Finanzpolitik zwischen Dichtung und Wahrheit

Finanzpolitik zwischen Dichtung und Wahrheit

Nie seit 1945 war Bremens finanzpolitische Situation schlechter als heute. Trotz 7,7 Milliarden Mark Bonner Sanierungshilfe und Einnahmen aus Vermögensverkäufen in Höhe von 1,7 Milliarden Mark hat sich der offizielle Schuldenstand in den letzten vier Jahren kaum verändert. 1994 betrug er 16,8 Milliarden und 1998 rund 16,4 Milliarden Mark. Die Bilanz fällt noch negativer aus, wenn man die Schattenhaushalte berücksichtigt: Sie stiegen im selben Zeitraum von 921 Millionen auf 1.630 Millionen Mark. Diese Verpflichtungen sind mittlerweile auf 2,2 Milliarden Mark gestiegen. "Ein 'Weiter so' kann sich Bremen nicht leisten. Spätestens in vier Jahren würde der Senat, egal welche Partei regiert, handlungsunfähig sein", kommentiert der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg die Zahlen. Die Grünen wollen deshalb die Notbremse ziehen. Sie schlagen strenge Kriterien für eine seriöse Finanzpolitik vor. Dazu gehören eine verbindliche Wirtschaftlichkeitsprüfung aller größeren Projekte auf deren Auswirkungen auf die Finanz- und Steuerkraft, die Laufzeit von Krediten darf 20 Jahre nicht überschreiten und die Schattenhaushalte dürfen nicht weiter steigen, sondern müssen schrittweise reduziert werden. "Alle drei Grundsätze hat die große Koalition mißachtet oder plant, es zu tun."

Die Philosophie der großen Koalition greift nicht

Nach dem Motto "Viel bringt viel" hat die große Koalition das Geld im investiven Bereich mit vollen Händen ausgegeben. Bis heute wurden rund 1,5 Milliarden Mark aus dem Investitionssonderprogramm (ISP) ausgegeben und weitere 2 Milliarden verbindlich zugesagt. Die erhofften positiven Effekte blieben aus. "Weder auf dem Arbeitsmarkt noch bei den Steuereinnahmen und Einwohnerzahlen ist ein Aufwärtstrend eingetreten. Nicht einmal die in der Region ansässige Baubranche profitiert von der Bauwut der großen Koalition - die Beschäftigungszahlen in diesem Bereich sind drastisch zurückgegangen", kritisiert die grüne Abgeordnete Karoline Linnert, Mitglied der Finanzdeputation. Sie erinnert daran, daß die Grünen seit langem eine Halbierung des ISP-Programms fordern, um mehr Schulden zu tilgen. "Offenbar sind die Bonner Beobachter auch skeptisch, was den Erfolg solcher Finanzpolitik angeht. Warum wurde sonst fest vereinbart, die Zinsersparnis aus 7,2 Milliarden neuer Sanierungshilfe komplett zur Schuldentilgung zu verwenden""

Trotz dieser Vereinbarung will die große Koalition an ihrem Kurs festhalten. Parallel zur Schuldentilgung mit Bonner Mitteln sollen neue Kredite in vergleichbarer Höhe aufgenommen werden. Das Wundermittel heißt kapitaldienstfinanzierte Investitionen. Wurde CT III mit einem Finanzvolumen von 524 Millionen Mark in 15 Jahren abfinanziert (plus Zinsen in Höhe von 256 Millionen), soll CT IIIa mit Kosten in Höhe von 190 Millionen Mark in 43 Jahren abgezahlt werden (plus Zinsen in Höhe von 264 Millionen Mark). Der Zeitraum wird immer länger und dadurch wächst auch die Zinsbelastung.

Der grüne Forderungskatalog

"Wir können das Rad nicht zurückdrehen, aber wir wollen verhindern, daß alles weitergeht wie gehabt", betont Dieter Mützelburg und stellt den grünen Forderungskatalog für eine zukunftsorientierte Finanzpolitik vor:


  1. Die Höhe der Schattenhaushalte darf nicht mehr steigen, langfristig müssen sie reduziert werden.

  2. Wirtschaftlichkeitsprüfung aller Großprojekte gemäß § 7 Landeshaushaltsordnung.

  3. "Die Große Koalition hat auf eine solche Kosten/Nutzen-Analyse häufig verzichtet oder ihr Ergebnis ignoriert." Als Beispiele führt Mützelburg die Daewoo-Ansiedlung in Bremen-Nord und die Großmarktverlagerung in die alten Hafenreviere an.
  4. Investitionen abspecken

  5. Die Grünen wollen eine Reihe von Projekten nicht realisieren. "Ein Kassensturz nach der Wahl wird zeigen, daß vieles nicht finanzierbar ist." Denkbar sind beispielsweise der Verzicht auf die Georg-Bitter-Trasse, den Büropark Oberneuland, den Umbau des Ihlpohler Kreisels oder die Rennbahn-Investitionen.
  6. Jeder Kredit muß in maximal 20 Jahren abfinanziert werden.

  7. Mehr public-privat-partnership



Alle Anstrengungen werden verpuffen, wenn langfristig nicht ein höherer Anteil der in Bremen erwirtschafteten Steuern auch hier verbleibt. Die Grünen erhoffen sich einen positiven Effekt von der Bund-Länder-Kommission, die über eine gerechte Verteilung der Steuereinkünfte und den Länderfinanzausgleich berät. Die Beratungen begleitet eine grüne Finanzerrunde, die vor einer Woche bei einem Treffen der grünen Finanzexperten gebildet wurde. In der Runde vertreten sind Bremen, Bayern, Berlin, Hessen, NRW und die Bundestagsfraktion. Dieter Mützelburg, der Bremen dort vertritt, hat sich folgende Schwerpunkte gesetzt: "Eine gerechtere Verteilung der Einkommenssteuer (Stadtstaatenproblem), Beteiligung des Bundes an Sozialhilfekosten, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Einbeziehung von Arzt- und Anwaltspraxen mit mehreren Angestellten in die Gewerbesteuer."


Liste der großen Verkäufe


  • Stadtwerkepensionsgeschäft=352 Mio. Mark

  • Gewoba=220 Mio. Mark

  • Bremische=90 Mio. Mark

  • Anteile Bremer Landesbank=220 Mio. Mark

  • BEB-Abwasser und Abfall=870 Mio. Mark


Macht zusammen: 1.754 Mio. Mark