Haushaltsrede

Haushaltsrede

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ich schließe mich mit Vergnügen dem Dank an, der von den Vorrednerinnen zum Ausdruck gebracht wurde: gegenüber dem Senat und den Verwaltungen, in erster Linie natürlich der Finanzbehörde; gegenüber der Ausschussassistenz und dem Protokoll der Bürgerschaft und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die sich – vor allem mit kritischen – Diskussionsbeiträgen an uns gewandt haben.

Ich verbinde diesen Dank mit der Feststellung, dass die heutige Debatte Schlusspunkt einer sehr konzentrierten und zügigen Haushaltsaufstellung unter schwierigen Bedingungen ist. Wir machen heute eine Punktlandung, in der Sache und auch in der Zeit.

Meine Damen und Herren, wir Grünen sind – nach zwölf Jahren großer Koalition – nicht verantwortlich für die Haushaltssituation, die wir im vergangenen Sommer vorgefunden haben. Aber wir sind – mit – verantwortlich dafür, wie wir mit dieser Situation umgehen. Der Haushalt, den wir Ihnen heute gemeinsam mit der SPD mit Änderungen in zweiter Lesung vorlegen, ist sicher nicht der Haushalt, wie wir ihn uns für das Land und die Bürger Bremerhavens und Bremens vorstellen und wünschen würden – wenn es denn nach Wünschen am grünen Tisch allein ginge. Aber es ist ein Haushalt, der den Realitäten und den politischen Aufgaben gerecht wird.

Der Haushaltsentwurf des Senats bewegt sich im Rahmen der Selbstbindungen, die das Land Bremen in seinem Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht  Anfang 2007 eingegangen war. Diesen Rahmen haben wir Grünen schon als Oppositionspartei akzeptiert, seine Einhaltung ist grundlegend für die rot-grüne Koalition. Mit den Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen heute wird dieser Haushalt um keinen Euro ausgeweitet. Was wir an einer Stelle mehr ausgeben, sparen wir im gleichen Politikkreis auch wieder ein.

Der Haushalt, den wir heute verabschieden, wird wie schon in vielen Jahren zuvor kein Haushalt nach den Vorschriften unserer Verfassung sein: die Kreditaufnahme übersteigt die Investitionen um rund 200 Mio. Euro. Ohne die Zinslast wäre das anders; wir werden 2009 einen ausgeglichenen "Primärhaushalt" haben, wie das Zauberwort heißt, also ohne Zinsausgaben wären Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen. Das ist ausgezeichnet, aber es ändert noch nichts grundlegend: Denn wir müssen die Zinsen ja bezahlen, und wir können sie nur durch die Aufnahme neuer Schulden bezahlen, die im nächsten Jahr wiederum die Zinslast vergrößern. Es ist diese Schuldenfalle, aus der wir uns aus eigener Kraft nicht befreien können, und deretwegen wir unser Recht und die Unterstützung durch andere einfordern müssen. Hilfe aber werden wir nur bekommen, wenn wir den zugesagten starken Eigenbeitrag leisten. Das ist dieser Haushalt.

Die Linke, habe ich gelesen, kritisiert das als "Kotau vor Karlsruhe". Für diejenigen, die es immer noch nicht begriffen haben, noch einmal: Nicht das Bundesverfassungsgericht, nicht die anderen Länder und der Bund wollen etwas von uns. Sondern wir klagen unser Recht dort ein und machen unseren Anspruch auf solidarische Hilfe geltend. Ohne den Nachweis von erheblichen Eigenanstrengungen haben wir dabei keine Chance. Die Haushalte 08 und 09 sind der Ausweis unserer Anstrengungen, und deshalb konnte der Senat auch mit diesen Haushalten überzeugend in die durchaus misstrauische Durchleuchtung der Föderalismus-Reform-Kommission gehen. Das ist außerordentlich wichtig für uns.

Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst darüber sprechen, was wir Mitte des vergangenen Jahres vorgefunden haben, welche Probleme parallel zur Haushaltsaufstellung gelöst werden mussten. Im Juli 2007 stellte der neue rot-grüne Senat ein Budgetrisriko in Höhe von rund 61 Mio. Euro für das Jahr 2007 fest. Es resultierte aus altbekannten Strukturmängeln, aus unrealistischen Anschlägen in den Ressorts Soziales, Justiz und Inneres. Sichtbar wurde aber auch, dass z.B. im CDU-Innenressort bis zum Wahltag ziemlich unbekümmert gewirtschaftet worden war.

Dieses Budgetrisiko hat der Senat durch ein striktes Ausgleichskonzept bis Ende des Jahres auflösen können. Im Ergebnis haben wir auch im Jahr 2007 den Karlsruhe angekündigten Ausgabenpfad eingehalten. Die steuerlichen Mehreinnahmen des vergangenen Jahres konnten voll zur Senkung der Kreditaufnahme verwendet werden; genau so, wie wir es auch in den Jahren 2008 und 2009 tun werden.

Parallel zur Haushaltsaufstellung konnten wir eine Reihe von Eigenbetrieben und Gesellschaften auf gesunde Grundlagen stellen: performa nord, GeoInformation, zuletzt stadtgrün. Die Bäder Gesellschaft hat jetzt sicheren Boden unter den Füßen, ebenso wie der Rhododendronpark durch die von uns unterstützte Stiftungsgründung. Nicht alle Probleme sind damit erledigt, aber diese Eigenbetriebe und Gesellschaften haben jetzt eine solide Basis und eine faire Chance, ihre Arbeit so zu machen, wie wir es von ihnen erwarten.

Anderes bereinigen wir mit den vorliegenden Haushalten. Wir führen die Investitionen in den zuständigen Ressorts zusammen und machen Schluss mit der Unübersichtlichkeit von Sonderprogrammen. Wir reduzieren die Finanzierungen außerhalb der regulären Haushalte über Sondervermögen und Kapitaldienste. Wir schaffen das nicht auf einen Schlag, das gebe ich wohl zu, aber wie sollten wir auch bei dem Umfang? Wir behandeln die Sondervermögen als das, was sie sind, nämlich staatliches Geld, und haben sie in die Haushalte mit einbezogen – mit Erfolg gerade im Bereich von Wirtschaft und Häfen.

Wir setzen konsequent den Kurs fort, die übersteigerte Investitionsquote der letzten Jahre auf ein normales Niveau zurückzuführen. Man kann natürlich sagen, leider: aber schon die große Koalition hatte sich im Grundsatz darauf verpflichtet, mit guten Gründen. Die CDU tut jetzt so, als sei sie nicht dabei gewesen. Dabei ist es wesentlich ihrem Wirken zu verdanken, dass die rund 440 Mio. Investitionsmittel pro Jahr in sehr hohem Umfang vor verpflichtet und auf Jahre hinaus festgelegt sind. Nicht alle wirklich für einen guten Zweck: Auch Fehler der großen Koalition werden wir noch lange abzahlen müssen.

Wir sichern die Investitionen ab, bei denen Verpflichtungen eingegangen sind; und die unabweislich sind; dazu gehört der Digitalfunk, dazu gehört der Küstenschutz für die kommenden zwei Jahre. Dazu gehören die Förderung der energetischen Sanierung und der Ausbau des ÖPNV; natürlich, einiges muss gestreckt werden. In der Wirtschaftsförderung beginnen wir mit dem längst fälligen Umstieg von Zuschuss- auf Darlehensgewährung. Die Diskussion um die wichtigsten neuen Investitionsvorhaben ab 2010, wenn wieder etwas mehr Spielraum da ist, hat schon begonnen. Mit dem Finanzplan und der darin enthaltenen Liste der Investitionsvorhaben gibt es dafür erstmals auch eine transparente Datengrundlage.

Drittens macht dieser Haushalt Schluss mit der schlechten Tradition unrealistischer Haushaltsansätze. Das gilt für die Auslagen in Rechtssachen, die ja durch Bundesgesetze bestimmt sind. Das gilt für den Haushalt des Innenressorts, der immer unter unrealistischen Einnahmeannahmen litt; das gilt vor allem für den Sozialhaushalt. Wir stellen die Ausgaben ein, die zu erwarten sind – Bremen befindet sich da übrigens im Mittel anderer Großstädte. Wir stellen sie aber zum Teil ein in eine Risikovorsorge, deren Mittel nur nach besonderer Prüfung freigegeben werden; denn wir wollen alles daran setzen, dieses Geld nicht auszugeben. In diesem Umfang und mit diesen Einschränkungen gehen wir mit einem Risikobetrag von gut 30 Mio. über die ursprünglichen Meldungen nach Karlsruhe hinaus.

An dieser Stelle eine Anmerkung zum CDU-Antrag, der den Sozialhaushalt zum Ergebnis purer Ideologie erklärt und suggeriert, mit einem Wortspiel könne dort viel Geld gespart werden. Ich beteilige mich gern an jeder Debatte mit dem Ziel, dass Sozialleistungen wirklich bei denen ankommen, die sie brauchen. Aber Ihre Ignoranz gegenüber den Grundregeln der Sozialpolitik ist doch erstaunlich. Die Sozialgesetze werden in Berlin gemacht und in allen Ländern eingehalten, oder?

Ein Beispiel: Wir hoffen sehr, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinkt und dadurch auch die Kosten der Unterkunft, die der Staat trägt. Das ist gegenwärtig auch der Fall. Die Ersparnisse werden uns aber weggenommen durch den Bund, der seinen Anteil gerade abgesenkt und unseren erhöht hat. Und die Besserung wird aufgefressen von der steigenden Zahl der "Aufstocker": Menschen, die arbeiten und doch von ihrem Lohn allein nicht leben können und deshalb Leistungen beziehen. Dagegen hilft ein allgemeiner Mindestlohn, den aber will die CDU nicht. Wer macht da wohl ideologische Sozialpolitik?

Meine Damen und Herren, die 50 und 20 Mio. Euro, die wir für unsere politischen Schwerpunkte ausgeben werden, mussten wir zuvor durch eine allgemeine Absenkung der Ressorteckwerte erst einsammeln. Das ist keineswegs eine Mogelpackung, wie einige kritisieren. Es zeigt nur, welche große Anstrengung es in der gegenwärtigen Lage Bremens bedeutet, in den Bereichen Kindergartenbetreuung, Kindeswohl, Ganztagsschulen, Hochschulen, ja gerade Hochschulen; Küstenschutz und Kunstförderung mit zusätzlichen Mitteln neue Schwerpunkte setzen zu können. Wir empfinden selbst schmerzhaft, dass wir mehr machen müssten, aber hier liegen genau die Punkte, an denen wir für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ansetzen müssen, und wir tun das.

Meine Damen und Herren, die Änderungsanträge der Koalition werden im Einzelnen später in den Fachrunden erörtert werden. Angesichts der guten Vorlage des Senats konzentrieren sie sich auf wenige Punkte, an denen die Gewichte neu justiert werden. Wir haben die fachlichen Hinweise zur Absicherung des Datenschutzes aufgenommen, wie auch zur personellen Verstärkung in der Strafjustiz. Wir haben eine Reihe von sozialen und Frauenprojekten abgesichert, die als Initiativen leider immer zuerst unter großem Einspardruck stehen. Wir sichern die Mittel für Projekte des sozialen Zusammenhalts in den Stadtteilen; und wir finanzieren zusätzliche Schritte wie das kostenlose Mittagessen; im Sinne unserer Bildungspolitik, die alle mitnehmen und jedem eine Chance geben will. Wer mit leerem Magen in die Schule kommt, der kann nur sehr, sehr schwer seine Chancen wahrnehmen.

Noch einmal: Unsere Anträge für Mehrausgaben sind alle durch Minderausgaben gedeckt, der Haushalt wird nicht ausgeweitet.

Das gilt, meine Damen und Herren, auch für die umstrittene Anhebung der Beamtenbesoldung. Sie kennen die Ausgangslage, sie kennen die millionenschweren ungedeckten Forderungen der vereinigten Opposition. Wir haben das getan, was wir versprochen haben: Wir haben den Beamtinnen und Beamten zugehört, wir haben intensive Diskussionen mit den Gewerkschaften geführt; und wir haben die Entwicklung des Haushalts studiert und nach Deckungsmöglichkeiten für ein Volumen von zusätzlich 6,5 Mio. Euro gesucht.

Das Ergebnis der Koalition liegt Ihnen vor: 2,9 % mehr vom 1. November 2008 an, und zwar für alle, Aktive wie Versorgungsempfänger, untere wie obere Gehaltsgruppen. Die Gleichbehandlung war auch den Gewerkschaften wichtig; die sind im Übrigen nicht hell begeistert von dem Ergebnis, ebenso wenig wie die Beamtinnen und Beamten. Das ist ja klar. Aber wir haben von sehr vielen die Rückmeldung bekommen, dass wir uns fair um Verbesserungen bemüht haben. Ja, und ich finde mit Erfolg. Die Besoldung der Bremer wird nicht (wie uns das viele unserer Kontrahenten in anderen Ländern empfehlen) von der bundesweiten Entwicklung abgekoppelt.

Das ist auch der Grund dafür, dass Bremen dem Tarifabschluss vor 14 Tagen zugestimmt hat. Für den Kernhaushalt sind die damit verbundenen Mehrausgaben abgesichert; für die Sonderhaushalte und Gesellschaften wird die Situation wie in allen anderen Kommunen ganz schwierig werden. Aber es bleibt ein Grundsatz unserer Politik: In der Besoldung des öffentlichen Dienstes darf es keinen Bremer Sonderweg nach unten geben.

Auch beim Personal bleiben wir im vorgegebenen Rahmen. Der Senat hat in der Finanzplanung die Steigerung der Personalausgaben auf 1 bis 1,5% begrenzt. Dieses ehrgeizige Ziel ist überhaupt nur anzusteuern, wenn wir weiter machen mit Personaleinsparungen im Kernbereich der Verwaltung. Ausgenommen davon sind Polizei und Schulen; und wir halten die Ausbildung im öffentlichen Dienst auf der hohen Bremer Quote. Die Röwekamp-Delle bei der Ausbildung von Polizisten bügeln wir dadurch wieder aus.

Meine Damen und Herren, einige Worte zu den Anträgen der Opposition.

Zur CDU nur noch so viel: Ein großer Teil Ihres Antrags ist die Aufforderung an die rot-grüne Koalition, doch gefälligst und zwar subito die Dinge zu tun, die sie, die CDU, in ihrer Regierungszeit nicht gemacht hat – ein Beispiel unter vielen die Hochschulfinanzierung. Zur Gegenfinanzierung hat Herr Röwekamp in den Haushaltsberatungen schlicht gesagt: "Wenn man nur will, findet sich auch das Geld dazu." Ja, so haben Sie in der Tat Politik gemacht; nur dass Sie das Geld dann nur bei den Banken gefunden haben – gegen Schuldschein allerdings, der jetzt uns präsentiert wird. Das Geld ist schon ausgegeben.

Die Linke hat eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt; Deckungsvorschlag: mehr als 200 Mio. zusätzliche Schulden. Das nähme uns nicht nur jede Chance in Karlsruhe und Berlin, es wäre auch unsozial.

Die Linke will mit ihrer Verschuldungspolitik zurück in die 70er Jahre. Damals hatte eine solche Politik, die fast alle irgendwie mitgemacht haben, vielleicht noch eine gewisse Unschuld: Heute aber längst nicht mehr; denn sie hat uns (und damit meine ich nicht nur Bremen) doch gerade in die jetzige Lage gebracht. Schöne, wichtige Dinge auf Pump finanzieren, und weil es so gut ankommt, noch mal im nächsten Jahr, und immer so weiter.

Das Geld, das wir heute für Bildung, Wissenschaft und Innovation mehr ausgeben müssten, müssen wir in Wahrheit für die Zinsen ausgeben, denn es wurde in den früheren Verschuldungsrunden ja bereits verfrühstückt. Die Folgen treffen aber diejenigen am härtesten, die am meisten auf Unterstützung des Staates angewiesen sind. Weitere Verschuldung mindert nicht, sondern verschärft auf Dauer die Spaltung der Gesellschaft, das ist die Wahrheit.

Sie heute wieder vorzuschlagen, ist verantwortungslos. Gut, dass die Linke in diesem Land keine politische Verantwortung trägt.

Die FDP: eine Leerstelle. Das hatte ich in meinen Entwurf geschrieben. Und leider musste ich nichts daran ändern, nachdem ich den Antrag der FDP gelesen habe. Er ist ein schlechtes Wahlpamphlet, aber kein Haushaltsantrag.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich höre manchmal eine gewisse Enttäuschung, dass sich im rot-grünen Haushalt so wenig Grundsätzliches geändert habe. Ich verstehe dieses Gefühl, es hat auch eine Grundlage: Denn unausweichliche Kontinuität und notwendige Verlässlichkeit machen es unmöglich, große freie Sprünge zu machen. Umso erstaunlicher, finde ich, wie schnell und wie weit der Tanker seinen Kurs schon in die richtige Richtung geändert hat!

Wesentlich ist: Diesen Haushalt können wir drinnen in unseren beiden Städten und gegenüber unseren Verhandlungspartnern draußen begründen. Die erwarten von uns, dass wir als arme Verwandte möglichst überall weit weniger ausgeben. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sehen das in der Regel ganz anders. Aber sie erwarten gleichzeitig, dass wir uns nicht ins Wolkenkuckucksheim verabschieden, sondern hier und heute die Situation bewältigen. Das tun wir mit den heute vorgelegten Haushalten.