Kurzbericht AG 2 „Migrantinnen und Migranten“

Kurzbericht AG 2 „Migrantinnen und Migranten“

Das Thema „MigrantInnen und Teilhabe, Wege zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung“ wurde unter Moderation von Fuat Kamcili in der Arbeitsgruppe 2 diskutiert. Unter der Beteiligung der Referenten und etwa 20 Teilnehmerinnen wurden aktuelle Themen aus den Stadtteilen diskutiert.

Dr. Chavez Ramirez, Kinderärztin in Kattenturm / Oberviehland betonte  insbesondere die gesundheitlichen Probleme der Kinder mit Migrationshintergrund in den benachteiligten Stadtteilen. Ein Hauptproblem ergibt sich aus den amtsärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung. Kinder mit afrikanischem Hintergrund würden sehr oft als entwicklungsverzögert eingestuft, weil ihre Eltern einen anderen Erziehungsstil prägten, der anfänglich Defizite bei der Untersuchung erzeuge. In diesem Zusammenhang wies sie auf Defizite in der interkulturellen Kompetenz der Ärzte hin. Im Lauf ihres Vortrages forderte die ehemalige Kinderärztin mehr MigrantInnen im öffentlichen Dienst, sensible Beratung und den Aufbau eines Multiplikatorennetzwerks für die entsprechenden Anliegen und Bedürfnisse.

Der Ortsamtsleiter des Stadtteils Osterholz Ulrich Schlüter beschrieb die Heterogenität des Ortsamtsbereiches zwischen Oberneuland und Tenever. Dort gäbe es über 8000 Jugendliche unter 21 Jahre, die es z.T. unter schwierigen Bedingungen wie Abhängigkeit von Hartz IV zu integrieren gelte. Besonders problematisch sei das fehlende kulturelle Angebot im Stadtteil sowie die emotionale Armut und Vereinsamung der Menschen. Es fehle den Menschen oft an konstruktiven Lösungsmechanismen für Konflikte und Gewalt, so der Ortsamtsleiter. Programmen der sozialen und kulturellen Teilhabe, wie Sozialkarten für Theater, der Einsatz von Streetworkern und Orte des gesellschaftlichen Zusammenkommens müssten geschaffen werden. Darüber hinaus plädierte er für die Entwicklung aufsuchender Strukturen auch im Bereich der staatlichen Dienstleistungen. Insgesamt spiele die soziale Infrastruktur wie Freizeiteinrichtungen, Jugendcafés, Sportangebote für die Frage der Armutsbekämpfung in multiethnischen Stadtteilen eine entscheidende Rolle.

Joachim Barloschky, Leiter der Projektgruppe Tenever ging auf die besondere Situation in Tenever ein. In diesem internationalen Stadtteil kommen Menschen aus über 90 Ländern zusammen. Über 60 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Integrationsdebatten seien in einem solchen Stadtteil überflüssig. Es stelle sich die Frage: Wer soll sich in was integrieren? Hier gehe es um das friedliche Miteinander und die Toleranz gegenüber dem Anderen. Der Rückbau der Großwohnsiedlung sei erfolgreich verlaufen. Zentrale Instrumente gegen die Armut und Isolation im Stadtteil seien Vernetzung und Empowerment der BewohnerInnen sowie die Anerkennung und Förderung der deutschen Sprache als Sprache der Kommunikation zwischen den Menschen. Die soziale Infrastruktur spiele im Kampf gegen die Armut eine entscheidende Rolle. Konkrete Probleme seien fehlende Bildung, ein Mangel an Ausbildungsplätzen und Diskriminierung bei Bewerbungen. Hartz IV habe die Situation deutlich verschlimmert, so der Stadtteilmanager. 70 Prozent der Bewohner Tenevers seien abhängig von Hartz IV und Sozialgeld. 500 Flüchtlinge lebten im Stadtteil, die mit den Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes leben müssten. Er fordert ein Handeln auf Bundesebene, wie z.B. die Einführung eines Mindestlohns, höhere Leistungssätze und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes in der jetzigen Form.

Zahra Mohammadzadeh sprach sich für eine Verbesserung und ein stärkeres Ineinandergreifen von Kommunal- und Landespolitik bei Fragen der Armutsbekämpfung aus. Der größte Teil der MigrantInnen gehöre in Bremen zur finanziell geschwächten Gruppe, deshalb fällt einiges auf sie zurück, dabei sind die sozialen Probleme in erster Linie kein „Migrantenproblem“. Die viel diskutierte Integration ist auch zutiefst eine soziale Frage bzw. ein Strauss von sozialen Fragen. Deutliche Hinweise ergäben sich aus den aktuellen Daten des Mikrozensus 2009 dazu. Die Frage ist, wie wir es schaffen können, dass die Kinder der Harzt IV-Beziehenden eine faire Aufstiegchance bekommen. Es stellt sich die Frage: Wie können wir es besser hinbekommen, mehr MigrantInnen, Migrantenorganisationen, Initiativen auf lokaler Ebene und engagierte Menschen vor Ort einzubinden?

Wir müssen Frauen und Männer stärken und besonders Männer gezielt für die Elternarbeit mobilisieren.

Wir müssen offener zu einander stehen und uns stärker gegen Diskriminierung einsetzen.

Im Alltag müsse mehr auf pragmatische Lösungen geachtet und bei fehlenden Deutschkenntnissen in den Herkunftssprachen kommuniziert werden. Die Eigeninitiative von MigrantInnen müsse gestärkt werden. Dazu sollten auch Bündnisse von Initiativen und engagierten Menschen sowie Netzwerke zur Stärkung der sozialen Teilhabe gefördert werden.