Aktuelle Stunde am 7.11.11: Krankenhauskeime am KBM

Aktuelle Stunde am 7.11.11: Krankenhauskeime am KBM

Krankenhauskeime am KBM – Neuinfektionen verhindern und Transparenz herstellen,
Rede von Kirsten Kappert-Gonther in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft am 07.11.11.

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

am 2. November rief die Senatorin Herrn Brumma und mich gemeinsam zu sich um uns zu informieren, dass es am großen Krankenhaus einen schwerwiegenden Hygienezwischenfall gegeben hat – drei frühgeborene Kinder sind gestorben. Ein Baby schon im August, eines Mitte und eines Ende Oktober.  Weitere 15 Kinder waren über die Zeit mit Klebsiellen infiziert worden, sieben erkrankt – zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise alle infizierten Kinder stabil.

Genau wie später alle Abgeordneten der Gesundheitsdeputation, die an diesem Tag informiert wurden, war ich tief betroffen und zunächst im Angesicht der Unfassbarkeit des Todes und der Trauer der Angehörigen fast sprachlos.

Das Unfassbare des Todes bleibt, aber die Sprachlosigkeit entwickelte sich zu Fragen.

Und diese Fragen wollen wir Grünen hier auch heute in dieser aktuellen Stunde stellen.

Zunächst aber zur Situation: die Senatorin hat, nachdem sie von dem Vorfall Kenntnis bekommen hat sofort das Robert-Koch-Institut eingeschaltet. Das war richtig. Und anschließend den, wie ich finde, zweiten richtigen Schritt getan und einen sofortigen Aufnahmestopp für die Station verhängt.

Das absolut Entscheidende ist jetzt: Neu-Infektionen zu verhindern!

Ob die Infektionsquelle zu finden ist, wissen wir derzeit noch nicht sicher. Umso richtiger war es, dass die kleinen Patientinnen und Patienten in die Hess-Kinderklinik verlegt wurden, damit die Station komplett sterilisiert werden konnte. Bemerkenswert und erwähnenswert finde ich, wie viele MitarbeiterInnen sich freiwillig gemeldet haben, um die Babys sicher zu verlegen.

Und nun kommen wir zu den Fragen, die gestellt werden müssen und die sorgfältig und detailliert in einem Bericht an die Gesundheitsdeputation beantwortet werden müssen, damit für die Zukunft gelernt werden kann.

  1. Irritierend erscheint die Informationspolitik. Wieso ist die Behörde erst am 1.11. informiert worden, nachdem bereits das dritte Kind gestorben war?
  2. Was wurde nach dem ersten Todesfall im August und den ersten Klebsiella-Infektionen veranlasst?
  3. Wann wurde das Gesundheitsamt eingeschaltet, was wurde unternommen und warum wurde die zuständige Behörde nicht spätestens nach dem zweiten Todesfall Mitte Oktober und der ansteigenden Infektionswelle informiert?
  4. Wie sind die gesetzlich vorgeschriebenen Meldewege? Soweit ich informiert bin, wurde das Infektionsschutzgesetz gerade erst im Juli dieses Jahres novelliert. Das Meldewesen ist darin auch geregelt und muss als zentrales Instrument auf Länderebene sorgfältig umgesetzt werden. Wie weit ist Bremen da bereits?
  5. Sind die Verordnungen für die Berichtspflichten und Informationswege eindeutig?
  6. Zu welchem Zeitpunkt eines Risikos sind ein Bericht und die Meldung an die Behörde vorgesehen? Ist das regulär geschehen?

Natürlich wissen wir, dass so kleine Frühgeborene sehr empfindlich sind und nicht jedes so kleine Baby trotz maximaler medizinischer Versorgung überlebt, aber Klebsiellen sind Keime, die gerade für Frühgeborene besonders gefährlich sind und gehören auf keine neonatologische Station! 

An diesen Gedanken schließen die nächsten Fragen an

  1. Wie sicher können die Hygienestandards an Kliniken eingehalten werden?

Wir wissen, dass über den unachtsamen Gebrauch von Antibiotika in der Humanmedizin und vor allem auch in der Veterinärmedizin im Zusammenhang mit der Massentierhaltung, resistente Keime geradezu gezüchtet werden. In Kliniken wird zunehmend mit gegen Antibiotika resistenten Keimen gekämpft – gerade in Kliniken, wo die Keime besonders gefährlich sind, da sie dort auf kranke, geschwächte Menschen treffen, treten immer mehr schwierige Keime auf.

Das bedeutet immer größere Herausforderungen für die Krankenhaushygiene.

  1. Wie sicher ist das Krankenhaushygienewesen in Deutschland und in Bremen geregelt?
  2. Stehen genügend Fachkräfte in allen Bremer Kliniken zu Verfügung?

Wir versetzen uns auch in die Position der Eltern, wo die Frauen eine Risikoschwangerschaft austragen und die Wahl gehabt hätten eventuell auch in ein anderes Krankenhaus zu gehen, um ihr Kind zur Welt zu bringen.

  1. Wann wurden die Eltern informiert, dass es einen Klebsiellenausbruch auf der Station in Mitte gab?

Wir wissen nicht, wie die Eltern sich entschieden hätten, ich weiß nicht wie ich mich entschieden hätte, aber ich hätte das als Mutter wissen wollen und ich hätte das auch mit meiner Frauenärztin besprechen wollen.

  1. Wie wurden die Mütter und Väter informiert und betreut, deren Kinder sich schon auf der Station befanden als das zweite Kind starb und die Infektionen zunahmen?

  2. Wie werden die Eltern der verstorbenen Kinder jetzt betreut und wie die Eltern, deren Kinder noch  infiziert sind?

Wir denken auch darüber nach, was es in einer Situation - wo es auf einer Spezialstation erhebliche Schwierigkeiten gibt - bedeutet, dass im Zuge der Zentralisierung die beiden anderen Standorte für Neonatologie im LDW und in Bremen Nord Ende letzten Jahres geschlossen worden sind.

Könnten diese tragischen Erfahrungen auch bedeuten, dass eine gewisse Dezentralisierung spezialisierter Angebote doch sinnvoll ist?

Wo werden die Instrumente sterilisiert, geschieht auch dieses zentral und entsteht hierdurch potentiell ein Hygieneproblem?

Wir Grünen nehmen keine Vorverurteilung vor und gehen erst mal davon aus, dass die einzelnen MitarbeiterInnen gewissenhaft gearbeitet haben.

Aber wie sagen auch: wir fordern ganz genaue Aufklärung, wer, wann, was gemacht oder gelassen hat!  Wer warum wen eingeschaltet und informiert hat oder die Informationsweitergabe unterlassen hat!

Wir fordern exakte Aufklärung, darüber einen genauen Bericht in der Sondersitzung der Gesundheitsdeputation und in der Folge eine Expertenanhörung zu Hygienestandards in Klinken und zu Meldeleitlinien, um dann gute und sachdienliche Schlüsse aus den bestürzenden Ereignissen ziehen zu können!

Vielen Dank!