Rede zur Stärkung des umweltbewussten Handelns

Rede zur Stärkung des umweltbewussten Handelns

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

Der Umweltschutz ist ein klassisches gesellschaftliches Handlungsfeld, in dem alle an einem Strang ziehen müssen, um erfolgreich zu sein. Das ist mittlerweile nicht mehr nur grüne Meinung, sondern eine weltweite Erkenntnis.

Das heißt aber auch, dass der Umweltschutz alle betrifft – alt und jung, reich und arm und eben auch die Bevölkerungsgruppe der MigrantInnen!

Es hat im Vorfeld der heutigen Debatte die Befürchtung gegeben, die Definition der Migrantinnen und Migranten als besondere umweltpolitische Zielgruppe berge eine diskriminierende, gar rassistische Dimension. Aber das ist doch nicht so. Im Gegenteil, es bedeutet, dass wir die Migrantinnen und Migranten ernst nehmen. Wir nehmen sie bei ihrem Anspruch, sich als vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft zu integrieren. Auch das Umweltverhalten ist ein Aspekt der Integration.

Bislang gibt es kaum Erkenntnisse über das Umweltbewusstsein der in Deutschland - und so auch in Bremen - lebenden  Migrantinnen und Migranten. Es gibt lediglich die allgemeine Beobachtung, dass ihnen das Bewusstsein hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Umweltschutz und Konsumverhalten fehlt.

Wenn ich persönlich auch nicht restlos davon überzeugt bin, dass das Umweltbewusstsein in der Gesamtbevölkerung wirklich sehr viel ausgeprägter ist als bei den Zuwanderern, erfordern diese dennoch besondere Ansätze. Sicherlich ist beispielsweise die Information über den Klimawandel und seine negativen Folgen in der Mehrheitsbevölkerung stärker präsent. Darauf deutet schon die Sprachproblematik hin, die uns auch in anderen Zusammenhängen beschäftigt. Auch bei anderen Fragen wie Energieverbrauch, Schadstoffentsorgung oder Emissionsvermeidung geht es in erster Linie immer um Informationen, die verbal oder schriftlich in der Mehrheitssprache vermittelt werden. Erst wenn mir die korrekte und verständliche Information zugänglich und damit auch verständlich ist, kann ich mir überlegen, welche Konsequenzen sich daraus für mich ergeben. Wir müssen uns also vor allem darüber Gedanken machen, wie wir die erforderliche Information an die Menschen mit Migrationsbiographie heranbringen.

Wie in vielen Bereichen der Integrationspolitik müssen wir uns deshalb auch bei diesem Thema mit zweierlei Dingen befassen: den Strukturen und dem Bewusstsein. Auch heute geht es um diese beiden Bereiche unserer Lebenswelt. Wir diskutieren "zentrale Aspekte einer ökologischen und nachhaltigen Stadtentwicklung". Das ist zunächst einmal eine Betrachtung der Strukturen. Ein großer Teil des Ressourcenverbrauchs erfolgt in den privaten Haushalten. Hier können wir also ansetzen, um nach Möglichkeiten des schonenden Verbrauchs und damit verbundener Einsparungen zu werben. Es muss aber auch die Arbeit am Bewusstsein dazu kommen. Und deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Menschen im Bundesland Bremen mit unserem Anliegen erreichen. Die Voraussetzungen dafür, das wissen wir, sind bei den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich. Es gilt, die Menschen mitzunehmen, sie dort abzuholen, wo sie mit ihrem Bewusstseinsstand sind.

Die spannende Frage, die sich hier stellt ist doch, ob wir den Stand des Umweltbewusstseins bei Migrantinnen und Migranten tatsächlich kennen und richtig einschätzen, oder ob wir falsch liegen mit der allgemeinen Annahme, dass Umweltschutz bislang keine Rolle für MigrantInnen spielt. Wir müssen die Strukturen, die auf diesem Gebiet vorhanden sind, danach befragen. Es muss also der Dialog mit Umwelt- und Sozialverbänden, Führungspersonen aus den Migrantenorganisationen und auch mit der Wissenschaft aufgenommen werden, um den Bewusstseinsstand der Zielgruppe zu erarbeiten. Daraus ergibt sich dann, welche Maßnahmen möglich sind, um diesen Ist-Zustand zu verbessern.

Um Migranten für diese Thema – mit guten Argumenten - zu gewinnen stoßen wireinmal mehr das Sprachproblem. Je mehr wir uns für unsere integrationspolitischen Zielsetzungen engagieren, umso mehr erkennen wir, dass der Sprachproblematik nur mit einer Gesamtstrategie beizukommen ist. Ob in der Gesundheitsversorgung, ob in der Schule, ob beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder jetzt hier in der Umweltkommunikation, überall tritt uns die Sprachbarriere als Problem entgegen. Deshalb muss an die Stelle von punktuellen Lösungsansätzen zunehmend eine solche Gesamtstrategie treten. Aufklärerische Maßnahmen wie sie etwa in mehrsprachigen Informationsmaterialien zu sehen sind, müssen mit der Aktivierung der Selbsthilfe, also dem Motivieren zum aktiven Spracherwerb einhergehen.

Daneben ist es genau so wichtig, die nicht schriftlichen Informationsmöglichkeiten zu nutzen. In den Stadtteilen und insbesondere in Zusammenarbeit mit Kulturvereinen, Moscheen und anderen Einrichtungen der Migranten lassen sich Informationen auch über Veranstaltungen an den Mann und an die Frau bringen.

Wir wissen, dass ein umweltbewusstes Verhalten unter anderem sehr viel mit dem Bildungsniveau der Menschen zu tun hat.

Studien, die sich vornehmlich mit der Mehrheitsbevölkerung befasst haben, ergaben, dass Kinder in den letzten Jahrzehnten eine große Rolle in der Umweltkommunikation auch mit Erwachsenen gespielt haben.

Dieser indirekte Lerneffekt (vom Kind auf die Eltern) lässt sich auch in Migrantenfamilien aktivieren. Wir sollten deshalb auch der Umwelterziehung der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund mehr Aufmerksamkeit schenken.

Meine Damen und Herren,

Bei der konkreten Frage, wie also zukünftig das Umweltbewusstsein gestärkt werden kann, fällt den zivilgesellschaftlichen Strukturen, die im Umweltbereich aktiv sind, (fällt) dabei eine zentrale Aufgabe zu. Sind eigentlich Migrantinnen und Migranten in ihren Reihen nennenswert vertreten? Werben sie aktiv um das Engagement von Migrantinnen und Migranten, insbesondere auch an die Adresse von Kindern und Jugendlichen? Diese Fragen wären unter der Rubrik interkulturelle Öffnung der Umwelt-Initiativen zu beantworten und zu berücksichtigen.

Ich möchte an dieser Stelle einige Vorschläge nun für künftige Maßnahmen benennen. Generelles Ziel ist die Abdeckung eines hohen Aufklärungsbedarfes im Umweltbewusstsein unter Migrantinnen und Migranten. Ferner ist notwendig, ihre Partizipation an Aktivitäten für den Umwelt- und Klimaschutz zu verstärken. Im umweltbezogenen Engagement im sozialen Umfeld soll sich eine stärkere Mitverantwortung für die Gesellschaft abbilden. In der persönlichen Lebensführung soll es als wichtiger Beitrag zur eigenen Gesundheit realisert werden. Verhalten im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz soll als Beitrag sowohl zur Integration als auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft Wertschätzung erfahren.

Um diese Ziele zu erreichen, ist es meines Erachtens unerlässlich, den Themenbereich "Migranten und Umwelt" auf eine institutionelle Grundlage zu stellen. Es gibt erste Ansätze der Kooperation zwischen Umweltverbänden und Migrantenorganisationen. Ich möchte ein Beispiel aus Berlin nennen. Dort gibt es seit einiger Zeit die Gruppe "Yesil Çember" als türkische Abteilung des B.U.N.D. So etwas wäre doch auch im Bundesland Bremen denkbar. Gegenwärtig wird dort an einer zweisprachigen Webseite gearbeitet. Bereits 2008 gab es einen Türkischen Umwelttag in Kooperation mit dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) im September. Das Themenspektrum reichte von Energieverbrauch über gesunde Ernährung bis zur Mülltrennung. All dies sind kleine Ansätze, die aber viel bewirken können und auch in Bremen ohne große Kosten realisierbar sind.

Ein wichtiges Ziel ist die Vernetzung. Wir können sowohl die Entwicklung der Kontakte und Foren zwischen Akteuren und Multiplikatoren in den Schulen fördern, als auch zwischen den sozialen Einrichtungen in den Stadtteilen und den Communities. Auch die Medien tragen eine Mitverantwortung für die Integration im Umweltbereich. Es kann doch nicht uninteressant sein, ein viertel/Fünftel der Bevölkerung über Umweltrisiken und Umweltschutz, über ökologisch bedingte Gesundheitsfragen und ebenso über positive Entwicklungen zu informieren und aufzuklären.

Als letztes möchte ich die Mitwirkung der Migranteneinrichtungen bei diesen Ansätzen ansprechen. Man sollte dabei auch keine Scheu haben, die religiösen Einrichtungen anzusprechen. Alle Weltreligionen haben Schöpfungskonzepte und bei ihnen allen, wenn auch in unterschiedlichen Formen, hat der Schutz der Schöpfung und der verantwortliche Umgang mit ihr einen hohen Stellenwert. Ein sehr gutes Beispiel für den Erfolg solcher Ansätze ist das hervorragende Engagement einer Bremer Moschee bei Umweltaktivitäten wie der Kampagne "Bremen räumt auf". Hier muss und kann ein staatliches und zivilgesellschaftliches Handeln anknüpfen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit