Grünen-Fraktion fordert Nationalen Integrationspakt

Die Bundesrepublik nimmt so viele Flüchtlinge auf wie nie. Der Umgang mit Menschen, die vor Krieg und Verfolgung hierher fliehen, wird die große Gestaltungsaufgabe für die nächsten Jahre sein. Das wird auch die Stadtgesellschaften in Bremen und Bremerhaven verändern. Vor diesem Hintergrund hat die Grünen-Fraktion auf ihrer Klausurtagung einen Integrationsleitfaden für entscheidende Bereiche wie Bildung, Arbeit, Wohnen beschlossen. Zugleich fordert die Fraktion einen Nationalen Integrationspakt zur Unterstützung der finanziell überforderten Länder und Kommunen. Dazu erklärt die Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer: „Politik muss jetzt die entscheidenden Rahmenbedingungen für die Integration von Flüchtlingen schaffen. Bildung, Arbeit und Wohnen sind die zentralen Faktoren, damit die Integration von Flüchtlingen gelingt. Nicht weniger entscheidend sind die Offenheit und Hilfsbereitschaft der BürgerInnen. Allein in den nächsten drei Jahren nimmt das Land Bremen voraussichtlich ca. 40.000 Menschen auf. Diese Dimension zeigt, dass es bei dieser Aufgabe im politischen Handeln auf viel Pragmatismus ankommen wird. Viele Kommunen sind mit den finanziellen Vorleistungen für diese nationale Integrationsaufgabe überfordert. Das gilt insbesondere für ein Haushaltsnotlageland wie Bremen. Die Integration von Flüchtlingen ist langfristig eine große Chance für die alternde Gesellschaft der Bundesrepublik. Der Bund muss sich mehr und dauerhaft an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe beteiligen. Wir erwarten vom Bund einen Nationalen Integrationspakt.“

Nationalen Integrationspakt für Länder und Kommunen auflegen
Bremen muss allein diesem Jahr rd. 200 Millionen Euro für die Flüchtlingsaufnahme aufwenden, während der Bund das gerade mal mit 20 Millionen unterstützt: Das reicht nicht! Für diese nationale Integrationsaufgabe muss der Bund deutlich mehr Verantwortung übernehmen, um die finanziell überforderten Länder und Kommunen zu entlasten. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Integrationspakt: Der Bund muss sich stärker und dauerhaft an den Kosten für den sozialen Wohnungsbau, den Ausbau von Kitas und Schulen sowie an der beruflichen Nachqualifizierung und Sprachförderung beteiligen. Diese Unterstützung ist in einem Integrations-Programm zu bündeln, das Länder und Kommunen bei der Finanzierung der jetzt nötigen Infrastruktur für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen unterstützt. Zur Gegenfinanzierung kann der Bund auf den Solidaritätszuschlag zurückgreifen und eine Vermögenssteuer einführen.

Bildung, Arbeit, Wohnen sind für die Integration vor Ort entscheidend
Wie gut die Integration von Flüchtlingen in Bremen und Bremerhaven gelingt, entscheidet sich in Kernbereichen wie Bildung, Arbeit und Wohnen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt neben der Bildung und Ausbildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen darin, wie zügig geflüchtete Menschen aus dem Wartesaal des Übergangswohnheims in einer Wohnung und mit einem Arbeitsplatz in ein selbstbestimmtes Leben inmitten dieser Gesellschaft aufbrechen können. Die Grünen-Fraktion hat in einem Integrationsleitfaden für die drei entscheidenden Bereiche Anforderungen formuliert, die Probleme lösen und die Integration möglichst zügig voranbringen sollen:

Bildung:
Das Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel für Integration. Frühkindliche Bildung ist der entscheidende Türöffner für den anschließenden Bildungsverlauf. Bildung eröffnet gute Zukunftsperspektiven. Vor diesem Hintergrund fordert die Grünen-Fraktion u.a.:

- Die Integrationskurse mit Spracherwerb müssen für alle Flüchtlinge zur Bewältigung des Alltags geöffnet werden; der Bund muss die Kinderbetreuung während des Integrationskurses sicherstellen, damit geflüchtete Frauen nicht vom Spracherwerb abgehalten werden.
- Der Fachkräftemangel im Bereich ‚Deutsch als Zweitsprache’ (DAZ) muss behoben werden. Die Bremer Hochschulen müssen entsprechende Studienangebote ausbauen. Zugleich muss der Bund die Zulassungskriterien für DAZ
-Lehrende lockern und anerkannten Weiterbildungseinrichtungen ermöglichen, eigene Qualifizierungsangebote ad hoc anzubieten.
- Der Ausbau von Kitas und Schulen und die Personalausstattung müssen kontinuierlich an den Zuzug von Flüchtlingsfamilien mit Kindern angepasst werden.
- Die Vorklassen müssen an allen Schulformen angeboten werden. Diese Vorkurse dienen dem Erlernen der deutschen Sprache und sind entscheidend für den Einstieg der geflüchteten Kinder und Jugendlichen ins Bremische Schulsystem. Die Schulen müssen personell und räumlich in die Lage versetzt werden, je nach Bedarf weitere Vorklassen einzurichten.
- Die Anzahl der jugendlichen Flüchtlinge macht an den Allgemeinen Berufsschulen (ABS) bereits rund die Hälfte der Schülerschaft aus. Darunter sind etliche unbegleitete Minderjährige bzw. traumatisierte Flüchtlinge. Den ABS sind deshalb kurzfristig zusätzliche Mittel für die Einstellung weiterer sozialpädagogischer Fachkräfte zur Verfügung zu stellen.
- Die Schulpflicht muss flexibilisiert werden und entsprechende Bestimmungen - wenn nötig - angepasst werden. Denn in der Praxis bereitet die Begrenzung der Schulpflicht auf maximal 18-Jährige z.T. Probleme: Für einige junge Flüchtlinge, die nach der Flucht erst spät ins Bremische Bildungssystem gekommen sind, führt das dazu, dass sie an Schulen, die zum Abitur führen, nicht mehr angenommen werden – weil für sie dann keine Schulpflicht mehr besteht. Formale Gründe dürfen nicht dazu führen, dass junge Menschen ihre Schullaufbahn nicht fortsetzen können.
- Viele junge Geflüchtete sind studierfähig, in Bremen derzeit ca. 500. Um dieses Potenzial zu nutzen, muss der Bund die Hochschulen und studierwilligen Flüchtlinge stärker unterstützen. Nötig sind u.a. die unbürokratische Anerkennung von Hochschulzugangsberechtigungen des Herkunftslandes, die Ausweitung passgenauer studienbegleitender Sprachkurse, zusätzliche Mittel im Rahmen des Hochschulpaktes, die Umwidmung des Deutschlandstipendiums speziell für Flüchtlinge, die stärkere Öffnung des BAFöG für Flüchtlinge.

Arbeit:
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist der schnellste Weg zur Integration. Gerade die Aufnahme einer Arbeit muss deutlich erleichtert werden. Dabei sind u.a. folgende Probleme zu lösen:

- Aktuell mangelt es an Sprachkursen mit dem sog. Sprachniveau B 2, das für den Arbeitsmarktzugang entscheidend ist. Der Senat steht in der Verantwortung, entsprechende Deutschkurse aufzubauen.
- Für die Aufnahme einer qualifizierten Erwerbsarbeit ist die ‚Berufssprache Deutsch‘ ein maßgeblicher Faktor. Diese berufsbezogenen Sprachkurse, für die die Nachfrage höher als das Angebot ist, müssen dringend finanziell ergänzt werden.
- Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen muss durch Nachqualifizierungen gesteigert werden. Die zuständige Weiterbildungsberatung ist so auszustatten, dass sie dieser Zielsetzung gerecht wird. Für Flüchtlinge, die die Kosten der Nachqualifizierung nicht allein tragen können, braucht Bremen analog zu Hamburg ein Stipendienprogramm.
- Über 40 Prozent der Flüchtlinge sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. Dem Ausbildungssystem kommt folglich eine Schlüsselrolle zu. Um den ausbildungsfähigen Jugendlichen schneller mit einer Lehrstelle den Berufseinstieg zu ermöglichen, müssen sie künftig automatisch bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend geführt werden. Das Jobcenter muss die offenen Stellen für Arbeitsvermittler rasch besetzen.
- Mittels eines Profiling muss die Jugendberufsagentur die Ressourcen der Jugendlichen erfassen. Der vertiefende und ausbildungsbegleitende Spracherwerb muss ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung sein. Zu prüfen sind die Finanzierungsmodelle (anteilig durch Unternehmen oder komplementär ergänzend durch EU-/Landesmittel).
- Die Vorrangprüfung soll mit einer Bundesratsinitiative abgeschafft werden, um Flüchtlingen die gleichen Chancen auf einen Arbeitsplatz einzuräumen wie Deutschen und EU-BürgerInnen.

Wohnen:
Allein in diesem Jahr kommen gut 10.000 Flüchtlinge in Bremen an, für die Folgejahre sind ähnliche Zahlen prognostiziert. Die bisherigen Prognosen zum Wohnungsmarkt sind damit hinfällig. Bremen muss mehr bezahlbare Wohnungen bauen als bisher geplant. In der Zeitachse bedeutet dies:

- In 2016 müssen viele neue Übergangswohnheime gebaut werden, um die Belegung von Zelten und Turnhallen weitgehend zu vermeiden. Da die Menschen möglichst kurz in Übergangswohnheimen leben sollen, müssen Wohnungen zunächst auf den bereits erschlossenen bzw. schnell mit Baurecht zu versehenen Flächen gebaut werden (z.B. mehr Wohnungen in der Überseestadt, im Wohnpark Oberneuland und Hulsberg-Quartier sowie mehr Geschosswohnungsbau). Zugleich müssen insbesondere die Baulücken genutzt und zusätzliche Einlieger-Wohnungen im Bestand durch ein Umbau-Förderprogramm mobilisiert werden. Denn das Leben inmitten der Stadtteile mit ihren integrativen Angeboten von der Kita bis zum Sportverein ermöglicht Flüchtlingen das zügige Ankommen in dieser Gesellschaft.
- Der Senat muss die Planung ständig an der tatsächlichen Entwicklung der Flüchtlingszahlen ausrichten. Falls die Zahl der ankommenden Flüchtlinge bis 2017 nicht signifikant sinkt und die bereits verständigten Flächen nicht reichen, muss in einem nächsten Schritt auch mit der Planung und Erschließung weiterer Flächen begonnen werden.