Die Sitzungen im Dezember 2007

Die Sitzungen im Dezember 2007

Aus dem Landtag vom 13. Dezember 2007

Heute fasste die Bremische Bürgerschaft u. a. drei wegweisende und das Leben in Bremen und Bremerhaven stark beeinflussende Beschlüsse. Beim ersten führten die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN ein neues Selbstbewusstsein fort, das schon beim Radio-Bremen-Gesetz begonnen hatte: Bislang war es nämlich üblich, dass Gesetze vom Senat dem Parlament zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt wurden, unter Rot-Grün wird der Begriff "Legislative" (also das Parlament als gesetzgebende Institution) wieder ernster genommen.

Der erste, heute in 1. Lesung beschlossene Gesetzesantrag lautete "Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe" und ändert das bestehende Vergabegesetz. Ziel dieses Gesetzes ist es, Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen. Es mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Öffentliche Auftraggeber sollen künftig Aufträge über Baumaßnahmen  und Dienstleistungen (einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs) nur noch an Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen – das heißt, auswärtige Firmen, die in Bremen öffentliche Aufträge erhalten, aber beispielsweise in England andere Löhne zahlen. Und sie sollen soziale Mindeststandards erfüllen. Das Gesetz wird bis zur endgültigen 2. Lesung in den Deputationen für Wirtschaft, Bau und Arbeit beraten, wobei auch noch Anhörungen mit den betroffenen Verbänden stattfinden.

Dazu gehörend und zweiter wichtiger Beschluss ist der Koalitionsantrag "Gegen Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen – für eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung und Vergabe":Ob Bälle für den Schulunterricht, Pflastersteine oder Arbeitsbekleidung - das Land Bremen und seine Kommunen geben jährlich große Beträge für die Beschaffung von Gütern aus. Diese kommen oft von weit her und werden zum Teil unter katastrophalen Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und mit ausbeuterischer Kinderarbeit produziert. Mit diesem Missstand räumt der beschlossene Antrag auf, denn ein verantwortungsvolles Beschaffungswesen stellt auf staatlicher und kommunaler Ebene einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem sozial und ökologisch zukunftsfähigen Produktions- und Konsumverhalten dar. Über die landesrechtlichen Regelungen hinaus müssen auf Bundesebene bei der aktuellen Vergaberechtsreform, wie von den entsprechenden EU-Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe vorgesehen, soziale und ökologische Kriterien ausdrücklich zugelassen werden. In anderen Ländern (z. B. Bayern) und Kommunen (wie etwa Düsseldorf) wurden bereits entsprechende Beschlüsse gefasst und umgesetzt. Die neue rot-grüne Koalition in Bremen hat sich in ihrem Koalitionsvertrag ebenfalls auf die Entwicklung und Anwendung fairer und ökologischer Kriterien geeinigt.

Der dritte Beschluss war denn auch der einschneidenste und strittigste: das Nichtraucherschutzgesetz. Ziel des Gesetzes ist ein wirksamer Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Hierzu soll in abgeschlossenen Räumen an öffentlich zugänglichen Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten, ein Rauchverbot gelten. Hinweise aus anderen Ländern haben gezeigt, dass sich der Gesundheitszustand, z. B. von Beschäftigten in Gastronomiebetrieben, nach Einführung von Rauchverboten in kurzer Zeit erheblich verbessert haben soll. Bemühungen, auf freiwilliger Basis einen wirksamen Nichtraucherschutz zu erreichen, haben nicht in allen Bereichen ausreichenden Erfolg erzielt.
Es gibt allerdings Ausnahmen vom Rauchverbot: In Kneipen, Restaurants, Cafés , Discotheken und Hotels sowie bei Veranstaltungen wie dem Bremer Sechstagerennen darf demnach künftig noch in abgetrennten Räumen geraucht werden. Wobei uns Grünen aus Gerechtigkeitsgründen und wegen der Wettbewerbsnachteile für "Einraum-Gaststätten" oder solchen Kleinbetrieben, die nicht über die Mittel zur Umgestaltung ihrer Gaststätte verfügen, ein generelles Verbot besser erschienen wäre.

Aus dem Landtag vom 12. Dezember 2007

Einen Schritt weiter bei der Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften (gleichgeschlechtlicher PartnerInnen) mit der Ehe sind wir mit einem heute beschlossenen rot-grünen Antrag. Jetzt ist der Senat aufgefordert – und, wie Staatsrat Mützelburg betonte, wird der Senat alles dafür tun –, im Bundesrat die Initiative zu ergreifen, die immer noch bestehende Ungleichbehandlung von Lesben und Schwulen gegenüber Nichtlesben und Nichtschwulen im Institut der Ehe bei der Erbschaft- und Einkommensteuer aufzuheben.
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat dürften bekannt sein, dementsprechend auch die Chancen für rot-grüne Initiativen aus Bremen. Deshalb fordern wir den Senat außerdem auf, die bestehenden landesrechtlichen oder kommunalen Regelungen zur Ehe bzw. Lebenspartnerschaft dahingehend zu überprüfen, ob sie ungleich behandelt werden, welche gesetzlichen Regelungen oder Satzungen durch Bürgerschaftsbeschluss eine Gleichstellung erfahren müssen bzw. welche Regelungen durch Verwaltungshandeln gleichgestellt werden bzw. warum weiterhin eine Ungleichbehandlung geboten ist.
Einzig die CDU-Fraktion, vertreten durch die Abgeordnete Elisabeth Motschmann, mochte diesem Ansinnen der rechtlichen Gleichbehandlung nicht folgen. Offensichtlich sind für sie Menschen, die das CDU-Weltbild nicht teilen, immer noch Menschen zweiter Klasse. Motschmann wedelte mit dem neuen Grundsatzprogramm der CDU, verteilte aber mit ihren Zitaten nur warme Luft: "Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen. Wir erkennen an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften."
Was Motschmann nicht zitierte: "Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung." – Und: "Staat und Gesellschaft dürfen aber den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben."
Warum die CDU einerseits gegen jede Form der Diskriminierung ist, aber andererseits im selben Atemzug sagt,  "Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie lehnen wir jedoch ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare." bleibt unverständlich. Auch auf Nachfrage, wie sie die rechtliche Ungleichbehandlung inhaltlich begründen könne, fiel ihr nur Artikel 6 des Grundgesetzes ein, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Dass das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren feststellte, die daraus ableitbaren Rechte und Pflichten können vom Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ganz oder teilweise eingeräumt werden, war für Motschmann kein Argument. Sie postulierte ein aus der Bibel hergeleitetes Leitbild der Christen, von dem sich aber in der  Bürgerschaftsdebatte lauthals Christen der FDP-Fraktion distanzierten. Wer mehr über die widersprüchlichen Argumente der CDU wissen möchte: Grundsatzprogramm der CDU.

Auch an anderer Stelle der heutigen Bürgerschaftssitzung hat sich die CDU selbst ausgetrickst, und zwar mit ihrer Aktuellen Stunde zum Thema "Ausgetrickst – Rot-Grün schiebt Besoldungserhöhung für Beamte". Hierzu hatten bereits am vergangenen Freitag SPD und Grüne Stellung genommen (vgl. Pressemitteilung vom 7.12. 2007). Viel perfider war jedoch die Argumentation des CDU-Abgeordneten Hinners, der locker behauptete, bei Personalkosten von über 1 Milliarde Euro ließe sich doch leicht eine Erhöhung ab 1.1.2008 von "nur" 6,8 Millionen Euro unterbringen. Damit streut die CDU nicht nur Sand in die Augen der betroffenen Beamtinnen und Beamten, sie unterschlägt dabei – obwohl sie es besser wissen sollte –, dass der Senat gesetzlich verpflichtet ist, bei einer Besoldungserhöhung zugleich auch die Versorgungsbezüge der Pensionärinnen und Pensionäre in gleicher Höhe anzupassen – und das ist dann der doppelte Betrag. Dieses falsche Spiel des Abgeordneten Hinners entlarvten der haushaltspolitische Sprecher der grünen Fraktion Hermann Kuhn wie auch Bürgermeisterin und Finanzsenatorin Karoline Linnert. Und dass in der Debatte um die verschobene Besoldungserhöhung hauptsächlich die Bremer Polizei aktiv ist, könnte möglicherweise an CDU-Hinners selbst liegen: Sein Lebenslauf enthält Folgendes: "ab 2000 Vorsitzender des Personalrates der Polizei Bremen. Von 1998 bis 2006 ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei". Von der Verschiebung der Besoldungserhöhung sind eben nicht nur Polizeibeamtinnen und -beamte betroffen, sondern alle Bremer Beamtinnen und Beamten. Und so sollen im Rahmen der Haushaltsberatungen mit allen beteiligten Verbänden noch Gespräche geführt werden.

Aus der Stadtbürgerschaft vom 11. Dezember 2007

Eine gewisse "pennälerhafte" Heiterkeit erzielte der grüne Wirtschaftspolitiker Klaus Möhle in der Fragestunde: Er hatte den Senat nach der Bedeutung der Honigbiene für die Landwirtschaft gefragt. Diese banal anmutende Frage hat allerdings einen ernsten Hintergrund, wie auch die Antwort des Senats zeigt: Honigbienen stellen nicht nur Honig her, sie erhöhen nachhaltig den landwirtschaftlichen Ertrag durch das Bestäuben von Nutzpflanzen. Insbesondere bei "Massentrachten" wie Raps oder Sonnenblumen sind sie unentbehrlich. Jedoch ist seit einigen Jahren ein Rückgang der Bienenvölker zu beobachten, im Durchschnitt um jährlich fünf Prozent. Und hierauf zielte der Hintergrund von Möhles Frage: die Förderung der Bremer Imkerinnen und Imker. Ohne ihr Wirken wäre der Bienenbestand noch dramatischer rückläufig. Der Senat mochte sich angesichts der laufenden Haushaltsdebatte nicht auf eine Erhöhung der finanziellen Mittel festlegen (eine Hälfte davon zahlt die EU), beabsichtigt aber, in den Jahren 2008 und 2009 eine den Jahren zuvor analoge Förderung zu gewährleisten.

Mit ihrer Großen Anfrage "Teilprivatisierung der kommunalen Kliniken stoppen! Gesundheitsversorgung durch Klinikverbund der Maximalversorgung an vier Standorten sichern!" hat die Fraktion DIE LINKE ihrer eigenen Klientel keinen Gefallen getan. Sie äußerte den Verdacht, es gäbe eine einseitige Bevorzugung des Krankenhauses Bremen-Mitte, worunter die anderen drei Kliniken leiden würden. So musste sie sich vom grünen Fraktionsvorsitzenden Matthias Güldner den Vorwurf gefallen lassen, die Verunsicherung bei den Beschäftigten der vier kommunalen Krankenhäuser, die sich im vergangenen Frühjahr auch bei großen Demonstrationen zeigte, erneut anzufachen und zu schüren. Dabei hatte der Senat klipp und klar in seiner Antwort formuliert: "Die Bestandsgarantie gilt für alle vier Klinika ..." Und zum Vorwurf der CDU, die rot-grüne Regierung würde untätig sein, betonte Güldner, dass "der Senat sich nicht in irgendwelche übereilten Beschlüsse drängen lasse, die möglicherweise Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, die Sie dann wieder hier genüsslich ausschlachten wollen."