Die Sitzungen im Oktober 2007

Die Sitzungen im Oktober 2007

Aus dem Landtag vom 18.Oktober 2007

Ein guter Tag für grüne Politik im Landtag: Ob mehr demokratische Partizipationsmöglichkeiten für Bürger, der Erhalt gentechnikfreier Landwirtschaft oder auch die Frauenförderung - in den Beschlüssen finden sich viele grüne Positionen wieder. Doch der Reihe nach.

Der Landtag hat auf Initiative von Rot-Grün nun einen parlamentarischen Ausschuss eingesetzt, um das Bremer Wahlrecht zu reformieren. Das Gremium soll unter anderem prüfen, ob künftig auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen können. Unklar ist beispielsweise noch, ob das auch bei den Landtagswahlen rechtlich zulässig ist.  Hier lebende Migrantinnen und Migranten egal welcher Staatsangehörigkeit sollen die Möglichkeit erhalten, an den Wahlen zur Stadtbürgerschaft und Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung teilzunehmen. Der Ausschuss beschäftigt sich ferner mit der Frage, ob das Wahlrecht für EU-Bürger auf den Landtag ausgeweitet werden kann. Zudem soll er niedrigere Hürden für Volksentscheide und Volksbegehren erarbeiten. 2002 war ein Gesetzentwurf der Grünen zur Reform der Volksgesetzgebung noch gescheitert, doch mittlerweile haben offenbar auch andere Parteien nachgedacht. Und sind zu der Einsicht gelangt, dass Volksgesetzgebung ein "Korrektiv zur Regierung" und einen Beitrag zur "lebendigen Demokratie" darstellt, wie der Grünen-Abgeordnete Hermann Kuhn hervorhob. Nur der CDU erscheint ein hohes Maß an demokratischer Partizipation von Bürgern weiterhin äußerst verdächtig. Das D in ihrem Namen entpuppte sich in der Debatte als bloßer Buchstabe ohne allzu gewichtigen Inhalt: 16-Jährige halten die Christdemokraten offenbar für zu unreif, um den Landtag wählen zu dürfen. Und Migranten sollen ihrer Meinung  nach schon gar nicht wählen dürfen - könnte ja ihrer Integration zu förderlich sein . . .

Ebenso reflexhaft war die christdemokratische Moserei in puncto Frauenförderung. Doch Aufhalten konnten die Konservativen den erfolgreichen Antrag der Koalition nicht, der die Frauenförderung fortan auch in den Satzungen und Gesellschaftsverträgen der Bremischen Gesellschaften sowie Unternehmen mit öffentlicher Mehrheitsbeteiligung verankert. Sie müssen künftig unter anderem Frauenförderpläne erstellen, bei gleicher Eignung bevorzugt Bewerberinnen einstellen und ihre Ausbildungsplätze gemäß der Geschlechterquotierung vergeben.

Deutlich ist die Handschrift von Bündnis 90/Die Grünen auch bei der Aufforderung an den Senat zu erkennen, in Bremen für den Erhalt gentechnikfreier Landwirtschaft zu werben. Schließlich gefährden transgene Nutzpflanzen auf den Feldern nicht nur die Erzeugung gesunder Lebensmittel, sondern auch die Artenvielfalt in ökologisch wertvollen Gebieten. Über 70 Prozent der Verbraucher wollen ohnehin keine Gentechnik auf ihren Tellern. "Gen-Food nein danke. Keiner will's, keiner brauch's, Gentechnik im Essen ist teuer und riskant", unterstrich die für Verbraucherschutz zuständige Sprecherin der Grünen-Fraktion Karin Mathes. Diesen Argumenten mochte sich selbst die CDU nicht entziehen und stimmte wie alle übrigen Fraktion dafür, dass der Senat nun den Kontakt zu Landwirten sucht. Der Senat soll darauf hinwirken, dass hiesige Landwirte auf den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen und Nutzpflanzen verzichten. Bremen könnte über freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen zur gentechnikfreien Region werden. Mit solchen Erklärungen verpflichten sich Landwirte unter anderem, wissentlich kein gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzgut einzusetzen und anzubauen.

 

Aus dem Landtag vom 17. Oktober 2007

Ein Fachausschuss der Bildungsdeputation soll bis zum Sommer nächsten Jahres unvoreingenommen ein Schulentwicklungskonzept erarbeiten. Auf Initiative von Rot-Grün hat der Landtag diesen Ausschuss nun auf den Weg gebracht. Die zentralen Ziele sind eine bessere Unterrichtsqualität, längeres gemeinsames Lernen, die Entkoppelung von sozialer Herkunft und Schulerfolg sowie die individuelle Förderung von Schülern an allen Schulformen. Die verbesserte Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, der Ausbau von Ganztagsschulen sowie die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern  gehören ebenso dazu. Neben Politikern sollen dem Fachausschuss auch Vertreter von Eltern, Lehrern und Schülern angehören, um eine überparteiliche und offene Diskussion zu ermöglichen. Zuvor hatten alle anderen Fraktionen einen CDU-Antrag abgelehnt, der statt des Ausschusses eine Enquete-Kommission vorsah. Damit wollten die Christdemokraten der Koalition angeblich "die Hand reichen", wie CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp sagte, um während der Debatte dann aber doch erstmal den Fehdehandschuh zu werfen: Eine "Kriegserklärung" sei das, was in der Koalitionsvereinbarung über Bildung zu lesen sei, die Bildungspolitik daher das "Schlachtfeld" der Opposition. Die christdemokratische Keule, ein 2-Säulen-Modell von durchgängigem Gymnasium und Gesamtschulen, wehrte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion Anja Stahmann indes mühelos ab. "Die soziale Spaltung nach Herkunft der Schüler wird dadurch aufrechterhalten", erklärte sie mit dem Verweis auf eindeutige Studien. Ziel der Bildungspolitik müsse hingegen sein, die Koppelung zwischen sozialer Stellung und Bildungschancen abzubauen. Auch müsse jedem Schüler die Förderung zukommen, die er braucht. "Ob Schnell- oder Langsamlerner: Alle haben einen Anspruch auf Förderung", stellte Anja Stahmann klar. Und sie versicherte ebenfalls, dass Rot-Grün die Gymnasien nicht dichtmachen, sondern weiterentwickeln will. Die Christdemokraten kündigten schließlich an, im Fachausschuss "konstruktiv mitarbeiten" zu wollen. Ob sie nicht eigentlich "kontraproduktiv" meinten, bleibt abzuwarten . . .

Im Gegensatz zur Bildungsdebatte hat der Landtag einmütig ein Zeichen gegen aggressives Telefonmarketing gesetzt. Der Senat soll nun eine Bundesratsinitiative starten, um eine geplante Gesetzesnovelle noch wirksamer zu machen. Die Direktwerbung per Telefon ist zwar ohne vorheriges Einverständnis der Verbraucher ohnehin verboten. Aber manche Unternehmen der Call-Center-Branche beachten das nicht. "Die ziehen gerade alte Menschen verantwortungslos über den Tisch", so die die für Verbraucherschutz zuständige Sprecherin der Grünen-Fraktion Karin Mathes.  Bislang sieht die geplante Novelle unter anderem ein Widerrufsrecht der Verbraucher und ein Bußgeld von 50.000 Euro für unerlaubte Anrufe vor. Der Senat soll nun im Bundesrat darauf hinwirken, dass Verbraucher auch selbst klagen dürfen und die Verträge, die aus Werbeanrufen resultieren, einer schriftlichen Bestätigung des Verbrauchers bedürfen.

Aus der Stadtbürgerschaft vom 16. Oktober 2007

Vom Regieren hat die CDU schon nichts verstanden, von der Oppositionsarbeit aber offenbar ebenso wenig: In der aktuellen Stunde zur illegalen Schule am Körnerwall haben die Christdemokraten versucht, sich als ahnungslose Unschuldslämmer zu stilisieren. Von nichts gewusst? Von wegen, klärte der vormalige Bildungssenator Willi Lemke auf. Schließlich hatte er den bildungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion beim Auffliegen der "Undercover"-Schule zu Jahresbeginn umgehend informiert. Eine "Veralberung der Öffentlichkeit und des Parlaments" warf die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion Anja Stahmann den Christdemokraten folgerichtig vor, die in dieser aktuellen Stunde keine sachlich fundierte Oppositionsarbeit erkennen ließen. Die Grünen haben das Wissen um die Panne in der Bildungsbehörde übrigens während des Wahlkampfes nicht für eine solche Klamauknummer missbraucht, schließlich sollte eine Lösung im Sinne der Kinder gefunden werden. Fortan soll das neue Meldeabgleichsystem einen ähnlichen Vorfall ausschließen, wie Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper mitteilte.

Ganz sachlich auf die Jüngsten bedacht, herrschte aber anschließend zumindest in puncto "Kita Andernacher Straße" eine parteienübergreifende Eintracht. Einstimmig forderte die Stadtbürgerschaft den Senat auf, einen unzumutbaren Zustand zu beenden: Nachdem die Kita im Januar 2004 abgebrannt war, sind die Kinder übergangsweise in einem - inzwischen maroden - Gebäude an der Schevemoorer Heide untergekommen. Jetzt soll der Senat den zwischenzeitlich vernachlässigten Plan für eine Dauerlösung umsetzen. Demnach sollen die Kinder in das Horthaus von St. Petri umziehen, während die Pökse aus dem Horthaus wiederum in der Schule am Pfälzer Weg untergebracht werden sollen. Die erforderlichen Umbauarbeiten soll der Senat nun umgehend einleiten. Außerdem sollen die Kinder, die momentan im Gebäude an der Schevemoorer Heide betreut werden, jetzt zunächst so untergebracht werden, dass ihre Gesundheit auch in den Wintermonaten nicht gefährdet ist.