Bau- und Stadtentwicklung | Wirtschaft

Über 7 Brücken... – die Stadt am Fluss verbinden

Brücke in Kopenhagen by Florian Plag / flickr.com

Brücke in Kopenhagen by Florian Plag / flickr.com

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Bremen, Stadt am Fluss: Das ist wohl eine der besten Ideen, die die Grünen in die Stadtentwicklung der letzten 30 Jahre eingebracht haben. Schlachte, Stadtwerder, Überseestadt, der Woltmershauser Uferpark, die Gartenstadt Werdersee, die Stadtstrecke und jetzt der südliche Europahafen haben damit zu tun. Diese Idee trägt, entwickelt sich weiter und verändert die Stadt. Es entstehen neue Wohngebiete, Platz für moderne Unternehmen und Naherholung. Kurz: die Stadt wächst an der richtigen Stelle und schafft eine Antwort auf den Strukturwandel. Und weil die Bremerinnen und Bremer ihren Fluss und das Deichvorland mit seinen Kleingärten und Sportplätzen lieben, wächst auch das Bewusstsein davon, was es heißt, die Weser immer weiter auszubaggern und in Steinpackungen zu pressen.

Nun hat eine Diskussion über die Bremer Brücken begonnen. Das ist kein Zufall. Bremen hat im Stadtzentrum drei große Brücken über die Weser und ein wenig flussaufwärts die Erdbeerbrücke und die Autobahnbrücke. Die für große Verkehrsmengen ausgelegten Brücken haben eine enorme Bedeutung für den Individual- und Güterverkehr und im Innenstadtbereich zusätzlich für die Nahmobilität und den ÖPNV. Mit dem neuen Wesertunnel im Zuge der A 281 werden die innerstädtischen Brücken ein bisschen entlastet, aber nach Lage der Dinge wird dieser Spielraum durch den Verkehr, der in der Überseestadt entsteht, rasch wieder aufgezehrt.

Wenn an irgendeiner Stelle die Zulaufachsen der Brücken durch Baustellen oder Unfälle gestört sind, staut sich der Verkehr in der ganzen Stadt mit den entsprechenden Folgen für alle, die auf diese Infrastrukturen angewiesen sind. Und man ahnt schon, dass eine Grundsanierung oder gar ein Neubau einer dieser Brücken selbst nach der Fertigstellung der neuen Weserquerung zu einem Ausnahmezustand für den Verkehr in der Stadt führen wird. Diese Fragen sind drängend und müssen in absehbarer Zeit beantwortet werden. Aber in diesem Papier stellen wir einen anderen Aspekt zur Diskussion. Die großen Brücken sammeln den Verkehr und erzwingen weite Umwege. Das hat Folgen für die Stadtquartiere und die Innenstadt, durch die der Verkehr auf dem Weg über den Fluss geführt werden muss.

Wir stellen 7 neue Brücken für FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen zur Diskussion. Und natürlich Fähren, wo immer das sinnvoll ist. Diese Brücken sollen die beiden Seiten der Weser, den Werdersee und die Hafenbecken überspannen, um die Stadtteile auf beiden Seiten des Flusses zu verbinden und ihre Entwicklung zu fördern. Das sollen schöne Brücken sein, die auch ein bisschen wie Wahrzeichen wirken und von denen aus jeder sehen kann, wie sich Bremen an beiden Ufern entlang zieht und verändert.

Das Ganze ist nicht nur ein Vergnügen für Ausflügler und Touristen, sondern eine sehr wirksame Maßnahme, um ein paar wirklich drängende Verkehrsprobleme unserer Stadt zu entspannen und die Stadtentwicklung auf beiden Ufern zu fördern. Je nachdem um welche Verbindung es geht, dürfte es sinnvoll sein, auch die Möglichkeit zu schaffen, mit kleinen ÖPNV-Elektrobussen die Brücken zu nutzen. Die Planung für die einzelnen vorgeschlagenen Brücken ist ganz unterschiedlich weit gediehen. Wir drängen darauf, mit großem Nachdruck diese Planung voranzutreiben und mit der Realisierung zu beginnen, wo die Projekte reif sind.

Der Reihe nach, von West nach Ost, oder Stück für Stück den Fluss rauf:

1. Überseestadt

Ganz im Westen der Überseestadt, da wo der Waller Sand am Wendebecken gerade aufgeschüttet wird und der Molenturm am Ende einer Landzunge steht, schlagen wir vor, einen Schwimmsteg zu bauen, der bis auf die andere Seite zur sogenannten Werftinsel bei der Waterfront reicht. Natürlich mit einem breiten Einlass, damit auch die großen Schiffe ins Wendebecken einfahren können. Die Gröpelinger könnten so prima zum Waller Sand. Die neuen Bewohner aus der Überseestadt hätten es nicht so weit zur Waterfront zum Einkaufen, und wer ohne Stau mit dem Auto in diesen Teil der Überseestadt will, stellt sein Auto einfach auf dem großen Parkplatz der Waterfront ab und fährt bequem mit dem Elektroroller über den Steg zur Firma. Der Steg müsste breit und sicher genug sein, damit er eine komfortable Verbindung bei jedem Wetter bietet. Die Öffnung für die Schifffahrt würde nicht über eine Hoch- oder Klappbrücke gesichert, sondern gewissermaßen über ein schwimmendes Tor, dessen Flügel ihre „Scharniere“ beim Molenturm und bei der Werftinsel hätten.  

2. Überseestadt

Auch über den Holz- und Fabriken-Hafen brauchen wir eine Brücke. Natürlich dürfen auch hier der Schiffsverkehr und die Arbeit der Hafen- und Industriebetriebe nicht behindert werden. Also wäre eine hoch liegende Klappbrücke wohl das Beste. Ideal wäre die Stelle gleich hinter dem Großmarkt, dort wo der Sportpark liegt und auf der anderen Seite des Hafenbeckens das Gelände von Kaffee HAG an der Rigaer Straße. Weiter nach Norden müsste der Weg industriell genutzte Grundstücke, eine Eisenbahn und schließlich die Bremerhavener Straße überspannen, um schließlich im Waller Park zu landen und an das Siedlungsgebiet von Walle angeschlossen werden.

Das Kaffee HAG-Gelände hat eine großartige alte Industriearchitektur. Es ist die Keimzelle der Bremer Lebensmitteltechnologie. Und es konnte bis heute kein Konzept für eine Nachnutzung gefunden werden. Seit Jahren zerfallen die Gebäude. Das ist ein vergessener Schatz. Wir schlagen vor, hier ein Gründerzentrum für Lebensmittel verarbeitende Betriebe anzusiedeln. Mit Laboren und Startups und alledem. Ein guter Standort, um einen Teil der Unternehmen aufzunehmen, die auf dem Großmarktgelände nicht mehr mit Grundstücken und Hallenflächen bedient werden können. Insofern könnte es sinnvoll sein, dass über diese Brücke auch kleine Transporte mit Elektrokarren abgewickelt werden können.

Dieser Vorschlag löst bei den Vertretern des Holz- und Fabrikenhafens eine gewisse Besorgnis aus. Sie befürchten, ihre Unternehmen könnten beeinträchtigt werden. Diese Sorge muss durch einen intensiven Dialog und eine sorgsam abgestimmte Planung aus der Welt geschafft werden.

3. und 4. Woltmershausen - Überseestadt

Auf der Halbinsel zwischen Europahafen und Weser wird demnächst das aufregendste Baugebiet der Stadt am Fluss entstehen. Mit Sicherheit wird das ein Ort, an dem nicht nur viele Menschen wohnen und arbeiten, sondern auch ein Ort, an dem die Stadt ihre beste Seite herausstellt und viele Menschen anzieht. Die Pläne zielen darauf ab, alles zu unternehmen, um in diesem neuen Quartier private PKW-Nutzung zu reduzieren. Das ist nur erfolgversprechend, wenn diese Halbinsel durch Brücken mit dem Rest der Stadt verbunden wird.

Die Brücke über den Europahafen ist bereits auf allen Plänen eingezeichnet. Sie soll auf der Nordseite zwischen Schuppen 1 und Schuppen 3 beginnen. Und auf der Südseite hinter dem großen Schuppen von Vollers (Schuppen 6) enden. Sie schafft die direkte Verbindung von Walle mit dem Fluss.

Wir sind davon überzeugt, dass dort auch eine Brücke über die Weser hin muss. Es gibt eine Stelle, wo die industrielle Ufernutzung auf der Woltmershauser Seite aufhört. Gegenüber liegt das ehemalige Exxon-Gelände. Da ist die Weser ein bisschen schmaler. Das wäre der richtige Ort. Und das ist auch deshalb goldrichtig, weil sich in Woltmershausen gerade Großes anbahnt. Endlich kommt Bewegung in das alte Brinkmanngelände und das Areal der Gaswerke. Wohnen und Arbeiten auf einer alten Industriebrache ist auch hier das Thema. Und schließlich hat auch Woltmershausen ein ernstes Verkehrsproblem. Alle müssen durch den Tunnel. So könnte die Brücke die alten Schwesterstadtteile Walle und Pusdorf, die mit dem Niedergang der innerstädtischen Hafenindustrie radikal voneinander getrennt wurden, zum beiderseitigen Vorteil wieder zusammenführen. Es liegt auf der Hand, dass diese Brücke und auch die Querung über den Europahafen so ausgelegt werden muss, dass sie auch einen Beitrag zum ÖPNV leisten kann, also für kleine Elektrobusse geeignet ist. Wir sind davon überzeugt, dass die Errichtung dieser beiden Brücken eng mit dem Baufortschritt gekoppelt sein muss. Die Zeit, in der die Infrastruktur für eine klug organisierte Mobilität der Besiedlung hinterherhinkt, sollte aus gutem Grund vorbei sein.

5. und 6. Mitte

Ein bisschen stromauf, ein paar hundert Meter hinter der Kaisenbrücke, gibt es den Plan für eine weitere Weserquerung. Diese Brücke ist Teil des Innenstadtprogramms 2025 und steht auch im Verkehrsentwicklungsplan. Sie soll die Wallanlagen als Ring um die ganze Altstadt verknüpfen: mit einer ersten Brücke auf der Höhe der Pipe über den Werdersee, dann weiter zwischen Hochschule für Nautik und dem neuen Wohngebiet, dann mit einer zweiten Brücke über die Weser bis zu dem Punkt, wo der Tunnel von den Weserwiesen zur Kunsthalle führt. Diese Verbindung könnte den Fahrradverkehr zwischen der Neustadt / Buntentor und der Uni an der Innenstadt vorbeiführen. Auf glückliche Weise würden so die Stadtteile miteinander vernetzt, wo sich gerade die jungen Leute ansiedeln und die Stadt verändern. Außerdem könnte das neu entstandene Quartier auf dem Stadtwerder / Wasserwerksgelände mit der umgedrehten Kommode aus seiner Isolation herausgelöst werden und sich mit der Neustadt und dem Viertel verbinden. Über die Kaisenbrücke fahren an starken Tagen bis 9.000 Radfahrer pro Tag. Über das Jahr mögen es 2 Millionen sein. Man sieht, Bedarf für diese Verbindung ist reichlich vorhanden. Die Pläne für diese Brücken sind schon weit ausgearbeitet und sollten zügig realisiert werden.

7. Hemelingen

In Hemelingen schlägt das industrielle Herz der Stadt. Und gerade hier verändert sich Bremen mit großem Tempo. An der Autobahn wächst das Gewerbegebiet Hansalinie viel schneller als geplant. Auch die Nachbargemeinden nutzen die Lagegunst und siedeln Gewerbe an, als gäbe es kein Morgen. Und auf beiden Seiten der Weser entstehen neue Wohngebiete. Auf dem Könecke- und Coca Cola-Gelände, auf dem Gelände der Rennbahn und am Werdersee. Bremen und die Nachbargemeinden vernetzen sich und beginnen zu kooperieren. Ein- und Auspendler legen keineswegs immer lange Strecken zurück. Wer in Arsten oder Obervieland wohnt und in Hemelingen arbeitet, hat es mit dem Auto über die A 1 nicht weit. Aber für Radfahrer sind Umwegfahrten von 8 km keine Seltenheit.

Die Hemelinger und ihr Beirat verlangen schon seit langem einen guten Zugang zum grünen Ufer am Fluss, ohne mühevolle Querung all der Zubringer und Gleise. So wäre es nicht nur verkehrlich vernünftig, sondern auch gerecht, wenn wir hier an geeigneter Stelle eine Fahrrad- und Fußgänger-Brücke bauen würden, als Teil eines komfortablen Fahrrad- und Fußgängerwegs, der auch da, wo sich die Industrie eben gerade nicht zurückzieht, das Flussufer an die Bremer zurückgibt. Das Bauressort hat dazu Anfang des Jahres eine erste Studie erarbeitet und eine erste grobe Kostenschätzung vorgelegt. Jetzt müssen die nächsten Schritte folgen.

Mehr Promenaden am Weserufer schaffen

Die Brücken sind das Eine. Die Uferwege und Promenaden parallel zum Fluss sind das Andere. Sie sind genauso wichtig. Unter Verkehrsgesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt, dass sich alle Bremerinnen und Bremern aus allen Stadtteilen diese einzigartige Stadtlandschaft teilen. Der zwingend notwendige Hochwasserschutz gibt uns die Chance, hier ein großes Stück voranzukommen. Die Stadtstrecke auf der Neustadtseite ist geplant und finanziert. Aber die Fortführung der Strecke um den Hohentorshafen ist noch nicht durchdacht. Und auch die Frage, wie der Hochwasserschutz östlich der Friedrich-Ebert-Straße beim Werdersee gestaltet werden soll, steht auf der Tagesordnung. Gleichzeitig können wir endlich damit beginnen, Pläne für das bis heute blockierte Weserufer von Kelloggs zu machen. Unser Grundsatz sollte sein: wo immer sich die Chance ergibt, das Flussufer zugänglich zu machen, stricken wir weiter an einem durchgehenden Uferweg. Und schaffen Orte, die einzigartig für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger sind.

Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut. Wesentlich ist: wir brauchen einen Brücken- und Weseruferpromenaden-Plan für die ganze Stadt. Wir dürfen keine Gelegenheit verpassen, wenn zum Beispiel entscheidende Grundstücke frei werden. Und wir müssen jede dieser Brücken und Wege in die großen Stadtentwicklungsprojekte integrieren, die jetzt beginnen. Warum sollte die Planung für die Rennbahn nicht mit dem Hemelinger Brückenprojekt verknüpft werden sowie die Planung für die Weserbrücke und den Schwimmsteg mit der Entwicklung der Überseestadt?

Wo es keine Brücken gibt, brauchen wir Fähren

Brücken haben viele Vorteile. Sie sind weitgehend wetterunabhängig und wer über den Fluss will, muss nicht warten. Und langfristig sind sie günstiger. Aber leider wird es einige Zeit dauern, bis die eine oder andere Brücke endlich gebaut ist. Deshalb brauchen wir Fähren. Zur Vernetzung von Weserstadion, Martinianleger, Überseestadt sowie Waterfront und der beiden Ufer. Damit dürfen wir nicht warten. Wenn Fähren einen nennenswerten Beitrag zur Alltagsmobilität in der Stadt leisten sollen, brauchen wir eine ganze Reihe von Schiffen, die die Anleger zu den Verkehrsspitzen in dichtem Takt anfahren. Ansonsten gilt der Grundsatz: Fähren und Fährkrug gehören zusammen. Café Sand, Café Weserbogen, Lankenauer Höft, Moorlose Kirche usw.. Auch daraus könnten wir ein wunderbares Thema für die Stadt am Fluss machen.

Roadmap zur Brücke

Zwar kosten Fahrrad- und Fußgängerbrücken nur einen Bruchteil einer großen Brücke für Autos, aber das ist immer noch viel Geld. Deshalb sollte Bremen alles tun, um Geld von der EU oder vom Bund für diese Projekte zu beschaffen. Die Aussichten für eine sehr weitreichende Förderung sind nicht schlecht. Aber Bremen muss mit der Planung in Vorleistung gehen.

Premium-Routen

Brücken und Uferwege sind weder Luxus noch Dekoration. Sie sind ein Beitrag, um erhebliche Verkehrsmengen abzuwickeln und sie sind vermutlich das entscheidende Stellglied, um den Anteil des Radverkehrs in der Stadt in echten Größenordnungen zu steigern. Nicht zu vergessen: sie entlasten die drei innerstädtischen Autobrücken, und auch das ist dringend notwendig.

Die Seeschifffahrtsstraße sollte nach dem Wendebecken aufhören

Zurzeit geht die Seeschifffahrtstraße bis zur Stephanibrücke. Danach passen nur noch Binnenschiffe unter den Brücken durch. Es gab die Hoffnung, dass große Passagierdampfer bis zur Stephanibrücke fahren. Da die Weser an diesem Flussabschnitt bei Ebbe an der flachsten Stelle gerade mal 2,80 m tief ist, können die Schiffe nur bei Flut einfahren. Das ist für die Reeder nicht besonders attraktiv. Mit anderen Worten: die Idee mit dem Liegeplatz am Weserbahnhof hat sich nicht durchgesetzt. Mit der Schiffswerft Maleika im Hohentorshafen, die auch Liegeplätze für Segler anbietet, muss eine faire Lösung gesucht werden.

Bremen, 13. September 2018

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