Rede zum Gedenken an die ermordeten Bremer Juden

Rede zum Gedenken an die ermordeten Bremer Juden

Sehr geehrter Herr Rabbiner, sehr geehrter Herr Lewin, meine Damen und Herren,

die Bremische Bürgerschaft hat die Patenschaft für die Gedenkfahrt übernommen. Mich erfüllt es mit tiefer Dankbarkeit, dass ich hier und heute in Vertretung für alle Bremer Bürgerinnen und Bürger einige Worte an Sie richten darf.

Gemeinsam gedenken wir der ermordeten Bremer Juden im ehemaligen Ghetto von Minsk.  Am Morgen des 18. Nov. 1941 wurden 570 Juden aus ganz Norddeutschland vom Bremer Hauptbahnhof nach Minsk deportiert und dort ermordet. Nur sechs Menschen überlebten. Kaum ein Land in Europa ist vom Zweiten Weltkrieg so getroffen worden wie das heutige Weißrussland (Belarus). Schätzungen zufolge forderten der Krieg und die deutsche Besatzungsherrschaft zwischen 1941 und 1944 hier annähernd 3 Mio. Opfer, darunter über eine halbe Mio. Juden.

Die Barbarei einer organisierten deutschen Mordmaschinerie war gegen Menschen gerichtet, gegen Frauen, Kinder, Männer, Alte und Junge, weil sie Juden waren - nur deshalb. Wir erinnern an das Leid aller jüdischen Bürgerinnen und Bürger, denen Gewalt, Unrecht und Demütigung angetan wurde. Weil sie Juden waren, nur deshalb. Und wir erinnern in Betroffenheit daran, dass fast niemand ihnen geholfen hat.

Brennende Synagogen in ganz Deutschland, zertrümmerte Schaufenster jüdischer Geschäfte, Misshandlungen jüdischer MitbürgerInnen, Vertreibungen, Transporte und schließlich systematische Vernichtung. Das alles konnte man doch nicht übersehen! Mich erfüllt es immer wieder mit Entsetzen und Schrecken, wie ein gesamtes Gemeinwesen so barbarisch verrohen konnte.

Wir, verehrte Anwesende, gedenken der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Die Geschichte muss gegenwärtig bleiben. Wir müssen verhindern, dass sich etwas Ähnliches wiederholt. Jede und jeder ist gefordert, sich für den Schutz der Menschenwürde einzusetzen.

Meine Damen und Herren,

die Pflicht zum Erinnern und zum Gedenken ist ein Muss. Und ich bin mir sicher – die Bremische Bürgerschaft ist und bleibt sich ihrer Verantwortung bewusst. Die Auseinandersetzung  mit der eigenen Geschichte und das Erinnern ist uns ein Daueranliegen. So werden wir es weiterhin unterstützen, wenn jährliche Gedenkfahrten nach Minsk bzw. Theresienstadt durchgeführt werden. 1991 bzw. 2002 waren – wenn auch ein später – Anfang. Dieser Beginn, "Mut zum Erinnern – Gegen das Vergessen" soll und muss zur Selbstverständlichkeit werden.

Sehr verehrte Damen und Herren,

wir stellen aber auch mit Entsetzen und tiefen Bedauern fest, dass wir es in Deutschland – wie auch all die Jahre und Jahrzehnte davor – mit Neonazis, Rechtsextremismus und Antisemitismus zu tun haben. Diese gesellschaftliche Wirklichkeit ändert sich nicht, wenn sie verschwiegen wird. Wir müssen dem mit allem rechtsstaatlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Engagement entgegentreten. Das erfordert ständige Wachsamkeit und Zivilcourage.

Im Namen aller Bremer Bürgerinnen und Bürger möchte ich mich abschließend bei den jüdischen Gemeinden in Bremen und Minsk bedanken. Immer mit offenen Armen empfangen zu werden mit dem sicheren Gefühl, an einem Strang zu ziehen, für Menschlichkeit, Frieden und Freiheit einzutreten und die Zukunft zum Wohle aller gestalten zu wollen, verbindet und macht stark.  Herzlichen Dank!