Rede zum Schulgesetzentwurf

Rede zum Schulgesetzentwurf

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist vollbracht. Der Senat legt heute mit Zustimmung der Bildungsdeputation dem Parlament ein neues Schulgesetz vor. Ein Schulgesetz dessen Entstehung nahezu eine halbe Legislaturperiode gebraucht hat, bis es in der heutigen Fassung das Licht der Welt erblickte. Die rot-grüne Koalition ist bei der Gesetzgebung gleich mehrfach einen neuen Weg gegangen. Statt einfach einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, richtete die Koalition einen Fachausschuss ein, in dem viele externe Expertinnen und Experten gehört wurden, Argumente gedreht und gewendet wurden, die politischen Akteure mal mehr und leider auch mal weniger engagiert stritten und am Ende sich nahezu alle auf die Merkmale guter Schule und einen ganzen Schwung Empfehlungen einigen konnten. In der Zwischenzeit verhandelten die fünf in der Bürgerschaft vertretenen Parteien über eine andere historische Chance – den Bildungskonsens. Als rot-grün die Regierungsgeschäfte übernahm, stand Bremen vor einem unüberschaubaren Flickenteppich verschiedenster Schularten. Integrierte Gesamtschulen und Schulzentren, vier und sechsjährige Grundschulen, Gymnasien und Sekundarschulen, kleine und große Oberstufenzentren – das alles hatten Sozial- und Christdemokraten, Grüne und Liberale zu verantworten. Der Bremer Bildungskonsens hat die Zielsetzung ein für Bremen überschaubares Schulsystem zu schaffen – und zwar unabhängig von der Regierungskonstellation. Nicht alle sind mit uns den Weg bis zum Ende gegangen, während bei den Liberalen der Landesvorsitzende entnervt ob der eigenen Partei das Handtuch warf, zeigte die Linke erneut, dass sie nicht zu Kompromissen bereit ist und mit ihr verantwortungsvolle Politik nicht zu machen ist.

Das Beteiligungsverfahren sucht denk ich auch seinsesgleichen. Alle Stadtteilbeiräte, alle Interessensverbände und viele außerschulische Organisationen gaben ihre Positionen in das Gesetzgebungsverfahren und machten damit auch deutlich, dass der Stellenwert, den Bildung in diesem Bundesland genießt ein ausgesprochen hoher ist. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich bei den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsbehörde aber auch unserer Fraktion für die geleistete Arbeit und große Unterstützung bedanken. Es war sicherlich nicht immer einfach, den kompletten Überblick zu behalten.

Wir Grünen werden heute dem neuen Gesetz zustimmen. Wir tun dies, auch wenn da nicht hundert Prozent GRÜN drin steckt. Regierungsbeteiligung heißt auch immer zu Kompromissen bereit sein, und sich der Verantwortung zu stellen. Gleichwohl ist eine grüne Handschrift deutlich zu erkennen.

Die Sprachförderung beginnt von nun an im Kindergarten und wird in der Grundschule fortgesetzt. Für die Schülerinnen und Schüler, und zwar nicht nur jene mit Migrationshintergrund, werden damit die Chancen im Bildungssystem deutlich erhöht, denn die unterschiedlichen Sprachniveaus stellen heute einen großen Hemmschuh im Grundschulbereich dar. Damit ist die Bildung auch im Elementarbereich angekommen und die beiden Ressorts Soziales und Bildung werden zukünftig eng und gemeinsam zusammenarbeiten, denn Schule und Kindergarten gehören aus Grüner Sicht inhaltlich verknüpft.

Mit der ersten Säule, den Oberschulen, schaffen wir in den Schulen eine größere Durchlässigkeit und lösen den Flickenteppich im Bereich der Mittelstufe auf. Schülerinnen und Schüler werden somit nicht mehr frühzeitig aussortiert und statt dessen gemäß ihren Leistungen differenziert gefördert. Die Oberstufen fußen auf dem Grundprinzip der Gesamtschulen und sollen unter anderem mit binnendifferenzierten Modellen und eigenen Schulprogrammen und Schwerpunkten ihre Schüler zum Schulabschluss bringen.

Mit den Oberschulen einher geht die Rückkehr des Abiturs in 13 Jahren. Was gerade konservative Politiker gerne als hochmodern und ideal für den Berufsmarkt verkauft haben, nämlich das Abitur in 12 Jahren, hat sich im Nachhinein als große Belastung für die Kinder und Jugendlichen herausgestellt, denen weite Teile ihrer Kindheit und Freizeit förmlich geklaut wurden. Was Politik dort 12jährigen Kindern angetan hat ist in der Tat nicht mehr feierlich. Wir bieten nun Eltern und Schülerinnen und Schülern wieder die Wahl zwischen dem Abi in 12 Jahren und dem in 13 Jahren.

Ich habe kurz überlegt, ob ich an dieser Stelle nicht auch die Rettung der Gymnasien feiern sollte? Herr Rohmeyer wird dies sicherlich gleich in epischer Breite tun und die CDU dafür verantwortlich machen, dass ein Plan, der nie existierte, nicht umgesetzt wurde. Ein echter politischer Erfolg meine Damen und Herren von der CDU, sie haben erfolgreich ein Luftschloss erobert! Herzlichen Glückwunsch!

Doch zurück zu den wirklich wichtigen Themen: Sie wissen, dass wir Grüne immer für ein möglichst langes gemeinsames Lernen gestritten haben, und dieses ist, auch wenn der linke Rand des Parlaments dies entweder absichtlich oder wegen absoluter Inkompetenz immer wieder falsch darstellt, auch im neuen Gesetz möglich. Oberschulen können auch die Klassen 1 bis 4 umfassen, allerdings müssen dies zusätzlich die Partner des Schulkonsenses absegnen.

Wir nehmen uns der hohen Zahl von Schulabbrechern und Schulvermeidern an, indem wir mit der Werkschule ein besonderes Angebot schaffen, dass nicht wie die herkömmliche Schule funktioniert sondern praxisnah all diejenigen wieder einfangen soll, die ansonsten unserem klassischen Bildungssystem abhanden kommen würden.

Große Beachtung fand in der Öffentlichkeit der Schritt hin zur Inklusion. Behinderte Schülerinnen und Schüler gehören für uns Grüne zum normalen Schulalltag und sind keine Schüler zweiter Klasse. Wir wollen, dass da, wo es möglich ist, alle Kinder gemeinsam zur Schule gehen und wir wollen, dass Kinder voneinander und miteinander lernen. Uns Grünen ist bewusst, dass es dabei viele Ängste abzubauen gilt. Die Ängste der Eltern behinderter Kinder, die ihre Kinder lieber in einem geschützten kleinen Umfeld unterrichtet sehen und diejenigen Eltern die eine Verschlechterung der Versorgung befürchten. Aber auch die Ängste der aufnehmenden Schulen, die mit der Umwandlung zu Oberschulen und den vielen neuen Anforderungen an Unterricht bei gleichzeitiger bunt durchmischter Schülerschaft einen großen Rucksack zu tragen haben. Deswegen werden wir auch diesen Prozess nicht über das Knie brechen, sondern versuchen im gesetzlichen vorgeschriebenen Entwicklungsplan gemeinsam mit Eltern und Schulen entsprechende Schritte zu vereinbaren. Aber eins darf uns auch nicht passieren. Bremen hatte bereits schon einmal ein fortschrittliches Schulgesetz, dass die Integration ganz dick auf der Fahne stehen hatte.  Jetzt muss die Umsetzung aber auch endlich vorangetrieben werden, und da werden die Grünen, das kann ich hier schon jedem androhen oder versprechen, immer wieder drauf pochen.

Wir als Grüne können uns sehr gut vorstellen, an diesem Teil des Gesetzes noch einmal aktiv zu werden und den Zeitraum des Übergangs bis zur vollständigen Inklusion festzulegen. Das kann nicht ein Jahr sein, das dürfen aber auch keine zehn werden meine Damen und Herren. Auch die Frage des dauerhaften Bestandsschutzes von drei Schulen in diesem Zusammenhang wollen wir noch mal mit den Betroffenen erörtern und diskutieren.

Womit ich auch schon beim Ausblick bin. Mit der heutigen Beschlussfassung werden wir nicht die Bildungspolitik an den Nagel hängen, sondern die Arbeit wird beginnen. Einerseits gibt es im parlamentarischen Verfahren Ideen in beiden Koalitionsfraktionen, was noch verbessert werden könnte, auf zwei Grüne Punkte habe ich gerade hingewiesen, andererseits steht bei den Bildungspolitikern nun erst die richtige Arbeit an. Denn es gilt, das Gesetz mit Leben zu füllen und die Inhalte konkret auf jeden einzelnen Stadtteil herunterzubrechen. Zahlreiche Beiratssitzungen haben uns schon den Eindruck vermittelt, dass auch bei den nun anstehenden konkreten Standortentwicklungen noch eine Menge Musik drin ist. Auch die Verordnungen müssen angepasst werden, über eine werden wir ja speziell hier noch mal im Landtag debattieren müssen, aber auch beispielsweise die Sonderpädagogikverordnung erwarten wir mit Spannung.

Meine Damen und Herren, das Schulgesetz ist nicht irgend ein Gesetz. Es regelt die Zukunftschancen unserer Kinder und es greift in das Leben vieler Menschen in dieser Stadt mittel- oder sogar unmittelbar ein.  Lassen Sie uns gemeinsam dieser Verantwortung gerecht werden.

Herzlichen Dank.