist so gut wie nichts geklärt. Die Bildungsbehörde agiert wie eine Chaos-Truppe. Statt das unausgegorene Modell der Verlässlichen Grundschule auf Biegen und Brechen durchzusetzen, muss die die große Koalition jetzt die Notbremse ziehen und das Projekt vorläufig stoppen. Das organisatorische Chaos muss beseitigt und verbindliche Rahmenbedingungen vom Bildungssenator zugesichert werden, bevor die im Kern sinnvolle Reform angepackt wird," fordert Zachau. Auf keinen Fall dürften mit Einführung der Verlässlichen Grundschule die erfolgreich arbeitenden Vollen Haltagsschulen abgeschafft werden. "Damit würde der Motor der Reform abgestellt."

Die grüne Bürgerschaftsfraktion wird einen Dringlichkeitsantrag in die Bürgerschaft einbringen (vgl. Anhang), mit dem das aktuelle Chaos und die geplante Flickschusterei gestoppt werden sollen und die Basis für eine kontinuierliche Grundschulreform gelegt werden kann, die vorhandene Ansätze aufgreift und fortführt. Die zentralen Forderungen des Antrags lauten:

1. Anmeldefrist für die Verlässlichen Grundschulen bis Ende Februar verlängern
2. Erhalt aller 14 Vollen Halbtagsschulen
3. Vorhandene, von Eltern und Schulen getragene Betreuungsangebote ausbauen
4. Vorhandene Kooperationsmodelle zwischen Schule und Hort fortsetzen
5. Rahmenbedingungen festlegen, die künftigen Verlässlichen Grundschulen verbindlich zugesichert werden
6. Schulen vor Ort entscheiden lassen, wann und in welcher Form sie sich an der Reform beteiligen wollen.

Helmut Zachau hofft, dass die Fraktionen von SPD und CDU dem Antrag zustimmen. "Viele Abgeordnete haben gemerkt, dass die im Kern gute und notwendige Reform durch das unmögliche Vorgehen der Bildungsbehörden zu scheitern droht. Die CDU hat das Desaster öffentlich kritisiert - jetzt gilt es den Worten Taten folgen zu lassen. Willi Lemke führt sich auf, wie der Elefant im Porzellanladen. Es wird Zeit, die vielfach geäußerte Kritik von Betroffenen ernst zu nehmen und aufzugreifen, damit die Verlässliche Grundschule ein Erfolgsmodell und kein Desaster wird."

Grundschule von 8 bis 13 Uhr - eine gute Idee
Seit langem fordern die Grünen, das Betreuungsangebot für Bremens Grundschüler zu verbessern. Es reicht aber nicht aus, vor und nach dem Unterricht die Kinder irgendwie zu beaufsichtigen. Helmut Zachau betont: "Die qualitiativen Anforderungen an die Grundschule haben sich verändert. Die Lehrer sollen den Kindern neben einem soliden Grundwissen auch soziale Verhaltensweisen vermitteln, Kinder mit geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen integireren, sowie leistungsschwache und -starke Kinder besonders fördern. Mit dem traditionellen Unterricht im 45 Minutentakt ist das nicht zu leisten. Die Vollen Halbtagsschulen setzen hier an und haben bewiesen, dass auch in sogenannten Problemstadtteilen in den Klassen 1 bis 4 die Basis für eine erfolgreiche Schulkarriere gelegt werden kann. In diesem Zusammenhang von Luxus zu sprechen, den Bremen sich nicht mehr leisten kann, ist absurd. Immer mehr Bürgerinnen sind empört, wenn für zahlungskräftige Touristen Millionen ausgegeben werden, während sich gleichzeitig ihre Lebensbedingungen und die ihrer Kinder drastisch verschlechtern."


Chancengleichheit - Relikt sozialdemokratischer Bildungspolitik"
"Mit der angekündigten Abschaffung der Vollen Halbtagsschulen verabschiedet sich die Große Koalition auch vom Anspruch der Chancengleichheit. Eine besondere Förderung derjenigen Kinder, die es bitter nötig haben, wird es nicht mehr geben," ist sich Zachau sicher. Die Bildungsbehörde hat bereits angekündigt, dass Lehrer von den bisherigen Vollen Halbtagsschulen abgezogen werden. Außerdem soll der sogenannte Sozialstrukturbedarf gestrichen werden - bisher gab es zusätzliche Lehrerstunden für Schulen in sozial schwierigen Stadtteilen. Gerüchte um die Abschaffung der Vorschulklassen kursieren. Kommentar des grünen Bildungspolitikers: "Eine Katastrophe - die Konsequenzen sind absehbar - viele Kinder, die durch besondere Förderung bisher aufgefangen wurden, werden den Anschluss verlieren."

Ungeklärte Hortprobleme
Die Hortangebote werden sich verändern - das steht fest. Horte sollen künftig erst ab 13 Uhr geöffnet haben. Noch unklar ist, wohin Kinder gehen sollen, die vor 8 Uhr betreut werden müssen - weder Hort noch Verlässliche Grundschule sind nach der bisherigen Planung dafür zuständig. Die Situation der betroffenen Kinder wird sich drastisch verschlechtern - vor der Schule werden sie wo und von wem auch immer betreut, nach dem Unterrricht werden sich die 3. und 4.Klässler eine dreiviertel Stunde in der Verlässlichen Grundschule aufhalten um dann ab 13 Uhr im Hort einzutrudeln. Kommentar von Helmut Zachau: "Der reinste Verschiebebahnhof - für die Kinder gilt rein in die Klamotten, raus aus den Klamotten - zur Ruhe kommen sie so nicht und eine kontinuierliche Betreuung mit vertrauten Bezugspersonen ist so auch nicht aufzubauen."

Dies neue Betreuungsmodell ist zu allem Überfluss auch noch mit erheblichen finanziellen Risiken behaftet. Klar ist bisher nur, dass laut Senatsbeschluß vom 7. Dezember 99 das Sozialressort 3 Millionen Mark an das Bildungsressort überweisen soll (wegen geringerer Kosten im Hortbereich durch kürzere Öffnungszeiten). Unklar ist noch, inwieweit die Hortgebühren gesenkt werden und so zu Einnahmeverlusten im Sozialhaushalt führen werden.

Von Elterngruppen ins Leben gerufene Betreuungsangebote an Grundschulen müssen um ihre Existenz bangen. Das Sozialressort hat ihnen schriftlich mitgeteilt, dass ihre Zuschüsse gekürzt bzw. ganz wegfallen werden. Begründung: Nur Angebote mit mindestens drei Betreuungsstunden pro Werktag würden öffentlich gefördert. Das Angebot darf erst ab 13 Uhr gelten. Gruppen, die bisher von 12 bis 15 Uhr geöffnet waren, fallen danach aus der Förderung heraus. Vorsorglich hat die Behörde schon daraufhingewiesen, dass eine aufgrund der neuen Bestimmungen nach hinten verlängerte Öffnungszeit nicht akzeptiert werde. "Erst fordert man die Eltern zur Eigeninitiative auf und dann lässt man erfolgreich und mit viel ehrenamtlichen Engagement aufgebaute Gruppen im Regen stehen!"

In der Anlage: Entwurf für einen Dringlichkeitsantrag der grünen Bürgerschaftsfraktion "Volle Halbtagsschulen erhalten - Verlässliche Grundschulen entwickeln"