Rede zum Konjunkturprogramm II

Rede zum Konjunkturprogramm II

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

es ist schon eine bittere Ironie, ein Treppenwitz der Geschichte: Seit einiger Zeit debattieren wir in Deutschland – endlich – intensiv über Begrenzung und Rückführung der Staatsverschuldung, über Schuldenbremsen und Entschuldungshilfen. Und jetzt reden wir zum zweiten Mal über Programme, die eine massive weitere Verschuldung zur Folge haben werden. Am wenigsten lacht über diesen Treppenwitz wohl Finanzminister Steinbrück, den ich eingangs zitieren möchte (aus einem Interview vergangenen Sonntag): "Das was wir jetzt haben, ist die Folge einer Kreditblase; und wir bekämpfen sie jetzt mit den selben Mitteln. Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen…"

Ja, so etwas soll es geben; ob das Bild allerdings wirklich passt – ich bin nicht sicher. Sicher aber ist bei solchen Feuerlöschmethoden: Man muss dabei sehr zielgenau vorgehen. Neue, und für Bremen heißt das: noch mehr neue Schulden zu machen, ist überhaupt nur zu begründen, wenn im Ergebnis nachhaltige Wirkungen erwartet werden können. Und es bedeutet auch: Wir werden jetzt mehr dringende und sinnvolle Investitionen machen können, das ist gut  – aber auf Pump, und wir werden in absehbarer Zeit dafür dann weniger Geld zur Verfügung haben, weil wir zurückzahlen müssen.

Diesen Widerspruch dürfen wir nicht verdrängen. Auch deshalb kann es bei Konjunkturpaketen überhaupt nicht heißen: "Das meiste kann dienen" und "Schleusen auf für weitere Staatsverschuldung". Wir müssen Maß halten. Und wir müssen unbedingt weiter verfolgen, dass Teil der Gesamtverständigung der kommenden Wochen auch eine Vereinbarung über Schuldenbremse und Schuldenhilfe wird.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole heute, was ich im vergangenen November zum Konjunkturprogramm I hier gesagt habe: Auch dieses Paket ist eine politische Aktion der Bundesregierung; und die Länder werden dabei nur mitgenommen. Unser Einfluss ist eher gering, auch wenn jetzt über Details zwischen Bund und Ländern noch verhandelt wird und Bremen natürlich seine Interessen und Vorstellungen dabei auch einbringen wird.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Bundesmittel, die nun in den Ländern für Investitionen ausgegeben werden können, keineswegs einfach ein "Geschenk" des Bundes sind. Sie sind Teil eines Gesamtpaketes, an dessen Kosten auch die Länder in hohem Maße durch Steuermindereinnahmen beteiligt sind. Auf meine Bitte ist uns im Haushaltsausschuss vorgetragen worden, welche Auswirkungen die Steuersenkungen der beiden Konjunkturprogramme voraussichtlich für Bremen haben wird, einschließlich der Wiedereinführung der Pendlerpauschale – die die Bundesregierung selbst als Konjunkturmaßnahme verkauft. Für die beiden Jahre 2009 und 2010 kommt dabei eine Gesamtsumme von rund 150 Millionen Steuermindereinnahmen zusammen. Für Bremen bedeutet das eine entsprechende Neuverschuldung und ein erneutes Anziehen der Zinsschraube.

Weil nahezu alle Teile des Konjunkturpaketes auch Wirkungen auf die Länder und ihre Haushalte haben, will ich zunächst darüber sprechen, wie die Bremer Grünen dieses Gesamtpaket beurteilen, bevor ich zur Umsetzung der Investitionen in Bremen komme.

Meine Damen und Herren, dass Deutschland wie die europäischen Nachbarn und die großen Industrienationen etwas für die Stützung der einbrechenden Konjunktur tun muss, darin sind sich fast alle einig. Aber für einige ist das geplante Konjunkturpaket zu groß, für andere zu klein; kommt es zu spät oder zu früh. Anderen fehlt der Beweis, dass es auch genau wie vorgesehen wirken wird. Ich gestehe, dass ich solche pauschale Kritik für unfruchtbare Besserwisserei halte, hier bin ich für mehr Demut. Es gibt für die heutige Situation keine Erfahrungswerte und Modelle. Um ein anderes Bild zu gebrauchen: Wir müssen die Brücke schon betreten, während sie noch gebaut wird und ihr Endpunkt noch nicht fest steht; aber wir können sie nur weiter bauen, wenn wir sie schon betreten. Ungemütlich, aber nicht zu vermeiden.

In solcher Situation gebe ich der Bundesregierung durchaus einen Vorschuss, will aber zu einzelnen Punkten ebenso klar unsere Auffassung darlegen.

Die Ziele eines Konjunkturprogramms müssen nach meiner Auffassung sein: Die schrittweise Wiederherstellung eines funktionierenden Finanz- und Kreditmarktes; die rasche Stützung der Nachfrage; im Einzelfall vorübergehende Hilfen für gesunde Unternehmen in zeitweiligen, unverschuldeten Schwierigkeiten – wie der Senat das für Bremen schon vorbereitet hat. Dadurch die Produktion von Optimismus und Vertrauen. Aber gleichzeitig, das wiederhole ich, muss die zusätzliche Verschuldung möglichst weitgehend durch nachhaltige Wirkung "bezahlt" werden können.

An diesen Zielen und Maßstäben gemessen finden wir, dass der Anteil der Investitionen im Konjunkturpaket II zu gering ist und der Anteil der nicht zielgerichteten Wohltaten zu hoch. Die Steuererleichterungen etwa werden uns alle, die wir hier sitzen, erreichen; und noch mehr diejenigen, die etwas mehr verdienen als wir. Aber nur in sehr geringem Umfang diejenigen in der Gesellschaft, die es am bittersten nötig haben und bei denen vor allem jeder zusätzliche Euro direkt in den Konsum geht. Dieser Teil ist weniger Konjunkturprogramm als vielmehr Wahlvorbereitungsprogramm, meine Damen und Herren. Die FDP will noch mehr Steuergeschenke, die nur durch mehr Schulden bezahlt werden könnten. Wir unterstützen den Senat dabei, diesen Irrweg zu verhindern, indem Bremen signalisiert: Im Bundesrat gibt es gegen eine solche neoliberale Irrlichterei eine Mehrheit.

Zweiter Punkt: beim neuen 100-Milliarden-Schirm "Deutschlandfonds" sind wir mehr als skeptisch. Begründet wird er damit, dass die Kreditvergabe durch die Banken noch nicht funktioniert und dass dadurch Unternehmen unverschuldet in eine Kreditklemme kommen könnten; da soll dieser Fonds helfen.

Richtig ist zweifellos, die Bankenkrise ist noch nicht vorbei. Auch die deutschen Banken haben sich in unvorstellbarer Höhe, geblendet von schnellen Gewinnen, zuckersüß verpackte, aber leider faule Kredite andrehen lassen. Dazu verfallen Wertpapiere, je tiefer die reale Krise wird. Das Problem ist riesengroß und noch völlig ungelöst. Ob und wieweit allerdings die Kreditvergabe an Unternehmen wirklich klemmt, ist durchaus umstritten. Wenn es so ist, dann funktioniert ja offensichtlich der erste 480-Mrd.-Schirm nicht richtig, dann muss man da nachbessern, indem man viel stärker die Hilfe für die Banken mit Einflussnahme und Kontrolle verbindet. Und nicht, indem man nun eine zweite – rein politisch gesteuerte – Linie der Einzelkreditvergabe an die Wirtschaft etabliert.

Als dritten Punkt möchte ich die Abwrackprämie erwähnen, weil sie symptomatisch ist. Ich will nicht spekulieren, ob sie wirkt. Aber dass sie nicht an den Kauf eines deutlich CO2-ärmeren Autos gebunden ist, ist ein Skandal. Das zeigt ein weiteres Mal, dass die Große Koalition in Berlin immer noch nicht begriffen hat, dass die deutsche Autoindustrie aus ihrer Krise nicht heraus­kommt durch Subventionierung des "Weiter so", sondern allein durch Moderni­sierung, die mit politischem Druck beschleunigt werden muss. Deswegen ist es auch ganz falsch, dass die geplante Kfz-Steuer auf CO2-Basis keinen progressiven Verlauf haben soll, also CO2-arme Autos nicht bevorzugt. Ob eine ökologische Korrektur nun Vorbedingung bei weiteren Gesprächen ist oder nicht: Dringend notwendig ist sie auf jeden Fall und wird von uns unterstützt!

Meine Damen und Herren, ich komme zum eigentlichen Investitionsprogramm und damit zu unseren Aufgaben in Bremen. Der Präsident des Senats hat in seiner Erklärung den Rahmen und die Bedingungen dieses Programms erläutert. Es ist deutlich geworden, dass die Zweckbestimmung der Investitionen im Allgemeinen fest steht, aber im Einzelnen noch Einigungsbedarf besteht. Wir halten vor allem einen Ausschluss von ÖPNV-Investitionen für falsch und erwarten da noch Klarstellungen.

Bürgermeister Böhrnsen hat auch dargelegt, dass der Senat nun dabei ist, zeitgleich mit der Vorbereitung der kommenden Investitionshaushalte Investitionsprojekte im Land Bremen in Höhe von 118 Mio. Euro zu identifizieren, die in das Konjunkturpaket "passen". Für die Grünen gibt es dabei vier zentrale Kriterien:

– die Maßnahmen müssen zusätzlich sein und gleichzeitig schnellumsetzbar. Das bedeutet für mich: sie müssen geplant, aber noch nicht beschlossen sein.

– die Maßnahmen müssen nachhaltig zukünftigen Nutzen bringen. Denn der Anspruch des Bundesprogramms "Deutschland muss stärker aus der Krise herauskommen" ist ja richtig.

– die Maßnahmen dürfen keine Folgekosten haben, die den Nutzen übersteigen

– die Maßnahmen sollten möglichst kleinteilig sein und dadurch möglichst viele Gewerke, Berufe und Unternehmen in der Region einbeziehen.

Wir Grünen sind überzeugt, dass vor allem Investitionen in die Netze der Zukunft hier in Frage kommen: für Energieversorgung, nachhaltigen Verkehr, Kommunikation. Investitionen in Bildung und Klimaschutz; aber auch für die nachhaltige Sanierung des Bestandes. Die Sanierung, energetische Sanierung von Schulen und Hochschulen ist ein hervorragendes Beispiel: Sie ist ein Beitrag zum Klimaschutz, spart Energiekosten in der Zukunft, verbessert die materiellen Umstände des Lernens, schafft Aufträge in der Region und erhöht die Qualifikationen in dieser Zukunftsbranche. Aber es ist natürlich klar, dass nicht jede Einzelmaßnahme hundertprozentig in diesem Sinne "passen" wird, wir werden uns dann das Gesamtbild ansehen.

Der Senat ist nun in der Pflicht, die Zusammenstellung dieser Projekte zu verbinden mit der Investitionsplanung der kommenden Haushalte, auf zugleich sachdienliche wie intelligente Weise. Er wird sich dazu mit Partnern in der Stadt beraten und natürlich auch der Öffentlichkeit stellen. Gleichzeitig, das ist ein Dilemma, wird alles sehr schnell gehen müssen, wenn denn die Wirkungen erzielt werden sollen, die wir gemeinsam wollen.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle auch etwas sagen zu den geplanten Lockerungen des Vergaberechts. (Worin sie bestehen sollen, ist schon dargelegt worden.) Wir Grünen sind da eher vorsichtig. Grundsätzlich halte ich es für einen protektionistischen Irrglauben zu meinen, mehr freihändige Vergaben etwa nützten zwangsläufig der eigenen lokalen Wirtschaft. Denn der Nachbar macht das dann auch; und dann kriegt der Klempner aus Huchting eben auch keine Aufträge mehr von der Stadt Delmenhorst. Über mögliche Schäden für alle durch erhöhte Korruptionsanfälligkeit muss ich nicht reden. Dass das eine höchst reale Gefahr ist, konnten wir grad heute in der Zeitung lesen.

Überlegenswert ist allenfalls, wodurch Zeit gespart werden kann. Aber auch da reden wir eher über Wochen als über Monate, und alle Aufträge werden ja nicht zum gleichen Zeitpunkt rausgehen. Also: Wir Grünen raten dazu, zurückhaltend an eine Änderung des Vergaberechts zu gehen.

Meine Damen und Herren, abschließend: Die Fraktion der Grünen unterstützt den Senat in seinem Bemühen, die Regelungen des Konjunkturpaketes II klarer und für die Länder auch in der Abwicklung günstiger und einfacher zu machen. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass wir Teile des Gesamtpaketes für falsch halten, bei anderen skeptisch sind. Aber unbestritten ist für uns, dass Deutschland in eigenem wie im gemeinsamen Interesse einen Beitrag leisten muss, die Krise der Finanzwirtschaft und den Einbruch der Wirtschaft abzumildern und gegenzusteuern. Das Land Bremen wird also am Ende des Tages sinnvoller Weise zustimmen, das hat der Senat bereits in Aussicht gestellt, und das ist auch die Haltung der bündnisgrünen Bürgerschaftsfraktion.

Dafür sind wir bereit, auf Steuereinnahmen zu verzichten, mehr zu investieren und dafür contre coeur mehr Schulden zu machen. Wir werden dadurch unseren erklärten Ausgabenrahmen für Investitionen überschreiten und dies auch – je nach Finanzierungsmodus – in einem Nachtragshaushalt beschließen. Aber wir Grünen wissen, dass wir diese Schulden werden zurückzahlen müssen. Deshalb werden wir alles dafür tun, dass das Geld nachhaltig angelegt wird: In Klima- und Umweltschutz, in Bildung und den sozialen Zusammenhalt. Nur das wird uns in der Zukunft stark machen.