Rede zur Online-Durchsuchung

Rede zur Online-Durchsuchung

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

die große Bundespolitik in der Bremischen Bürgerschaft – Schäuble und der CDU sei Dank. Nein im Ernst, auch unsere Landesregierung wird sich irgendwann im Bundesrat zu den geplanten Änderungen u.a. des BKA-Gesetzes verhalten müssen und das Bundesverfassungsgericht wird im Frühjahr eine Entscheidung zur generellen Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen treffen. Die Antwort des Senats hat jedoch deutlich gemacht, dass eigentlich der Zeitpunkt  der heutigen Debatte zu früh ist. Noch bewegen wir uns auf dem Boden von Entwürfen, Spekulationen, Interessensbekundungen und mehr oder minder ernst zu nehmenden Vorschlägen, wie unser Land angeblich sicherer werden soll.

Wir Grünen betrachten diese Debatte mit sehr viel Unbehagen. Terrorszenarien werden zur Stimmungsmache heraufbeschworen und zu ihrer Bekämpfung eine Fülle von neuen rechtsstaatlich inakzeptablen Instrumenten gefordert, die weit in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.

Damit wir uns nicht missverstehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass es gleich den einen oder anderen gibt, der es trotzdem bewusst tun wird:

Es ist die Aufgabe des Staates, seinen Bürgerinnen und Bürgern Schutz und Sicherheit zu gewährleisten. Wir als Gesellschaft und unsere Sicherheitsorgane stehen im Hinblick darauf vor meist technisch begründeten neuen Herausforderungen. Aus diesen neuen Herausforderungen darf und kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben nunmehr die Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger ignoriert. Denn die Aufgabe    - Schutz und Sicherheit zu organisieren- verlangt gerade auch primär den Schutz ihrer Freiheitsrechte. Eine Politik, die das ignoriert, hat den Kampf gegen den Terror schon verloren.

Die Sicherheit darf nicht zur Staatsdoktrin werden, der sich alles unterzuordnen hat und in diesem Zusammenhang wäre es sehr hilfreich,  wenn nicht fast täglich durch den Bundesinnenminister Schäuble neue Kriegsszenarien an die Wand gemalt werden würden. Wir Grünen wollen der Bedrohung durch den Terrorismus, die durchaus besteht, mit den Mitteln des Rechtsstaats und unter Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte entgegentreten. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies nicht nur der einzig mögliche sondern auch der einzig richtige Weg ist.

Das BKA-Gesetz soll auch einen Passus zu sogenannten Online-Durchsuchungen, also den unbemerkten Einbruch in den Computer, enthalten. Nach dem großen Lauschangriff nun also der große Netzangriff. Mit dem heimlichen Screening der Festplatte droht den Bürgerinnen und Bürgern ein Grundrechtseingriff neuer Qualität. Der eigene Computer gehört in unserer heutigen Gesellschaft zu den intimsten Bereichen des Menschen. Hier sind Tagebucheintragungen, Mails, Fotos, Videos und andere private Daten gespeichert. Wir lagern ein komplettes Abbild unserer Identität auf den PCs aus und tragen es als Laptop mit uns herum. Wer in diesen Bereich eindringt, verletzt die Intimsphäre in bisher ungeahntem Ausmaß. Die Online-Durchsuchungen wären ein klarer Bruch mit rechtsstaatlichen Prinzipien. Online darf nicht erlaubt sein, was offline aus guten rechtsstaatlichen Gründen verboten ist.

Schnüffel-Software kann nicht zwischen Bombenbauanleitung oder Urlaubsfotos, zwischen Drohbrief oder Liebesbrief unterscheiden. Für uns Grüne ist der garantierte Schutz der Privatsphäre unantastbar.

Die Strafprozessordnung kennt im Übrigen auch keine Mischung aus Durchsuchung und Wohnraumüberwachung, das bestätigte der Bundesgerichtshof bereits im Februar 2007. Einen Schlenker gestatten Sie mir auch noch zum Vergleich mit bisherigen Wohnungsdurchsuchungen. Wenn eine Wohnung durchsucht wird, und der Nutzer der Wohnung ist nicht anzutreffen, dann muss die Ermittlungsbehörde einen neutralen Zeugen mit zu dieser Durchsuchung bringen, u.a. damit Beweise nicht manipuliert werden können. Wie das bei der Online-Durchsuchung gehen soll, finde ich schon spannend.

Dabei hat die Bundesregierung bisher nicht begründen können, dass dieser Eingriff in Bürgerrechte zur Kriminalitätsbekämpfung wirklich erforderlich ist. Schon jetzt dürfen auf gesetzliches Grundlage Mails mitgelesen, Telefonate abgehört und bei ausreichendem Tatverdacht PC beschlagnahmt werden. In wenigen Fällen besonders gefährlicher Kriminalität ist auch das heimliche Abhören eines sonst geschützten privaten Raumes gestattet. So ist etwa bei Verdacht auf Tötungsdelikte ein so genannter Großer Lauschangriff in der Privatwohnung möglich. Bei bloßem Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen, wie Filesharing, ist allenfalls eine normale Durchsuchung erlaubt. Ich denke wir sind uns einig: In ihrer Eingriffsintensität ähnelt die Onlinedurchsuchung dabei eher dem Großen Lauschangriff und würde damit wie bei der Einführung des Lauschangriffs eine Grundgesetzänderung erforderlich machen. So lange jedoch der Nutzen für die Sicherheit nicht bestimmt und der Schaden für die Bürgerrechte nicht absehbar ist, bleiben wir Grüne bei unserer Ablehnung staatlichen Hackens.

Ich würde auch gerne noch einen Gedanken an die praktische Umsetzung des Programms verlieren. Der sogenannte Bundestrojaner ist ja vergleichbar mit einem Virus bzw. einem ganz normalen Trojaner, den man sich im Internet einfangen kann, wie eine Grippe. Wie gegen eine Grippe im Leben kann man sich auch heutzutage schon vor Viren und anderen bösen Dingen im Internet schützen. Der Staat wäre also gezwungen, immer neue und andere Versionen seiner kleinen Hilfsprogrammen zu erstellen und begibt sich damit natürlich in einen Wettbewerb erster Güte, ob er den gewinnt ist offen. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Informatiker ist das mindestens. Auch personell frage ich mich, wie wir die ganzen eingesammelten Daten sichten und bewerten wollen, denn einer Word-Datei erkennt man ja nicht schon am Dateinamen an, ob es dabei eine Bombenbastelanleitung oder Omas Kuchenrezept handelt.

Abschließend lassen Sie mich noch mal zusammenfassen, dass aus unserer Sicht in der derzeitigen Debatte massiv versucht wird, die Achsen unseres Rechtsstaates zu verschieben. Fasst man alle Maßnahmen der Bundesregierung zusammen, von der Online-Durchsuchung, über die Vorratsdatenspeicherung bis hin zu Planungen künftig Kirchen abzuhören, dann machen wir unseren Rechtsstaat zu einem Präventivstaat in dem jeder erstmal grundsätzlich verdächtig ist. Dieser Entwicklung werden sich Grüne mit allen politischen Mitteln entgegensetzen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.