Kunst und Kultur

Junge und kreative Impulse für den Weg aus der Krise: Wie kulturelle Stadtentwicklung konkret umgesetzt werden kann – ein 10-Punkte-Plan

Künstlerin by jacoblund (iStock)

Künstlerin by jacoblund (iStock)

Problemaufriss

Bremen bietet für junge Menschen durchaus Vieles, auch wenn es immer noch besser werden kann: gute Ausbildungsplätze, bezahlbare Wohnungen, interessante Studiengänge, viel Grün und schöne Orte am Wasser. Gleichwohl zieht es viele junge Menschen eher in Städte wie Münster, Leipzig, Hannover, Köln. Dies wurde durch die Schwarmstadtstudie gut belegt. Umzugskartons sind schnell gepackt und zwischen Ausbildung und Beruf, zwischen Bachelor und Master oder zwischen zwei Jobs gibt es viele Gelegenheiten zu überlegen, in welcher Stadt man leben möchte. Einer der Gründe für die niedrige Anziehungskraft Bremens auf jüngere Menschen und Kreative ist, dass sie in Bremen bislang zu wenig Orte und Möglichkeiten erkennen, die Stadt mitzugestalten, die Stadt zu prägen, Stadt zu machen. Orte, an denen ihre Ideen auf fruchtbaren Boden fallen. Das kreative Potenzial, das hieraus entstehen könnte, wird in Bremen nicht genügend realisiert. In Zeiten des Wandels, des Fachkräftemangels und der Innenstadt-Krise, sind es aber genau diese Impulse, die Bremen braucht. Politik ist gefordert, hier aktiv zu werden und die Attraktivität Bremens für diese Bevölkerungsteile bewusst zu steigern.

Denn Bremen genießt unter jungen Menschen zwischen ca. 20 und 35 Jahren im bundesweiten Vergleich leider noch kein besonders hohes Ansehen. Während es anderen Städten gelingt, durch attraktive Szenestadtteile oder eine stark ausgeprägte subkulturelle Kulturlandschaft und damit einhergehende Experimentierräume junge Menschen anzuziehen, trägt Bremen leider bislang keines der Merkmale dieser Schwarmstädte. Auch die vielen Studierenden in Bremen ziehen nach ihrem Studienabschluss größtenteils und überproportional im Vergleich zu anderen Städten aus Bremen weg. In dem Wissen, dass es sich bei dieser Altersgruppe um eine im Allgemeinen sehr mobile und weltoffene Bevölkerungsgruppe handelt, kann davon ausgegangen werden, dass diejenigen jungen Menschen, die besonders geeignet und willens sind, Bremen mit ihren Impulsen aus der Krise zu helfen, auch diejenigen sind, die sich ohne entsprechende Standortqualitäten schnell für andere Städte entscheiden.

Für junge Menschen und kreative Macher*innen muss in Bremen also mehr passieren. Wenn es sieben Jahre und mehr dauert, einen bundesweit bekannten Club wie das „Zucker“ zu eröffnen, wenn Kulturprojekte wie das „Irgendwo“ oder die „Komplette Palette“ viel zu lange um ihre Existenz bangen müssen, oder wenn bedeutsame Orte wie der Güterbahnhof in endlosen Zwischennutzungsverträgen festhängen, dann sendet Bremen die falschen Signale. Das Signal nach außen muss doch sein: Kommt nach Bremen, bleibt in Bremen, hier könnt ihr euch einbringen, hier ist es spannend und hier haben auch Ideen abseits des Mainstreams ihren Platz! Am besten senden wir dieses Signal, wenn wir dauerhafte Orte für Projekte junger Menschen schaffen, in der Innenstadt und auch in anderen Stadtteilen. Dafür braucht es neben den etablierten und erfolgreichen Institutionen der Hochkultur, aber eben auch – besonders in diesen Zeiten der Veränderung – die jungen Impulse.

Um diese zu ermöglichen, muss Kultur schon auf Ebene der Bauleitplanung mitgedacht werden und sich in der Flächen- und Raumvergabe fortsetzen. Auch müssen wir den Akteur*innen auf Augenhöhe begegnen, denn sie sind es, die unsere Stadt spannend und lebenswert machen. Gleichzeitig dürfen wir nicht erwarten, dass diese Akteur*innen allesamt Verwaltungsjurist*innen und Baurechtsexpert*innen sind. Vielmehr müssen wir als Stadt Katalysator sein. Das heißt: Die konkrete Gestaltung übernehmen die Kreativen aus Kunst und Kultur – wir schenken ihnen unser Vertrauen und tun unser Möglichstes, um zu ermöglichen. Indem wir beraten, unterstützen, (Frei-)Räume schaffen und Flächen zur Verfügung stellen für Festivals, Ateliers, Clubs, Gemeinschaft und Experimente. Nicht zuletzt müssen wir uns auch daran gewöhnen, dass diese Dinge Geld kosten. Zwischen Subkultur, junger Szene und Hochkultur besteht ein sehr ungleiches Verhältnis. Von Summen wie sie beispielsweise nun im Falle der Glocke besprochen werden, können Subkultur, Clubkultur, junge Akteur*innen und kreative Macher*innen in Bremen bisher nur träumen – dabei wäre es ein mutiger, und notwendiger Schritt in Richtung kultureller und nachhaltiger Stadtentwicklung, hier mal einen anderen Schwerpunkt zu setzen. Deshalb soll dies ein Aufschlag sein, wie man konkret neue Schritte der kreativen Veränderung gehen kann.

Relevanz für den ökonomischen Strukturwandel

Dass junge Menschen nicht nach Bremen kommen und nicht hier bleiben, macht sich ganz konkret bemerkbar in den Problemen vieler Unternehmen, qualifizierte Fachkräfte zu finden bzw. gut ausgebildete Absolvent*innen im Land zu halten. Auch die Studierendenzahlen werden stark durch die empfundene Lebensqualität beeinflusst. Nach der Pandemie wird der Fachkräftemangel erneut das größte Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bundeslandes sein. Durch die coronabedingt ausbleibende Zuwanderung könnte sich dieses Problem sogar in einigen Bereichen noch verschärfen. Besonders wenn Bremen verstärkt an der Transformation hin zu innovationsgetriebenen Wirtschaftszweigen, zu Dienstleistung und Forschung teilhaben will, muss die Frage, wie man junge und kreative Menschen von Bremen als Lebensmittelpunkt überzeugen kann, ins Zentrum rücken. Die kürzlich erschienene Studie von IW-Consult unterstreicht die Relevanz der Bevölkerungsstruktur und die Defizite Bremens erneut. Dort wird festgestellt, dass das Land Bremen nur ein Viertel so viele junge Menschen im Alter zwischen 25-30 Jahren anzieht wie der Durchschnitt der Großstädte. Dies schlägt sich auch in der niedrigen Gründungsintensität Bremens nieder.

Relevanz für den ökologischen Wandel

Städte, die sich als Lebensraum begreifen, die Kultur als wesentlichen Bestandteil der Stadtentwicklung denken, die bewusst auf Aufenthalt im Freien setzen, die jungen Menschen Raum für ihre Innovationen – seien sie wirtschaftlicher, künstlerischer oder sozialer Art – geben, leisten zudem einen großen Beitrag für den ökologischen Wandel. Die Fokussierung auf Lebensqualität, die besonders in den Innenstädten durch eine Beschränkung auf Warenkonsum schon lange verlorengegangen ist, kann durch kreative Impulse wieder neu betont werden. Mit der Hilfe kreativer Stadtmacher*innen und Künstler*innen ist es möglich, im Bestand Neues zu verwirklichen und dadurch graue Energie zu sparen, die Stadt auf der Basis anderer Werte neu zu erfinden. Lebenswerte Städte leisten so einen Beitrag zur Entkoppelung des Wohlstands vom Ressourcenverbrauch.

Relevanz für den gesellschaftlichen Wandel

Fernab eines Verständnisses als Standortfaktor befördert kulturelle Stadtentwicklung gesellschaftlichen Wandel und stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt. Neben den kulturellen Inhalten setzen die hier aktiven Akteur*innen sich häufig im Rahmen von zivilgesellschaftlichem Engagement für Anti-Diskriminierung, Anti-Faschismus und eine nachhaltige Entwicklung ein. Diese Akteur*innen machen Bremen bunt und lebenswert. Die von ihnen geschaffenen Heterotopien kontrastieren bestehende Normen und Verhältnisse, sie bilden Reallabore des Wandels und der Innovation; angefangen von der Nutzung neuer Medien, über Do It Yourself (DIY) und SecondHand bis zur Wiederbelebung brach gefallener Orte als gemeinschaftlich genutzte Räume. So kann die Wandlungsfähigkeit und Resilienz Bremens gestärkt werden. In der aktuellen Krise wird deutlich, wie wichtig dies ist. Da wir uns unweigerlich in Zeiten großer Transitionen, großen Wandels befinden, ist es erforderlich, diese Fähigkeiten politisch zu adressieren.

Kreative Akteur*innen von Corona besonders betroffen

Gerade die Akteur*innen, von denen viele kreative und innovative Impulse kommen, wurden von der Pandemie am härtesten getroffen. Während es im Wesen dieser Impulse liegt, mit Unsicherheit umzugehen, hat die Pandemie diese Fähigkeit überstrapaziert – weniger Gründungen, weniger Experimente und weniger Möglichkeiten zu gestalten sind die Folge. Auch die Initiativen, kreativen Gruppen, Kollektive, Vereine und Unternehmen, die hinter Projekten wie Galerien, Clubs, urbanen Laboren, Raumexperimenten, Ateliers usw. stehen, sind äußerst stark betroffen. Einige von ihnen haben nun seit März 2020 geschlossen und erzielen keine Einnahmen. Neben monetären Verlusten sind auch die Möglichkeiten der Kreativität stark eingeschränkt. Gerade die Interaktion dieser Projekte mit der Stadtgesellschaft, gerade dieser Faktor, der so entscheidend für urbane Entwicklung ist, wurde im Kern getroffen. Wie in anderen stark betroffenen Bereichen, ist auch hier ein Braindrain in andere Branchen und damit oft auch in andere Städte verbunden.

10 Maßnahmen für ein kreatives Bremen

Sowohl für die Bewältigung der Krise, als auch für die langfristige Entwicklung Bremens müssen nun die Weichen gestellt werden, hin zu mehr kreativen Impulsen, zu mehr kultureller Stadtentwicklung. Folgende 10 Maßnahmen sind hier als ein erster Schritt erforderlich:

1. Schaffung dauerhafter Festivalflächen für größere Open-Air-Veranstaltungen

Lebensqualität wird vom Frühling bis in den Herbst stark von attraktiven Orten unter freiem Himmel und vom Veranstaltungsangebot in den Städten geprägt. In Kooperation mit Akteur*innen der Kulturszene und Veranstalter*innen sollen eine oder mehrere Flächen mit dauerhaft vorhandener Infrastruktur entstehen, auf denen in den warmen Monaten ein diverses Spektrum an Veranstaltungen stattfinden kann. Mögliche Orte könnten im Umfeld des Stadtwaldsees zu finden sein. Auch die alte Justizvollzugsanstalt sollte intensiv auf ihre Eignung geprüft werden. Daneben braucht es einen Suchprozess nach weiteren geeigneten Geländen. Dort, wo Nutzungen auf topografisch attraktiven Flächen auslaufen, sollte das Potenzial geprüft werden. Auch Kooperationen mit dem niedersächsischen Umland – beispielsweise im Zuge der Konversion der Lützow-Kaserne bei Schwanewede – bieten Chancen. Gerade weil Nutzungen dieser Art nicht mit umfangreichen Versiegelungen einhergehen und naturschutz-verträglich organisiert werden können, sind sie eine wertvolle Ergänzung.

2. Dauerhafte Orte für kreative Impulse – auch in der Innenstadt

Zwischennutzungen sind durchaus geeignet, kreative Impulse in die Innenstadt zu integrieren. Doch nimmt man die Herausforderung eines dauerhaften Wandels an, hin zu einer Innenstadt, die nicht nur für Shopping-Interessierte attraktiv ist, muss es auch dauerhafte Orte und Freiräume für kulturelle und kreative Aktivitäten geben, draußen wie drinnen. Dabei muss es vor allem darum gehen, jene kulturellen Nutzungen anzusiedeln, die bisher noch nicht vertreten waren – mehr vom Selben wird keinen großen Unterschied machen. Die Innenstadt war schon vor Corona kaputt. Es geht gerade darum, Kontraste zum bereits Vorhandenen zu setzen. Junge, kreative und subkulturelle Nutzungen könnten hierzu eine Chance sein.

Dort, wo erfolgreiche Konzepte entstehen, müssen diese auf dem Weg ihrer Etablierung unterstützt werden. Das gilt zum Beispiel für das „Irgendwo“ und aktuell auch insbesondere für den Güterbahnhof – dort muss dauerhafte Planungssicherheit endlich ermöglicht werden. Nur so können Investitionen in die Infrastruktur und die noch bessere Nutzbarkeit des Geländes getätigt werden. Das in der Umgebung liegende Jakobushaus soll ebenfalls für künstlerische und kreative Nutzungen ertüchtigt werden, wenn möglich im gesamten Gebäude. Den darin bereits ansässigen Künstler*innen aus dem Zuckernetzwerk beziehungsweise Para-Kollektiv soll dabei eine Nutzung mindestens im aktuellen Umfang weiter zugesichert werden. Wenn erfolgreiche kreative Zwischennutzungen wegfallen und eine Umnutzung trotz allem nicht möglich ist, müssen Alternativen gefunden und abgesichert werden.

3. Kultur überall möglich machen

Kultur braucht ihren Platz in der Mitte der Stadt, in den Quartieren und teilweise auch in den Gewerbe- sowie Industriegebieten. Die jeweils benötigten Flächen fallen im Vergleich quantitativ kaum ins Gewicht, bieten qualitativ jedoch die Chance, brachgefallene Gebäude und Flächen (wieder) zu beleben. An vielen Stellen werden Ansiedelungen aber durch eng gefasstes Planungsrecht erschwert. Kultur sollte jedoch nicht nur als begründete Ausnahme in Einzelfällen ermöglicht werden, sondern sie sollte erstmal überall prinzipiell zulässig sein. Bedenken wie jene des Lärmschutzes oder anderer immissionsschutzrechtlicher Bestimmungen müssen dabei natürlich vollumfänglich berücksichtigt werden. Instrumente wie der beschlossene, aber noch ausstehende Schallschutzfonds müssen zügig umgesetzt werden. Das prinzipielle Lärmproblem einer Stadt ist jedoch nicht die Kultur, sondern hauptsächlich der automobile Individualverkehr. So wichtig die Verträglichkeit kultureller Vorhaben also ist, die Reduzierung des Stadtlärms sollte man nicht alleinig auf sie abwälzen, sondern stattdessen die wirklichen Lärmprobleme der Stadt angehen. Die nutzungsdurchmischte Stadt ist die Stadt der Zukunft. Diesem Gedanken folgend sollten auch urbane Gebiete verstärkt ausgewiesen werden.

4. Entwicklung des Hohentorshafen als Kultur- und Kreativquartier unterstützen

Der Hohentorshafen ist aufgrund seiner Lage besonders für kreative Nutzungen geeignet. Die in den letzten Jahren vollzogenen erfolgreichen Ansiedlungen stellen das unter Beweis. Mit Förderungen und baurechtlichen Rahmensetzungen sollten diese Entwicklungen unterstützt werden. Das Bild einer Stadt am Wasser kann dort durch Kultur und Kreatives im Umfeld des Hafenbeckens besonders gut zum Tragen kommen. Die Nachbarschaft von produzierendem Gewerbe und Kreativwirtschaft hat sich dort bewährt und sollte auch in Zukunft nicht durch Wohnnutzungen an ihrer Entwicklung gehindert werden. Eine Experimentierfläche nach dem Vorbild des Platzprojekts in Hannover könnte hier niedrigschwellig Gründungen aus der Kreativwirtschaft und künstlerische Impulse ermöglichen.

5. Belebung der Parks und der öffentlichen Grünflächen

In Zusammenarbeit mit den Stadtteilbeiräten können die Parks zu sommerlichen Wohnzimmern der jeweiligen Stadtteile werden. Gerade in Zeiten der Pandemie wurde uns als Gesellschaft noch einmal eindringlich vor Augen geführt, wie wertvoll und wichtig öffentliches Grün für uns ist. Mehr Möglichkeiten für die sportliche Betätigung, wie z.B. Racks, Slackline-Pfeiler, Tischtennisplatten usw., mehr Sitzgelegenheiten auch für Gruppen, ausgewiesene Grillflächen, mehr Mülleimer und einzelne Lichtinseln für den Abend, sind geeignet, die Parks nutzbarer zu machen. An einigen Stellen sind ausgewiesene Orte für Kulturveranstaltungen auch über die Pandemie hinaus sinnvoll. 

6. Implementierung einer zentralen Stelle für subkulturelle und kreative Projekte

Kreative Projekte befinden sich häufig an der Schnittstelle von Kultur und Wirtschaft, und oft sind auch weitere Bereiche, wie Soziales oder Wissenschaft, angesprochen. Mindestens ebenso komplex sind die Möglichkeiten der Förderung – von der Beiratsebene bis zur EU bieten sich viele Möglichkeiten. Sollten die Projekte ortsgebunden sein, stellen sich zudem baurechtliche und genehmigungsrechtliche Fragen. Diese Fragen berühren also üblicherweise mehrere Ressorts und unterschiedliche Fachebenen und Abteilungen, was eine Umsetzung in der Praxis um ein Vielfaches erschwert. Damit Akteur*innen ihre Ideen in Bremen einfacher und unbürokratischer einbringen können, werden dringend zentrale Ansprechpartner*innen für diese Fragen benötigt.

7. Wiederbelebung des Runden Tisches „Subkultur“

Um den direkten Austausch zwischen allen Beteiligten Akteur*innen aus Subkultur, Verwaltung, Politik und Verbänden zu fördern, soll schnellstmöglich der Runde Tisch „Subkultur“ in bisheriger Besetzung wieder stattfinden – also mit den betroffenen Kulturakteur*innen und Vertreter*innen aus dem Kulturressort, SKUMS und SWAE, je nach Projekt- und Themenlage auch anderen zuständigen Ressorts sowie deren Abteilungen, wie UBB und WfB, und den politisch Zuständigen. Eine dauerhafte Etablierung dieser Kommunikationsstruktur ist notwendig, um den möglichen Problemen der kreativen Projekte und Initiativen gerecht zu werden, Lösungen zu finden und zu ermöglichen, statt zu verhindern. Die Koordination sehen wir vorerst im Kulturressort angesiedelt, wo auch schon andere Arbeitsrunden erfolgreich etabliert und koordiniert wurden. Langfristig kann dies durch die unter Punkt 6 vorgeschlagene Instanz stattfinden.

8. Reformierung der Flächen- und Raumvergabe

Um die oben beschriebenen Potenziale für Bremen zu realisieren, ist ein allzu enges Verständnis von Wirtschaftsförderung bei der Vergabe von Flächen und Immobilien nicht zuträglich – es verhindert die Ansiedlung kreativer Impulse, die es gerade jetzt so dringend braucht. Im Gegenteil muss durch auch für Künstler*innen und Kreative erschwingliche Räumlichkeiten gezielt eine Ansiedlung dieser Milieus begünstigt werden. Die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) bemüht sich bereits, durch die Förderung überregional sichtbarer (Kultur)Veranstaltungen, Aufmerksamkeit auf Bremen zu lenken. Ein ergänzender Ansatz der besonders die Raum- und Flächenvergabe in den Blick nimmt, ist aber dringend erforderlich. Kreatives, Kulturelles, manchmal auch Unkonventionelles, Experimentelles und Nicht-Kommerzielles zu fördern, sollte daher ergänzend als Zweck, neben der Förderung des Tourismus und des Stadtmarketings, in den Auftrag der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) aufgenommen werden. Diese wichtige Aufgabe für die Stadt sollte auch bei den anstehenden Besetzungen an der Spitze der WFB bedacht werden. Damit bei der Planung von Quartieren Kultur-, Frei- und Begegnungsräume berücksichtigt werden, muss zudem schnell das Instrument der Konzeptvergabe auf den Weg gebracht werden.

Für temporäre Nutzungen hat Bremen mit der ZwischenZeitZentrale bereits ein gutes Instrument gefunden. Temporäre Nutzungen sind ein wichtiger Teil von kultureller Stadtentwicklung, doch diese muss darüber hinausgehen und feste Orte etablieren.

9. Absicherung der Vernetzungsbemühungen in der Kultur-, Kreativ-, Kneipen- und Clubszene

So wie die Ressortaktivitäten einer Bündelung und Vernetzung bedürfen, so ist dies auch innerhalb der Szenen essentiell. Darum müssen vorhandene Verbände verlässlich gefördert und Vernetzungsveranstaltungen verstärkt unterstützt werden. Die anstehende Einführung eines Popbüros wird ein wichtiger Schritt hierzu sein. Gezielte Förderung von Vernetzungsveranstaltungen des Typus „UpStage Festival“ können ebenfalls dazu beitragen, sowohl die Sichtbarkeit der Szene in Bremen als auch über die Landesgrenzen hinweg zu stärken.

10. Ausbau des Förderprogramms für die junge Szene und Subkultur

Junge Kulturprojekte und subkulturelle Akteur*innen haben es oft schwer an Förderung zu gelangen. Bestehende Antragsverfahren sind oft nicht niedrigschwellig genug, um die kreativen, weniger formalisierten Akteur*innen anzusprechen. Im Bestreben, diese Hürde herabzusetzen, wurden die neuen Fördertöpfe „Junge Szene“ und „Subkultur“ eingeführt. Die beeindruckende Antragslage der ersten Antragsrunde – in der insgesamt ein Vielfaches des Fördervolumens beantragt wurde – zeigt, dass hier unfassbar viele Ideen vorhanden sind. Um ihr Potenzial für Bremen zu verwirklichen, muss die Förderung ausgeweitet werden.

Weichenstellungen müssen sofort beginnen

Positiv ist festzuhalten, dass es in den Köpfen der Bremer*innen in Stadt und Land sicher nicht an kreativen Ideen mangelt – im Gegenteil. Verbesserungspotenzial, besonders wenn es um den Umgang mit jungen kreativen Macher*innen geht, muss jedoch im Interesse der zukünftigen Entwicklung schnell realisiert werden. Lange Kämpfe um Räume und Flächen schrecken Akteur*innen ab. Das Vertrauen, das hier verlorengegangen ist, muss erstmal wieder aufgebaut werden – zum einen durch Wertschätzung, zum anderen aber vor allem durch konkrete Schritte, durch sichtbare und erfahrbare Veränderungen der Prozesse und Strukturen.

Damit der hier skizzierte Pfad zügig beschritten werden kann, muss bereits bei den finanziellen Bemühungen zur Bewältigung der Krise die besondere Betroffenheit junger, kreativer, kultureller Akteur*innen bedacht werden. Die langfristige Stadtentwicklung und die Bewältigung der Krise müssen auch hier als zwei Seiten derselben Medaille verstanden werden.

Vor dem Hintergrund der konjunkturellen Abkühlung und sinkender Steuereinnahmen wird offenbar, dass es auch in Zukunft nur wenig finanziellen Spielraum gibt. Es bedarf daher einer Schwerpunktsetzung, die zur Kenntnis nimmt, dass gerade dieser Bereich der kulturellen Stadtentwicklung mit jungen und kreativen Akteur*innen bisher zu wenig Berücksichtigung gefunden hat. Dies gilt quer über die Einzelpläne aller beteiligten Ressorts hinweg. Vor diesem Hintergrund müssen in den Haushalten neben hochkulturellen Prestigeprojekten insbesondere auch die Impulse und die Arbeit junger, subkultureller Akteur*innen gleichwertig gefördert werden. Ähnliches gilt für die Maßnahmen zur Bewältigung der Innenstadt-Krise. Dort sollte verstärkt Vertrauen in die Fähigkeiten kreativer Akteur*innen gesteckt werden – sowohl bei der Mittelvergabe als auch in der Zusammensetzung der Beratungsgremien. Es kann nicht sein, dass jedes neu ins Leben gerufene Gremium zur vermeintlichen Rettung Bremens immer wieder nur aus denselben Akteur*innen besteht – so wird es keine neuen und keine nachhaltigen Impulse geben. Eine Zukunftskommission oder ein Innenstadtgipfel ohne die Beteiligung junger, kreativer, experimentierfreudiger, mutiger Menschen verschenkt Zukunftspotenzial – noch bevor es die Gelegenheit hatte, auf sich hinzuweisen. Mehr vom Üblichem wird Bremen nicht zu einer attraktiven Schwarmstadt machen. Es müssen in Bremen endlich die Weichen gestellt werden für junge Menschen und kreative Akteur*innen, es müssen endlich die konkreten Schritte zur Umsetzung kultureller Stadtentwicklung gegangen werden.

Bremen, den 09. März 2021