Bau- und Stadtentwicklung | Wirtschaft
Themenseite: Kaufhof
Grüne Positionen zur Zukunft der Kaufhof-Immobilie in der Bremer Innenstadt
Erhalt und Weiterentwicklung – verantwortungsvoll mit Bestand, Nutzung und Klima umgehen
Die Zukunft der Kaufhof-Immobilie in der Papenstraße ist eine zentrale Frage für die Bremer Innenstadt. Es geht nicht nur um ein Gebäude, sondern um die Art und Weise, wie wir künftig mit dem öffentlichen Raum, unseren städtischen Ressourcen und unserer Baukultur umgehen.
Für uns Grüne steht fest: Gemeinwohlorientierung, Klimaschutz, Ressourcenschonung und soziale Ausgewogenheit müssen die Leitlinien für jede künftige Entwicklung dieses Ortes sein.
1. Vorrang für Erhalt und Umbau
Im Gebäudebestand steckt sehr viel "graue Energie"; das ist die Energiemenge, die in allen bisherigen Phasen eines Gebäudes bereits gebunden ist – also in Herstellung, Transport und Einbau der Baustoffe sowie in früheren Umbauten. Wird ein Gebäude abgerissen, geht diese Energie unwiederbringlich verloren, während für einen Neubau erneut große Mengen an Energie und Rohstoffen aufgewendet werden müssen. Jeder Erhalt spart Ressourcen, vermeidet Abfall und schützt das Klima.
Darum setzen wir uns dafür ein, dass Erhalt, Umbau und Umnutzung der bestehenden Struktur vorrangig und umfassend geprüft werden.
Auch ein Umbau ermöglicht neue Wegeverbindungen, es können ähnlich wie beim Neubau neue Platzqualitäten entstehen. Gleichzeitig wird das massive Erscheinungsbild bei einem Umbau durch den Austausch der Fassaden, die Wegnahme bestimmter Gebäudeteile und der Realisierung mindestens eines Lichthofs auf jeden Fall verändert und geöffnet.
Ein klug umgebauter und genutzter Bestand kann neue Perspektiven für die Innenstadt schaffen – mit einer Mischung aus Wohnen, Kultur, Bildung, Arbeiten und sozialem Leben.
Gleichzeitig ist uns bewusst, dass eine solche Weiterentwicklung nur dann sinnvoll ist, wenn sie technisch machbar, funktional sinnvoll und wirtschaftlich tragfähig umgesetzt werden kann.
Falls sich herausstellt, dass tiefgreifendere bauliche Veränderungen erforderlich sind, müssen diese ebenfalls unter strengen Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlkriterien geprüft werden.
2. Entscheidungen ohne Vorfestlegungen
Verantwortet wird das Projekt von der stadteigene Gesellschaft BRESTADT, die im Auftrag des Senats Flächen- und Projektentwicklungen mit besonderer Bedeutung für Bremen steuert. Ihre Aufgabe besteht darin, städtische Interessen – etwa Klimaschutz, innovative Stadtentwicklung mit Nutzungsvielfalt und Gemeinwohl – in konkrete Bau- und Nutzungskonzepte zu übersetzen. Sie entwickelt das Projekt im Auftrag und Eigentum der Stadt, weil die Kaufhof-Immobilie als zentrales Innenstadtareal von strategischer Bedeutung für die Gesamtentwicklung der Bremer City gilt. Damit übernimmt die BRESTADT eine große Verantwortung, muss aber neben wirtschaftlichen auch ökologische und soziale Grundsätze konsequent in ihre Planungen integrieren und transparent über ihre Entscheidungsprozesse informieren.
Eine von der BRESTADT angelegte Machbarkeitsstudie legt nahe, dass ein vollständiger Abriss und ein Neubeginn an gleicher Stelle aus technischer, funktionaler und wirtschaftlicher Sicht am sinnvollsten sei. Diese Schlussfolgerung sehen wir kritisch, da sie auf modellhaften Annahmen und nicht auf einer vollständigen ökologischen und lebenszyklusbezogenen Bewertung beruht und angestrebte Funktionen und Nutzungen nicht klar benannt sind.
3. Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit verbinden
Wirtschaftlichkeit bedeutet für uns nicht kurzfristige Rendite oder höchstmöglicher Ertrag bei Vermietung oder einem möglichen Weiterverkauf, sondern langfristige Tragfähigkeit durch eine zukunftsfeste Entwicklung für die (Innen-)Stadt – ökologisch, sozial und finanziell. Viele Beispiele zeigen, dass die Weiterentwicklung bestehender Gebäude wirtschaftlich sinnvoll sein kann, wenn Förderprogramme, CO₂-Bepreisung und geringere Bauzeiten berücksichtigt werden. Auch die Ertragserwartungen sind an geplante Nutzungen anzupassen.
4. Nutzungsmischung und Gemeinwohl im Mittelpunkt
Die Immobilie in der Papenstraße bietet die Chance, die Bremer Innenstadt neu zu entwickeln: lebendig, vielfältig und für alle zugänglich. Zudem bietet der Bestand mit besonderen Gebäudeeigenschaften Raum für Ideen, die bei einem Neubau bisher von Seiten der Brestadt und der Bausenatorin keine Berücksichtigung finden. Wir wollen, dass nicht nur kommerzielle Flächen, sondern auch kulturelle, soziale und weitere gemeinwohlorientierte Nutzungen entstehen: Auch Sport und Wissenschaft sollen in der City Platz finden.
Dazu gehören Räume für Bildung und Wissenschaft, Begegnung und Bewegung, Kreativität und Teilhabe – sogenannte „Dritte Orte“, die Kultur, Bewegung, Nachbarschaft und Zusammenhalt fördern.
Ein solcher Nutzungsmix stärkt die Innenstadt dauerhaft und macht sie widerstandsfähiger gegenüber einseitigen Entwicklungen. Die Bremer City muss mehr sein als ein zentrales Einkaufszentrum des vergangenen Jahrhunderts und darf auch keine reine Schlafstadt werden – sie soll ein alltäglich und ganztägig lebendiges und lebenswertes Quartier werden, dessen Besuch sich ebenso lohnt wie das Wohnen und Arbeiten dort.
5. Ökologische und städtebauliche Qualität sichern
Jede bauliche Veränderung muss an dieser Stelle hohen ökologischen Standards entsprechen.
Dazu gehören:
- eine energieeffiziente Gebäudehülle und Flächen für erneuerbare Energien,
- die Nutzung nachhaltiger Baustoffe,
- Dach- und Fassadenbegrünung als Beitrag zum Stadtklima,
- und ein nachhaltiges Regenwassermanagement.
6. Baustellen stadtverträglich gestalten
Auch schon während der Bauphase muss darauf geachtet werden, dass Einzelhandel, Wohnen, Arbeit und Gastronomie in der Innenstadt keine jahrelangen Beeinträchtigungen erfahren. Eine kluge Baustellenlogistik und frühzeitige Kommunikation mit den Anliegern sind dafür unverzichtbar.
Deshalb spielen für uns auch Dauer und Ausmaß der Baustellen mitten in der Innenstadt eine wichtige Rolle bei Entscheidungen über deren Zukunft.
7. Beteiligung als Schlüssel
Die Zukunft der Kaufhof-Immobilie betrifft das Herz der Bremer Innenstadt – und damit viele Interessen.
Wir setzen uns für ein transparentes, dialogorientiertes Verfahren ein, das Bürger*innen, Fachleute, Innenstadtakteure und Kulturschaffende frühzeitig einbindet – ohne Vorfestlegungen.
Eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingt nur, wenn sie gemeinsam und offen gestaltet wird.
Unsere Pressemitteilungen zum Thema:
Mit neuen Wegebeziehungen beim Umbau der Kaufhof-Immobilie die City beleben
https://www.gruene-fraktion-bremen.de/presse/pressemitteilungen/mit-neuen-wegebeziehungen-beim-umbau-der-kaufhof-immobilie-die-city-beleben/
Grüne gegen Schnellschuss: Galeria-Gebäude nicht vorschnell zum Abriss freigeben
https://www.gruene-fraktion-bremen.de/presse/pressemitteilungen/gruene-gegen-schnellschuss-galeria-gebaeude-nicht-vorschnell-zum-abriss-freigeben/
Unsere Initiativen zum Thema:
Kleine Anfrage "Zukunft der Kaufhof-Immobilie – ökologische Bewertung, Wirtschaftlichkeit, Nutzungs-mix und Gemeinwohlorientierung"
http://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2025-10-13_Drs-21-649%20S_30de3.pdf
Frage in der Fragestunde der Oktober-Bürgerschaft:
https://www.gruene-fraktion-bremen.de/parlament/parlamentarische-initiativen/frage-kaufhof-gebaeude-chancen-fuer-zwischennutzungen/
Weiterführende Links zum Thema:
Die PwC-Studie Transformation der Innenstädte analysiert die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Umnutzung geschlossener Warenhäuser zu gemischt genutzten Mixed-Use-Immobilien als Beitrag zur nachhaltigen Belebung der Innenstädte:
https://www.pwc.de/de/real-estate/pwc-studie-transformation-der-innenstaedte.pdf
Die Baunetzwoche #653 – Im Kaufhausumbaurausch beleuchtet, wie in ganz Deutschland leerstehende Warenhäuser durch kreative Umbauten und neue Nutzungskonzepte – von Bildung und Kultur bis Wohnen und Büro – zu lebendigen Bestandteilen der Innenstädte transformiert werden, und zeigt als Fazit, dass mit ausreichend Mut, Kooperation und Ideenreichtum aus den Problemimmobilien wertvolle Impulse für die Stadtentwicklung entstehen können:
https://www.baunetz.de/baunetzwoche/baunetzwoche_ausgabe_9588763.html
Die Publikation Neueröffnung nach Umbau von StadtBauKultur NRW untersucht, wie leerstehende Warenhäuser und Einkaufscenter durch Umbau und Umnutzung revitalisiert werden können, und zeigt, dass der Erhalt und die Anpassung dieser Gebäude nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen und lebendigen Stadtentwicklung sind:
https://baukultur.nrw/site/assets/files/2189/stadtbaukultur_neueroeffnung_nach_umbau.pdf
Die Empirica-Studie Nachnutzung von Kaufhäusern untersucht den Umnutzungsprozess von Kaufhäusern in anderweitig genutzten Immobilien:
https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2024/03/Studie-Nachnutzung-von-Kaufhausern-fur-Wohnen-empricia-im-Auftrag-des-ZIA.pdf
Die prämierte Bachelor-Arbeit Stadt – Raum – Hybrid Topologie des Alltäglichen befasst sich mit einer möglichen Umnutzung der Bremer Kaufhof-Immobilie:
https://www.baunetz-campus.de/campus-masters/stadt-raum-hybrid-9602014