Landtagsdebatte zur Regierungserklärung vom 16. September zum Thema „Bekämpfung der Corona Virus SARS-CoV-2-Pandemie“ (Änderung des Bundesinfektionsschutzgesetzes)

Die Rede des Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, Björn Fecker, im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Präsident,

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Beginn der Pandemie hat sich die Einschätzung der pandemischen Lage ausschließlich auf die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz gestützt. Jede und jeder schaute, wie die aktuellen Zahlen des Tages sind und ob wir einen der berühmten Schwellenwerte überschreiten. Schon vor Monaten gab es die Diskussion, Sie erinnern sich, dass diese Betrachtung zu einseitig sei und andere Faktoren außer Acht lassen würde.

Nun hat die Bundesregierung reagiert und Bundestag und auch der Bundesrat haben die entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Fortan gilt die Hospitalisierungsrate als wichtigste Größe in der Pandemiebekämpfung.

Das ist auf der einen Seite auch richtig. Denn maßgebliches Ziel staatlichen Handelns war und ist die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Durch die mittlerweile erreichte Impfquote in der Gesamtbevölkerung und insbesondere auch bei den besonders schutzwürdigen Gruppen ist die Gefahr deutlich gesunken. Die Impfung stellt in einem sehr starken Umfang sicher, dass kaum eine geimpfte Person wegen einer Infektion mit Covid-19 ins Krankenhaus muss. Im Vergleich zu den ersten drei Wellen wird die gleiche Belastung des Gesundheitssystems nun erst bei bis zu sechsmal so hohen Infektionszahlen erreicht.

Und auf der anderen Seite ist die Hospitalisierungsrate eben eine Zahl, die nur mit zeitlichem Verzug von mehreren Wochen die pandemische Lage darstellt. Und deswegen ist die Sieben-Tage-Inzidenz aus Grüner Sicht auch weiter ein wichtiger Indikator zur Beurteilung des Pandemiegeschehens. Gerade wenn man sich dort gezielt die gefährdeten Altersgruppen anschaut, insbesondere die ungeimpften Infizierten. Hier besteht natürlich, das wissen wir, immer noch der alte Zusammenhang zwischen der Inzidenz und der Hospitalisierungsrate. Denn das nehmen wir ja auch alle wahr. In unseren Krankenhäusern liegen nun fast ausschließlich Menschen, die nicht geimpft sind. Deswegen braucht es einen Mix aus einer differenzierten Betrachtung der Inzidenz, der covid-bedingten Hospitalisierungsrate, der Auslastung der Intensivbetten-Kapazität und der Entwicklung des Impffortschritts. Das sieht auch der Bundesgesetzgeber so. Doch leider hat er es bei dieser bloßen Aufzählung von Indikatoren belassen. Nun soll jedes Bundesland selbst für sich entscheiden, wie es diese Kriterien untereinander gewichtet und welche Schwellwerte gelten sollen. Mir ist das unbegreiflich. Natürlich wird es auch weiterhin unterschiedliche Maßnahmen geben müssen, je nach örtlichem Pandemiegeschehen. Aber der Maßstab, anhand dessen wir das Pandemiegeschehen beurteilen, sollte doch möglichst einheitlich sein.

Meine Damen und Herren! Dass sich die Bundesregierung nach über 1,5 Jahren Pandemie mit der geballten Kompetenz des Robert-Koch-Instituts und des Bundesgesundheitsministeriums nicht in der Lage sieht, einen solchen einheitlichen Maßstab vorzuschlagen – obwohl lange klar ist, dass wir einen neuen Leitindikator brauchen werden – das ist ein Armutszeugnis für diese Bunderegierung. Das ist schlicht Arbeitsverweigerung. Und das ist in einer so wichtigen Frage für das Leben der Menschen in Deutschland.

Die 3G-Regel ab einer bestimmten Gefahrenlage als Grundsatz wie schon zuvor in der Verordnung zu haben, halten wir für richtig. Damit sind Schließungen, wie sie noch vor einem Jahr notwendig waren, nicht mehr notwendig. Aber meine Damen und Herren, 3G bedeutet gerade in geschlossenen Räumen eben auch weitere Einschränkungen wie Abstandsregeln. Deswegen ist auch die sogenannte 2G-Regel für uns kein Tabu. Zumindest als Option sollte sie Unternehmen wie Restaurants aber auch Clubs und Diskotheken möglich sein. Die Wahl zu haben und selbst entscheiden zu können, finden wir richtig. Es spricht nun einmal manches dafür, dass die Ungenauigkeit der Schnelltests mit dem Auftreten der Delta-Variante dazu führen kann, dass mehr ansteckende Personen übersehen werden. Für einen Discothekenbesuch mit vielen Menschen in einem engen geschlossenen Raum ist dann 2G wahrscheinlich die momentan sicherste Lösung. Deswegen sollte der Senat auch überlegen, inwiefern bei einer Zuspitzung der epidemischen Lage die 2G-Regel helfen kann, Schließungen zu vermeiden.

Nun hat die 2G-Regel einen entscheidenden, aber ausgleichbaren Nachteil. Sie schließt Menschen aus, die nicht geimpft sind. Deswegen braucht es Ausnahmen für all diejenigen, die sich nicht impfen lassen können, insbesondere für Kinder unter 12. Es darf nicht sein, dass Kinder hier erneut Opfer der Pandemieeinschränkungen werden. Da müssen wir uns an unsere eigenen Worte erinnern, Kinder noch mehr als bisher in den Fokus zu nehmen. Berlin hat diesen Fehler gerade korrigiert, wir sollten ihn gar nicht erst machen.

Die Diskussion rund um 2 oder 3 Gs macht aber auch deutlich, die Impfung ist und bleibt der wichtigste Baustein der Pandemiebekämpfung. Und wir sind zurecht, der Bürgermeister hat darauf hingewiesen, gemeinsam so stolz darauf, was dieses Bundesland im Bereich der Impfung hinbekommen hat. Wir freuen uns über die vielen positiven Berichte in überregionalen Medien und wir sind dankbar für den Einsatz der vielen Helferinnen und Helfer und für das Engagement der Privatwirtschaft in diesem Bereich. Das ist ein starkes Signal von Geschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein. ABER: Wir sind noch nicht am Ziel angekommen. Noch reicht die Impfquote nicht aus, um Herdenimmunität zu erreichen. Das bedeutet für den Senat, die niedrigschwelligen Angebote des Impfmobils weiter zu unterbreiten und dabei insbesondere auch Schulen mit einzubinden.

Grundsätzlich kann ich mich, können wir uns, nur dem dringenden Appell an all jene anschließen, die sich noch nicht haben impfen lassen, dies nun nachzuholen.

Es geht bei der Impfung eben auch um Solidarität mit unseren jüngsten. Die Gruppe der Kinder unter 12 hat bisher keine Impfmöglichkeit. Sie können sich auch weiter anstecken und erkranken. Und auch wenn der wissenschaftliche Stand heute sagt, dass Kinder unter 12 nicht stark erkranken, so haben wir doch eine Verantwortung Infektionen möglichst zu vermeiden.

Aus unserer Sicht sollte man aber auch einmal über den Tellerrand hinausschauen. Bezogen auf die Weltgemeinschaft haben wir noch einen langen Weg vor uns. Und deswegen ist es richtig und wichtig, gerade die Länder zu unterstützen, für die die Impfung ihrer Bevölkerung momentan noch zu teuer ist. Diese Pandemie hat eins gezeigt: In einer gloablisierten Welt hindern Grenzkontrollen keinen Virus an der Einreise. Es ist immer das selbe, wir müssen gemeinsam die Probleme lösen.

Abschließend zurück nach Bremen. Wir bitten den Senat jetzt sehr zügig eine aktualisierte Corona-Verordnung vorzulegen. Ich bin mir sicher, die Bremische Bürgerschaft bzw. der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss sind gewillt, ein schnelles Inkrafttreten dann sicherzustellen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit."