Debatte „Antisemitismus im Land Bremen entschlossen bekämpfen“

Die Rede von Henrike Müller im Plenum der Bürgerschaft (Landtag) im Wortlaut:

Der jüngste Anschlag auf die Synagoge von Pittsburgh hat uns wieder erschreckend vor Augen geführt, wie tödlich Antisemitismus sein kann. Dieser Anschlag ist ein scheußliches Verbrechen, das in angeblichen sozialen Netzwerken scheußlich gefeiert wurde. Hier liegt bereits eine der großen Herausforderungen: All diejenigen, die diesen Anschlag gefeiert haben, müssten mit einem Strafverfahren konfrontiert werden. Da sind wir noch lange nicht.

Antisemitismus im Netz ist genauso Alltag wie auf der Straße. Antisemitismus ist alltäglich, er kommt täglich vor. Wer solch einen Satz für übertrieben hält, fahre einmal mit Kippa oder Davidstern um den Hals Strassenbahn.

Dass wir dies nicht hinnehmen wollen, haben wir in unserer Debatte im Januar diesen Jahres sehr deutlich gemacht. Der damalige Bürgerschaftsbeschluss hat dem Senat viele Aufgaben mitgegeben. Uns liegt nun die Antwort des Senats vor und ich möchte hierfür ausdrücklich danken, für diesen wirklich gehaltvollen Bericht!

Dieser Senatsbericht macht deutlich:

1.    Wir tolerieren Antisemitismus nicht, in keiner seiner vielen Ausprägungsformen: weder von rechts noch von links, noch aus irgendwelchen vermeintlich kulturellen Hintergründen!

2.    Wir unterbinden jegliche Versuche von antisemitischen Organisationen, in Bremen strukturell Fuß zu fassen!

3.    Wir unterbinden Versuche, antisemitische Veranstaltungen in öffentlichen Gebäuden durchzuführen!

4.    Wir verharmlosen antisemitische Schmierereien im öffentlichen Raum nicht, sondern sagen ganz deutlich: Das sind Straftaten und die werden verfolgt!

5.    Wir führen antisemitische Straftaten als eigene Kategorie, um Klarheit zu schaffen und angemessen reagieren und intervenieren zu können!

6.    Wir führen diverse gute Fortbildungsveranstaltungen für Polizei, Justiz und pädagogische Fachkräfte weiter!

7.    Wir gehen eine Kooperation mit Yad Vashem ein und wir hoffen  auf engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die als MultiplikatorInnen fungieren und Auseinandersetzung mit Antisemitismus jenseits des Geschichtsunterrichts fördern. Neue Impulse für den Politikunterricht, neue Impulse für sachliche Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt.

8.    Wir fördern weiterhin die wichtigen Austauschprogramme, um menschliche Begegnungen zu ermöglichen.

9.    Wir fördern weiterhin die vielen wichtigen Beratungsangebote des Demokratiezentrums!

10.    Wir evaluieren nun regelmäßig die einzelnen Maßnahmen, um ihre Wirkung zu überprüfen.

11.    Wir setzen auf die starke bremische Zivilgesellschaft, die  - insbesondere was Erinnerungskultur angeht - sehr engagiert ist. Erwähnen will ich hier nur die Initiative zur Realisierung des Mahnmals in Erinnerung an die ausgebeuteten jüdischen Nachbarn: Warum ist diese Initiative von so besonderer Bedeutung und wird zu recht öffentlich so stark wahrgenommen? Weil sie die Profiteure ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt! Diejenigen, die bis heute in ihrem Unternehmertum von der damaligen unrechtmäßigen Besitzaneignung - vom Raub - profitieren! Und diejenigen, die keine Scheu hatten, aus den Wohnungen ihrer Nachbarn Geschirr, Radios, Wäsche – einfach alles, was ging – zu entwenden und dieses Raubgut bis heute in ihrem Besitz halten oder womöglich bereits vererbt haben. Diese Erinnerung ist von so immenser Bedeutung, weil sie klarmacht: Der mörderische Antisemitismus der Nationalsozialisten wurde getragen von der großen Mitte der Gesellschaft! Dies ist die eigentliche Mahnung an uns heute!

12.    Zum Schluss will ich an den Kommentar von Dr. Grigori Pantelejew im Weser Kurier erinnern: Öffentliches Gedenken an die Opfer von mörderischem Antisemitismus ist wichtig und wir werden unsere gute bremische Tradition mit vielen Engagierten weiterführen. Die Mahnung ist aber: Ermöglicht heute in Bremen jüdisches Leben, unbehelligt und sicher! Denn der beste Kampf gegen Antisemitismus ist öffentlich sichtbares jüdisches Leben zu ermöglichen. Ein vielfältiges Gemeindeleben zu fördern! Das wollen wir gerne tun!

Die Mitteilung des Senats vom 4. September 2018, Drucksache 19/1808